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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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zu nur 30,000 Mann verstärkten englischen Hilfsheere von Lissabon ausgerückt.
Im Begriff über Marschall Soult herzufallen, der ihn mit nur 18,000 M-
beobachtete, erfuhr Moore, daß Napoleon bereits selbst käme, um ihn den
Rückzugsweg zum Meere abzuschneiden. Augenblicklich begann er den Rück¬
zug nach Coruna, am Weihnachtsabend.*) Aber erst am 2. Januar 1809 ritt
Napoleon auf der Straße nach Astorga, als ihn ein Courier mit Depeschen
aus Paris einholte. Gespannt auf den Inhalt derselben, ließ er auf offenem
Felde ein Feuer anzünden und begann eine Lectüre, deren sehr ernster Cha¬
rakter der Umgebung sofort aus den veränderten Mienen des Kaisers offenbar,
wurde. Seine Minister meldeten ihm, daß an den feindseligen Absichten
Oestreichs nicht mehr zu zweifeln sei, daß auch die Freundschaft Rußlands
nicht mehr so unbedingt zuverlässig erscheine wie in Erfurt, daß der Kaiser
erwarten müßte im Frühling aufs neue einen deutschen Krieg zu haben, in
dem er schwerlich auf russische Hilfe rechnen dürfe. Sehr nachdenklich stieg er
wieder zu Pferde. In Astorga übertrug er Soult die weitere Verfolgung
der Engländer. Er konnte sich nicht noch weiter vom Mittelpunkte seines
Reiches entfernen, mußte sich der großen Straße nähern, um schneller mit
Paris correspondiren zu können, kehrte sich nach Valladolid, um dort zugleich
die spanischen Angelegenheiten definitiv zu ordnen und seine Befehle für neue
Rüstungen in Frankreich und Italien zu geben. Das rettete Moore vom
Verderben, indem es die Kraft der französischen Verfolgung lähmte. Es ge¬
lang ihm jetzt mit erstaunlicher Energie, sein von allen bösen Geistern heim¬
gesuchtes Heer so weit zusammenzuhalten, daß er den Franzosen zuerst bei
Pietros, dann bei Lugo, hier drei Tage lang, die Stirn bieten konnte. So
erreichte er mit einem für die Verhältnisse sehr geringen Verluste am
11. Januar die Höhen von Coruna. Da er frühzeitig Couriere aus Couriere
abgeschickt hatte mit der dringenden Bitte an den englischen Admiral, die
Transportflotte schleunigst vor Coruna zu sammeln, hoffte er jetzt das Ende
der unsäglichen Strapazen erreicht zu haben; aber der erste Blick, den er aus



Herzog von York auf der Expedition nach Holland und wurde schwer verwundet. Kaum gen^
sen, ging er nach Aegypten und ward bei Abukir abermals verwundet, was ihn jedoch nich
hinderte, an der Belagerung von Kairo theilzunehmen. Nach der Einnahme von Alexandri"
kehrte er nach England zurück und erhielt ein Commando im Innern. Im Mai 1808 wurde
er zum Anführer des 1<>,0"0 Mann starken Corps ernannt, das Schweden gegen die Russe''
und Dänen unterstützen sollte. Bei der Landung zu Gothenburg überwarf sich der launenhasi
König Gustav IV. Adolf mit ihm und ließ ihn, wenn auch nur für einige Augenblicke . sei^
nehmen, worauf er die Expedition zurückführte. Dann erhielt er den Oberbefehl in der
pedition nach Portugal und Spanien."
*) Ich folge nun bis zur Einschiffung der Engländer im Hafen von CoruSa in alle
wesentlichen Punkten der authentischen Darstellung'von Hermann Baumgarten in sei""
vortrefflichen Werke: "Geschichte Spaniens vom Ausbruch der französischen Revolution
auf unsere Tage" (3 Theile. Leipzig 1865 -- 1871), Th. I. T. 3ZZ.

zu nur 30,000 Mann verstärkten englischen Hilfsheere von Lissabon ausgerückt.
Im Begriff über Marschall Soult herzufallen, der ihn mit nur 18,000 M-
beobachtete, erfuhr Moore, daß Napoleon bereits selbst käme, um ihn den
Rückzugsweg zum Meere abzuschneiden. Augenblicklich begann er den Rück¬
zug nach Coruna, am Weihnachtsabend.*) Aber erst am 2. Januar 1809 ritt
Napoleon auf der Straße nach Astorga, als ihn ein Courier mit Depeschen
aus Paris einholte. Gespannt auf den Inhalt derselben, ließ er auf offenem
Felde ein Feuer anzünden und begann eine Lectüre, deren sehr ernster Cha¬
rakter der Umgebung sofort aus den veränderten Mienen des Kaisers offenbar,
wurde. Seine Minister meldeten ihm, daß an den feindseligen Absichten
Oestreichs nicht mehr zu zweifeln sei, daß auch die Freundschaft Rußlands
nicht mehr so unbedingt zuverlässig erscheine wie in Erfurt, daß der Kaiser
erwarten müßte im Frühling aufs neue einen deutschen Krieg zu haben, in
dem er schwerlich auf russische Hilfe rechnen dürfe. Sehr nachdenklich stieg er
wieder zu Pferde. In Astorga übertrug er Soult die weitere Verfolgung
der Engländer. Er konnte sich nicht noch weiter vom Mittelpunkte seines
Reiches entfernen, mußte sich der großen Straße nähern, um schneller mit
Paris correspondiren zu können, kehrte sich nach Valladolid, um dort zugleich
die spanischen Angelegenheiten definitiv zu ordnen und seine Befehle für neue
Rüstungen in Frankreich und Italien zu geben. Das rettete Moore vom
Verderben, indem es die Kraft der französischen Verfolgung lähmte. Es ge¬
lang ihm jetzt mit erstaunlicher Energie, sein von allen bösen Geistern heim¬
gesuchtes Heer so weit zusammenzuhalten, daß er den Franzosen zuerst bei
Pietros, dann bei Lugo, hier drei Tage lang, die Stirn bieten konnte. So
erreichte er mit einem für die Verhältnisse sehr geringen Verluste am
11. Januar die Höhen von Coruna. Da er frühzeitig Couriere aus Couriere
abgeschickt hatte mit der dringenden Bitte an den englischen Admiral, die
Transportflotte schleunigst vor Coruna zu sammeln, hoffte er jetzt das Ende
der unsäglichen Strapazen erreicht zu haben; aber der erste Blick, den er aus



Herzog von York auf der Expedition nach Holland und wurde schwer verwundet. Kaum gen^
sen, ging er nach Aegypten und ward bei Abukir abermals verwundet, was ihn jedoch nich
hinderte, an der Belagerung von Kairo theilzunehmen. Nach der Einnahme von Alexandri«
kehrte er nach England zurück und erhielt ein Commando im Innern. Im Mai 1808 wurde
er zum Anführer des 1<>,0»0 Mann starken Corps ernannt, das Schweden gegen die Russe''
und Dänen unterstützen sollte. Bei der Landung zu Gothenburg überwarf sich der launenhasi
König Gustav IV. Adolf mit ihm und ließ ihn, wenn auch nur für einige Augenblicke . sei^
nehmen, worauf er die Expedition zurückführte. Dann erhielt er den Oberbefehl in der
pedition nach Portugal und Spanien.«
*) Ich folge nun bis zur Einschiffung der Engländer im Hafen von CoruSa in alle
wesentlichen Punkten der authentischen Darstellung'von Hermann Baumgarten in sei«"
vortrefflichen Werke: „Geschichte Spaniens vom Ausbruch der französischen Revolution
auf unsere Tage" (3 Theile. Leipzig 1865 — 1871), Th. I. T. 3ZZ.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/136>, abgerufen am 27.07.2024.