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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Blatt "die Presse" veröffentlicht worden sind. Noch stärker hat der Graf die
kirchliche Politik des Kanzlers in seinem an Döllinger gerichteten und für die
Oeffentlichkeit bestimmten, weil durch den Adressaten der Oeffentlichkeit nicht
vorenthaltbaren Schreiben gemißbilligt. Weit mehr als in Rom hat der
Gras in Paris eine andere Politik als die des Kanzlers zur Geltung
bringen gesucht. Ein heftiger und unliebsamer Meinungstausch hat in Folge
dessen stattgefunden, der Graf wurde nach Constantinopel versetzt und später,
nachdem der Brief an Döllinger erschienen und durch öffentliche Erklärungen
des Grafen zu motiviren gesucht worden, zur Disposition gestellt. Seitdem
muß der Graf als der offene, wie vorher als der heimliche Gegner des Kanzle^
betrachtet werden. Um sich gegen die Beschuldigungen des Kanzlers vertheidigen
zu können, behauptet er, eine Reihe Aktenstücke der pariser Botschaft bean¬
spruchen zu müssen. Weil die ohne Spur ihres Verbleibs aus dem Botschafts'
archiv verschwundenen Aktenstücke bestimmt scheinen, gegen den Kanzler
wirken, darum lastet auf dem Grafen Arnim der Verdacht, ihrem Verschrot
den nicht fremd zu sein.

Aus dem Publikum ist vielfältig die Frage laut geworden, warum der
Graf sich nicht mit den Abschriften der Dokumente begnüge, sondern aus dein
Besitz der Originale beharre. Als Waffe aber sind Originale wirksamer, "is
Abschriften jemals sein können, möchte der Inhalt noch so sprechend erscheinen
und die Form selbst eine amtliche Beglaubigung erlangt haben. Abschriften
können verleugnet, angezweifelt werden, einflußreiche Betheiligte können dein
Zweifel aufrichtig oder scheinbar Wirkung einräumen. Originale können zw^
auch gefälscht werden, aber es giebt Mittel, die Fälschungen festzustellen
Echte Originale erzwingen schließlich den Beweis. Für wen dieses Beweis'
Mittel der Echtheit so eifrig zu wahren gesucht wird, auf wen es zuletzt
wirken sollen, das läßt sich bis jetzt nicht sagen. Der Reichskanzler jedenfalls
ist nicht derjenige, der diese Originale, der die Bekanntmachung ihres Inhalt
fürchtet. Graf Arnim glaubte vielleicht, eine Waffe gegen den Kanzler ^
besitzen. Der Kanzler entreißt seinem Gegner diese Waffe durch ein öffer^
liebes Gericht. Läge die Wirkung der Waffe in der Veröffentlichung, so
sie durch den Kanzler selbst in ihr Element gebracht. Aber er scheut diese
Wirkung nicht und bekämpft den Gegner, indem "er die Unrechtmäßigkeit de
Besitzes der vermeintlichen Waffe ans Licht zieht.

Hören wir nun auch den Grasen Arnim. Er hat zwei von ihm ins?''
rirte Aeußerungen der Oeffentlichkeit zukommen lassen. Die erste davon ^
trifft seine Differenzen mit dem Kanzler, die zweite betrifft den formelle"
Charakter der wider ihn erhobenen Anklage. In der zweiten Aeußerung
deducirt der Gras aus dem persönlichen, d. h. seine Person auf das stark


Blatt „die Presse" veröffentlicht worden sind. Noch stärker hat der Graf die
kirchliche Politik des Kanzlers in seinem an Döllinger gerichteten und für die
Oeffentlichkeit bestimmten, weil durch den Adressaten der Oeffentlichkeit nicht
vorenthaltbaren Schreiben gemißbilligt. Weit mehr als in Rom hat der
Gras in Paris eine andere Politik als die des Kanzlers zur Geltung
bringen gesucht. Ein heftiger und unliebsamer Meinungstausch hat in Folge
dessen stattgefunden, der Graf wurde nach Constantinopel versetzt und später,
nachdem der Brief an Döllinger erschienen und durch öffentliche Erklärungen
des Grafen zu motiviren gesucht worden, zur Disposition gestellt. Seitdem
muß der Graf als der offene, wie vorher als der heimliche Gegner des Kanzle^
betrachtet werden. Um sich gegen die Beschuldigungen des Kanzlers vertheidigen
zu können, behauptet er, eine Reihe Aktenstücke der pariser Botschaft bean¬
spruchen zu müssen. Weil die ohne Spur ihres Verbleibs aus dem Botschafts'
archiv verschwundenen Aktenstücke bestimmt scheinen, gegen den Kanzler
wirken, darum lastet auf dem Grafen Arnim der Verdacht, ihrem Verschrot
den nicht fremd zu sein.

Aus dem Publikum ist vielfältig die Frage laut geworden, warum der
Graf sich nicht mit den Abschriften der Dokumente begnüge, sondern aus dein
Besitz der Originale beharre. Als Waffe aber sind Originale wirksamer, «is
Abschriften jemals sein können, möchte der Inhalt noch so sprechend erscheinen
und die Form selbst eine amtliche Beglaubigung erlangt haben. Abschriften
können verleugnet, angezweifelt werden, einflußreiche Betheiligte können dein
Zweifel aufrichtig oder scheinbar Wirkung einräumen. Originale können zw^
auch gefälscht werden, aber es giebt Mittel, die Fälschungen festzustellen
Echte Originale erzwingen schließlich den Beweis. Für wen dieses Beweis'
Mittel der Echtheit so eifrig zu wahren gesucht wird, auf wen es zuletzt
wirken sollen, das läßt sich bis jetzt nicht sagen. Der Reichskanzler jedenfalls
ist nicht derjenige, der diese Originale, der die Bekanntmachung ihres Inhalt
fürchtet. Graf Arnim glaubte vielleicht, eine Waffe gegen den Kanzler ^
besitzen. Der Kanzler entreißt seinem Gegner diese Waffe durch ein öffer^
liebes Gericht. Läge die Wirkung der Waffe in der Veröffentlichung, so
sie durch den Kanzler selbst in ihr Element gebracht. Aber er scheut diese
Wirkung nicht und bekämpft den Gegner, indem "er die Unrechtmäßigkeit de
Besitzes der vermeintlichen Waffe ans Licht zieht.

Hören wir nun auch den Grasen Arnim. Er hat zwei von ihm ins?''
rirte Aeußerungen der Oeffentlichkeit zukommen lassen. Die erste davon ^
trifft seine Differenzen mit dem Kanzler, die zweite betrifft den formelle"
Charakter der wider ihn erhobenen Anklage. In der zweiten Aeußerung
deducirt der Gras aus dem persönlichen, d. h. seine Person auf das stark


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/202>, abgerufen am 27.07.2024.