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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Und siebzehnmal hat dann noch das Todtenglöcklein des Lorcher Klosters
den Edlen ihres Hauses geläutet. Konrad's I. Gattin und Söhne, Barbarossa's
Mutter und Kinder, Beatrix. Otto's IV. Gemahlin, aus deren Sarg die In¬
schrift stand: ,,LIis> torinos",, Min einis, ante rosa", sind hier gebettet. Aber
unter all den Namen, die da der Hüter der Todtengruft nennt, klingt Einer
am poetischsten aus der alten Zeit herüber:


^Nasoiturain Oriontis,
taurus huonZgm atane xa-Iinao
oum oz^xregsig 8alntarunt:
inorituram oooiÄontiZ
ilioos et ciusrous almao
ooinmoerentss aäuinbrarunt.
nobilis (Zraiorum nata
en, Mo aura tradunt lata.
gexulturao re<iuieni!
uso solamins oarebis,
Min cum ÄliAöllg vIÄebis
<iusm pig,nxisti, oonjugem

hat Victor Scheffel Irenen von Byzanz zur Grabschrift geschrieben. Als sie
von der Leiche des ermordeten Gatten weg, von Bamberg nach dem Hohen"
Staufen geflohen, fand sie hier bei den Todten auch das Ende ihres Liebes¬
wehs und Herzeleids. Beim Umgraben des Klostergartens stieß man vor
Jahren auf den goldnen Ring, den sie einst Philipp am Traualtar gegeben.
Auf einen der alten romanischen, das Kirchlein stützenden Pfeiler sieht man
Beider Bild. Der Rosenstrauch, der neben Irenen blüht, deutet auf Walter's
von der Bogelweide Gruß an sie: "nos' Z.us Zorn, ein ende Sunäer MÜen."
Ihr Grab ist nicht bezeichnet. Keins ist das. Ein sorglicher oder besser für¬
witziger Abt hat einmal alle Gräber öffnen lassen und aller Asche in Einen
großen Sarkophag, der mitten in der Kirche steht, gesammelt. Da hat sich
auch der Staub der schönen griechischen Kaisertochter dem der deutschen
Fürsten und Fürstenkinder gemischt. Aber alt. unverändert, wie es vordem
war, ist Alles: der Boden des Kirchleins, die Wölbung des Dachs, die Pfeiler
und die Bilder an ihnen. Durch die Fensterbogen schlingt sich alter Epheu;
die hereindringenden Sonnenstrahlen fielen gerade auf Irenens Bild. Draußen
aber vor dem Kloster steht die alte Linde, in deren Schatten schon alle die
lebend gewandelt, die da drinnen schlafen. Vor Jahren, als ich einmal vom
Hohenrechberg hinüber nach Lorch kam, war noch an dem alten mächtigen
Baum kein Aestchen geknickt. Diesmal fand ich ihn gebrochen. Zu derselben
Zeit, als der Birnbaum auf dem Walserfeld zu Grunde ging, splitterte auch
von der Hohenstaufenlinde ein Sturm ein beträchtlich Stück ab. Auch die
Bäume der alten Kaiserzeit mahnten, daß die Zeit erfüllt, daß die Thatkraft


Und siebzehnmal hat dann noch das Todtenglöcklein des Lorcher Klosters
den Edlen ihres Hauses geläutet. Konrad's I. Gattin und Söhne, Barbarossa's
Mutter und Kinder, Beatrix. Otto's IV. Gemahlin, aus deren Sarg die In¬
schrift stand: ,,LIis> torinos«,, Min einis, ante rosa", sind hier gebettet. Aber
unter all den Namen, die da der Hüter der Todtengruft nennt, klingt Einer
am poetischsten aus der alten Zeit herüber:


^Nasoiturain Oriontis,
taurus huonZgm atane xa-Iinao
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Min cum ÄliAöllg vIÄebis
<iusm pig,nxisti, oonjugem

hat Victor Scheffel Irenen von Byzanz zur Grabschrift geschrieben. Als sie
von der Leiche des ermordeten Gatten weg, von Bamberg nach dem Hohen"
Staufen geflohen, fand sie hier bei den Todten auch das Ende ihres Liebes¬
wehs und Herzeleids. Beim Umgraben des Klostergartens stieß man vor
Jahren auf den goldnen Ring, den sie einst Philipp am Traualtar gegeben.
Auf einen der alten romanischen, das Kirchlein stützenden Pfeiler sieht man
Beider Bild. Der Rosenstrauch, der neben Irenen blüht, deutet auf Walter's
von der Bogelweide Gruß an sie: „nos' Z.us Zorn, ein ende Sunäer MÜen."
Ihr Grab ist nicht bezeichnet. Keins ist das. Ein sorglicher oder besser für¬
witziger Abt hat einmal alle Gräber öffnen lassen und aller Asche in Einen
großen Sarkophag, der mitten in der Kirche steht, gesammelt. Da hat sich
auch der Staub der schönen griechischen Kaisertochter dem der deutschen
Fürsten und Fürstenkinder gemischt. Aber alt. unverändert, wie es vordem
war, ist Alles: der Boden des Kirchleins, die Wölbung des Dachs, die Pfeiler
und die Bilder an ihnen. Durch die Fensterbogen schlingt sich alter Epheu;
die hereindringenden Sonnenstrahlen fielen gerade auf Irenens Bild. Draußen
aber vor dem Kloster steht die alte Linde, in deren Schatten schon alle die
lebend gewandelt, die da drinnen schlafen. Vor Jahren, als ich einmal vom
Hohenrechberg hinüber nach Lorch kam, war noch an dem alten mächtigen
Baum kein Aestchen geknickt. Diesmal fand ich ihn gebrochen. Zu derselben
Zeit, als der Birnbaum auf dem Walserfeld zu Grunde ging, splitterte auch
von der Hohenstaufenlinde ein Sturm ein beträchtlich Stück ab. Auch die
Bäume der alten Kaiserzeit mahnten, daß die Zeit erfüllt, daß die Thatkraft


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[0194] Und siebzehnmal hat dann noch das Todtenglöcklein des Lorcher Klosters den Edlen ihres Hauses geläutet. Konrad's I. Gattin und Söhne, Barbarossa's Mutter und Kinder, Beatrix. Otto's IV. Gemahlin, aus deren Sarg die In¬ schrift stand: ,,LIis> torinos«,, Min einis, ante rosa", sind hier gebettet. Aber unter all den Namen, die da der Hüter der Todtengruft nennt, klingt Einer am poetischsten aus der alten Zeit herüber: ^Nasoiturain Oriontis, taurus huonZgm atane xa-Iinao oum oz^xregsig 8alntarunt: inorituram oooiÄontiZ ilioos et ciusrous almao ooinmoerentss aäuinbrarunt. nobilis (Zraiorum nata en, Mo aura tradunt lata. gexulturao re<iuieni! uso solamins oarebis, Min cum ÄliAöllg vIÄebis <iusm pig,nxisti, oonjugem hat Victor Scheffel Irenen von Byzanz zur Grabschrift geschrieben. Als sie von der Leiche des ermordeten Gatten weg, von Bamberg nach dem Hohen" Staufen geflohen, fand sie hier bei den Todten auch das Ende ihres Liebes¬ wehs und Herzeleids. Beim Umgraben des Klostergartens stieß man vor Jahren auf den goldnen Ring, den sie einst Philipp am Traualtar gegeben. Auf einen der alten romanischen, das Kirchlein stützenden Pfeiler sieht man Beider Bild. Der Rosenstrauch, der neben Irenen blüht, deutet auf Walter's von der Bogelweide Gruß an sie: „nos' Z.us Zorn, ein ende Sunäer MÜen." Ihr Grab ist nicht bezeichnet. Keins ist das. Ein sorglicher oder besser für¬ witziger Abt hat einmal alle Gräber öffnen lassen und aller Asche in Einen großen Sarkophag, der mitten in der Kirche steht, gesammelt. Da hat sich auch der Staub der schönen griechischen Kaisertochter dem der deutschen Fürsten und Fürstenkinder gemischt. Aber alt. unverändert, wie es vordem war, ist Alles: der Boden des Kirchleins, die Wölbung des Dachs, die Pfeiler und die Bilder an ihnen. Durch die Fensterbogen schlingt sich alter Epheu; die hereindringenden Sonnenstrahlen fielen gerade auf Irenens Bild. Draußen aber vor dem Kloster steht die alte Linde, in deren Schatten schon alle die lebend gewandelt, die da drinnen schlafen. Vor Jahren, als ich einmal vom Hohenrechberg hinüber nach Lorch kam, war noch an dem alten mächtigen Baum kein Aestchen geknickt. Diesmal fand ich ihn gebrochen. Zu derselben Zeit, als der Birnbaum auf dem Walserfeld zu Grunde ging, splitterte auch von der Hohenstaufenlinde ein Sturm ein beträchtlich Stück ab. Auch die Bäume der alten Kaiserzeit mahnten, daß die Zeit erfüllt, daß die Thatkraft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/194>, abgerufen am 27.07.2024.