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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Dies ist seitdem geschehen. Aber unmöglich kann das auswärtige Amt
blos geklagt haben auf Herausgabe der vom Grafen Arnim zugegebenermaßen
Anbehaltenen Aktenstücke. Auf diese Klage allein hätte das Gericht nie die
Verhaftung anordnen können. Die Verhaftung ist vielmehr angeordnet im
Interesse der Untersuchung und in demselben Interesse durch das Kammer-
Bericht in zweiter Instanz aufrecht erhalten worden gegenüber dem Gesuch
^es Grafen, aus der Haft entlassen zu werden. Es kann also nicht nur eine
Untersuchung schweben über den Charakter der streitigen Aktenstücke, es muß
^eichzettig auch eine Untersuchung schweben über uneingestandene Handlungen
Grasen. Die Vermuthung ist unabweisbar, daß diese Handlungen sich
^ziehen auf den dem Grafen angeblich unbewußten Verbleib eines Theiles
in dem Botschaftsarchiv zu Paris vermißten Aktenstücke. Ist diese Ver¬
muthung über den weiteren Gegenstand der Untersuchung begründet, so recht-
^ligt sich allerdings die Jnhaftnahme und die Fortdauer der Haft voll-
^Mrnen. Denn außer Haft wäre der Graf gewiß viel leichter im Stande,
die Spuren des Verschwindens der vermißten Aktenstücke zu tilgen, wenn
Inders seine eigene Handlungsweise mit diesem Verschwinden im Zusammen¬
hang steht. --

Offiziös ist ausgesprochen worden, die politischen und persönlichen Diffe-
^uzen zwischen dem Reichskanzler und dem ihm ehemals untergebenen Bot-
^after zu Paris hätten mit dem gegenwärtigen Gerichtsverfahren wider den
^afer Arnim gar nichts zu thun. Formell ist das sicherlich richtig. Es
handelt sich um vermißte Aktenstücke, welche der Graf herauszugeben theils
^Weigert, theils in ihrem Verbleib nicht zu kennen behauptet. Der streitige
^harakter der innebehaltenen Aktenstücke müßte festgestellt, dem unbekannten
verbleib der fehlenden Aktenstücke müßte nachgeforscht werden, auch wenn es
U>e Differenzen zwischen dem ehemaligen Botschafter und seinem leitenden Vor¬
letzten gegeben hätte. Aber wenn solche Differenzen nicht gewesen wären,
^ete der Graf dann wohl amtliche Aktenstücke einbehalten, könnte er wohl
^ Verdacht stehen. dem unbekannten Verbleib vermißter Aktenstücke nicht
^Md zu sein? Nicht der formelle, wohl aber der sachliche Ursprung des
^ocesses wird doch wohl in den Differenzen zwischen dem ehemaligen Bot-
'After und seinem Chef zu suchen sein.

Diese Differenzen, worin bestanden sie? Der Botschafter wollte eine
Andere Politik als der Kanzler schon während seiner Thätigkeit als Gesandter
^ dem päpstlichen Stuhl zur Zeit des vaticanischen Concils. Dies bezeugen
7^ Privatbriefe, welche zu dieser Zeit Graf Arnim mit verschiedenen Personen
^er den Gang des Concils gewechselt und die schwerlich ohne seine Mit-
^rkung. wie er freilich den Anschein zu wahren gesucht hat, in dem wiener


Dies ist seitdem geschehen. Aber unmöglich kann das auswärtige Amt
blos geklagt haben auf Herausgabe der vom Grafen Arnim zugegebenermaßen
Anbehaltenen Aktenstücke. Auf diese Klage allein hätte das Gericht nie die
Verhaftung anordnen können. Die Verhaftung ist vielmehr angeordnet im
Interesse der Untersuchung und in demselben Interesse durch das Kammer-
Bericht in zweiter Instanz aufrecht erhalten worden gegenüber dem Gesuch
^es Grafen, aus der Haft entlassen zu werden. Es kann also nicht nur eine
Untersuchung schweben über den Charakter der streitigen Aktenstücke, es muß
^eichzettig auch eine Untersuchung schweben über uneingestandene Handlungen
Grasen. Die Vermuthung ist unabweisbar, daß diese Handlungen sich
^ziehen auf den dem Grafen angeblich unbewußten Verbleib eines Theiles
in dem Botschaftsarchiv zu Paris vermißten Aktenstücke. Ist diese Ver¬
muthung über den weiteren Gegenstand der Untersuchung begründet, so recht-
^ligt sich allerdings die Jnhaftnahme und die Fortdauer der Haft voll-
^Mrnen. Denn außer Haft wäre der Graf gewiß viel leichter im Stande,
die Spuren des Verschwindens der vermißten Aktenstücke zu tilgen, wenn
Inders seine eigene Handlungsweise mit diesem Verschwinden im Zusammen¬
hang steht. —

Offiziös ist ausgesprochen worden, die politischen und persönlichen Diffe-
^uzen zwischen dem Reichskanzler und dem ihm ehemals untergebenen Bot-
^after zu Paris hätten mit dem gegenwärtigen Gerichtsverfahren wider den
^afer Arnim gar nichts zu thun. Formell ist das sicherlich richtig. Es
handelt sich um vermißte Aktenstücke, welche der Graf herauszugeben theils
^Weigert, theils in ihrem Verbleib nicht zu kennen behauptet. Der streitige
^harakter der innebehaltenen Aktenstücke müßte festgestellt, dem unbekannten
verbleib der fehlenden Aktenstücke müßte nachgeforscht werden, auch wenn es
U>e Differenzen zwischen dem ehemaligen Botschafter und seinem leitenden Vor¬
letzten gegeben hätte. Aber wenn solche Differenzen nicht gewesen wären,
^ete der Graf dann wohl amtliche Aktenstücke einbehalten, könnte er wohl
^ Verdacht stehen. dem unbekannten Verbleib vermißter Aktenstücke nicht
^Md zu sein? Nicht der formelle, wohl aber der sachliche Ursprung des
^ocesses wird doch wohl in den Differenzen zwischen dem ehemaligen Bot-
'After und seinem Chef zu suchen sein.

Diese Differenzen, worin bestanden sie? Der Botschafter wollte eine
Andere Politik als der Kanzler schon während seiner Thätigkeit als Gesandter
^ dem päpstlichen Stuhl zur Zeit des vaticanischen Concils. Dies bezeugen
7^ Privatbriefe, welche zu dieser Zeit Graf Arnim mit verschiedenen Personen
^er den Gang des Concils gewechselt und die schwerlich ohne seine Mit-
^rkung. wie er freilich den Anschein zu wahren gesucht hat, in dem wiener


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/201>, abgerufen am 29.12.2024.