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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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aber nicht als stichhaltig. Es muß dabei nämlich beachtet werden, daß die
Einfuhr im Allgemeinen und in der Regel höher ist und höher gewerthet sein
muß, als die Ausfuhr, weil zu der Ursprungsfactura noch mehr Fracht, Zins
und Versicherungsprämie zu rechnen ist. als bei der ausgeführten Waare.
Im speciellen Fall aber haben England und Frankreich in dem ersten Semester
des laufenden Jahres ebenfalls eine Vermehrung der Einfuhr und eine Ver¬
minderung der Ausfuhr aufzuweisen, ohne daß diese Bewegung von der
gleichen Erscheinung begleitet gewesen wäre. In Frankreich zeigt nämlich der
Ausfuhrhandel in den ersten drei Monaten von 1874 folgende Ziffern:

Einfuhr Ausfuhr
1873 Fr. 776.576.000 971.982,000
1874 " 926.129.000 856.000.000
148^553,000 -- 115.982.000

Der Ausfuhrhandel Großbritanniens ergab in derselben Zeit:

Einfuhr Ausfuhr
1873 Pf. Se. 84.877,000 92.374,000
1874 " 62.376.000 67.802.000
-- 22.501.000 -t- 34.572 000

Gerade in dem Lande, nach welchem aus Deutschland am meisten Gold
exportirt wurde, hat also die stärkste Einfuhr stattgefunden, und zwar den
Edelmetall-Import dabei außer Rechnung gelassen, denn jene Ziffern setzen
sich folgendermaßen zusammen:

1873 1874
Nahrungsmittel Fr. 160.987.000 202.561,000
Rohstoffe ., 479.581.000 586.272.000
Fabricate " 97,383.000 96.698.000
Verschiedene Waaren " 38.626.000 39.598.000
776,576.000 925,129.000

Die weiteren vier Monate des Jahres, dessen genaue Ziffern uns gera^
nicht zur Hand sind, haben ein ähnliches Resultat ergeben.

Zu allem Ueberflusse ist aber jene Vermuthung über die Verschlechterung
der deutschen Handelsbilanz gar nicht zutreffend, denn nach dem so eben ver'
öffentlichem Ausweise haben die Einnahmen an Zöllen im deutschen Reichs
vom 1. Januar bis 31. August d. I. 6.102,057 Thaler weniger betragt
als in der gleichen Periode des Jahres 1873.

Aus diesen Thatsachen allein geht zur Evidenz hervor daß die Handel
bilanz nicht die Ursache der enormen Goldausfuhr ist. Die wahre Ursa^
muß anderswo gesucht werden.

Um dieselbe sofort in voller Klarheit zu erkennen, muß man sich in de"
Prozeß des Umsatzes der Waaren und Dienstleistungen hineindenken.


aber nicht als stichhaltig. Es muß dabei nämlich beachtet werden, daß die
Einfuhr im Allgemeinen und in der Regel höher ist und höher gewerthet sein
muß, als die Ausfuhr, weil zu der Ursprungsfactura noch mehr Fracht, Zins
und Versicherungsprämie zu rechnen ist. als bei der ausgeführten Waare.
Im speciellen Fall aber haben England und Frankreich in dem ersten Semester
des laufenden Jahres ebenfalls eine Vermehrung der Einfuhr und eine Ver¬
minderung der Ausfuhr aufzuweisen, ohne daß diese Bewegung von der
gleichen Erscheinung begleitet gewesen wäre. In Frankreich zeigt nämlich der
Ausfuhrhandel in den ersten drei Monaten von 1874 folgende Ziffern:

Einfuhr Ausfuhr
1873 Fr. 776.576.000 971.982,000
1874 „ 926.129.000 856.000.000
148^553,000 — 115.982.000

Der Ausfuhrhandel Großbritanniens ergab in derselben Zeit:

Einfuhr Ausfuhr
1873 Pf. Se. 84.877,000 92.374,000
1874 „ 62.376.000 67.802.000
— 22.501.000 -t- 34.572 000

Gerade in dem Lande, nach welchem aus Deutschland am meisten Gold
exportirt wurde, hat also die stärkste Einfuhr stattgefunden, und zwar den
Edelmetall-Import dabei außer Rechnung gelassen, denn jene Ziffern setzen
sich folgendermaßen zusammen:

1873 1874
Nahrungsmittel Fr. 160.987.000 202.561,000
Rohstoffe ., 479.581.000 586.272.000
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Verschiedene Waaren „ 38.626.000 39.598.000
776,576.000 925,129.000

Die weiteren vier Monate des Jahres, dessen genaue Ziffern uns gera^
nicht zur Hand sind, haben ein ähnliches Resultat ergeben.

Zu allem Ueberflusse ist aber jene Vermuthung über die Verschlechterung
der deutschen Handelsbilanz gar nicht zutreffend, denn nach dem so eben ver'
öffentlichem Ausweise haben die Einnahmen an Zöllen im deutschen Reichs
vom 1. Januar bis 31. August d. I. 6.102,057 Thaler weniger betragt
als in der gleichen Periode des Jahres 1873.

Aus diesen Thatsachen allein geht zur Evidenz hervor daß die Handel
bilanz nicht die Ursache der enormen Goldausfuhr ist. Die wahre Ursa^
muß anderswo gesucht werden.

Um dieselbe sofort in voller Klarheit zu erkennen, muß man sich in de"
Prozeß des Umsatzes der Waaren und Dienstleistungen hineindenken.


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[0146] aber nicht als stichhaltig. Es muß dabei nämlich beachtet werden, daß die Einfuhr im Allgemeinen und in der Regel höher ist und höher gewerthet sein muß, als die Ausfuhr, weil zu der Ursprungsfactura noch mehr Fracht, Zins und Versicherungsprämie zu rechnen ist. als bei der ausgeführten Waare. Im speciellen Fall aber haben England und Frankreich in dem ersten Semester des laufenden Jahres ebenfalls eine Vermehrung der Einfuhr und eine Ver¬ minderung der Ausfuhr aufzuweisen, ohne daß diese Bewegung von der gleichen Erscheinung begleitet gewesen wäre. In Frankreich zeigt nämlich der Ausfuhrhandel in den ersten drei Monaten von 1874 folgende Ziffern: Einfuhr Ausfuhr 1873 Fr. 776.576.000 971.982,000 1874 „ 926.129.000 856.000.000 148^553,000 — 115.982.000 Der Ausfuhrhandel Großbritanniens ergab in derselben Zeit: Einfuhr Ausfuhr 1873 Pf. Se. 84.877,000 92.374,000 1874 „ 62.376.000 67.802.000 — 22.501.000 -t- 34.572 000 Gerade in dem Lande, nach welchem aus Deutschland am meisten Gold exportirt wurde, hat also die stärkste Einfuhr stattgefunden, und zwar den Edelmetall-Import dabei außer Rechnung gelassen, denn jene Ziffern setzen sich folgendermaßen zusammen: 1873 1874 Nahrungsmittel Fr. 160.987.000 202.561,000 Rohstoffe ., 479.581.000 586.272.000 Fabricate „ 97,383.000 96.698.000 Verschiedene Waaren „ 38.626.000 39.598.000 776,576.000 925,129.000 Die weiteren vier Monate des Jahres, dessen genaue Ziffern uns gera^ nicht zur Hand sind, haben ein ähnliches Resultat ergeben. Zu allem Ueberflusse ist aber jene Vermuthung über die Verschlechterung der deutschen Handelsbilanz gar nicht zutreffend, denn nach dem so eben ver' öffentlichem Ausweise haben die Einnahmen an Zöllen im deutschen Reichs vom 1. Januar bis 31. August d. I. 6.102,057 Thaler weniger betragt als in der gleichen Periode des Jahres 1873. Aus diesen Thatsachen allein geht zur Evidenz hervor daß die Handel bilanz nicht die Ursache der enormen Goldausfuhr ist. Die wahre Ursa^ muß anderswo gesucht werden. Um dieselbe sofort in voller Klarheit zu erkennen, muß man sich in de" Prozeß des Umsatzes der Waaren und Dienstleistungen hineindenken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/146>, abgerufen am 27.07.2024.