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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Appetit auf einmal, als wärs ein Glas Wasser und doch mit unbeschreiblicher
Wollust verschlingen kann. Zum Herzog essen. Kamen auf unser alte mo¬
ralische Pferde und turnirten was rechts durch. Man klärt sich und andere
unendlich durch solche Gespräche auf. Zu <I. war wieder krank. Ist mein
einzig Leiden, Nach Hause. War sehr stürmisch Wetter.

April Is. War sehr ruhig und bestimmt, die letzten Tage wenig ein¬
gezogen. jJch trinke fast keinen Wein und gewinne täglich mehr in Blick
und Geschick zum thätigen Leben., Doch ist mirs wie einem Vogel, der sich
in Zwirn verwickelt hat, ich fühle, daß ich Flügel habe und sie sind nicht zu
brauchen. Es wird auch werden, indeß erhole ich mich in der Geschichte und
darbte in einem Drama oder Roman.*) Der Herzog wird täglich besser, nur
ist ein Uebel, daß ein Prinz, der etwas angreifen will, nie in die Verlegen¬
heit kommt, die Dinge im Alltagsgang von unten auf zu sehen. Er kommt
manchmal dazu, sucht wohl, was fehlt, aber wie ihm zu helfen? Ueber die
Mittel macht man sich klare Begriffe, wie man glaubt, und es sind doch nur
allgemeine.^) Liede Prometheisch! Waren in Leipzig. -Vergnügte Tage, der
Fürst von Dessau war da mit Erdmannsdorf. Ich gewann viel Terrain in
der Welt. In der stürmischen Nacht vom 25. auf 26. zurück.

April 30. las ich meinen Werther, seit er gedruckt ist, das erste Mal
ganz und wunderte mich.

May 14. Verzogen sich einige hypochondrische Gespenster. sEs offen¬
baren sich mir neue Geheimnisse. Es wird mit mir noch bunt, gehen. Ich
übe mich und bereite das Möglichste. In meinem jetzigen Kreise hab ich
wenige, fast keine Hinderung außer mir. In mir noch viele. Die mensch¬
lichen Gebrechen sind rechte Bandwürmer, man reißt wohl einmal ein Stück
los und der Stock bleibt immer sitzen. Ich will doch Herr werden. Niemand
als wer sich ganz verleugnet, ist werth zu herrschen und kann herrschen.
Ruckte wieder an der Kriegskommissions-Repositur, hab ich das doch in andert¬
halb Jahren nicht können zu Stande bringen! Es wird doch! Und ich
wills so sauber schaffen, als wenns die Tauben gelesen hätten. Freilich ist
es des Zeugs so viel von allen Seiten und der Gehülfen wenige.) ***) Briefe
von Batty! sdas ist mein fast einziger lieber Sohn) an dem ich Wohlgefallen
habe, so lang ich lebe, !) solls ihm weder fehlen an nassem noch trocknen.
!Jch'!"!') fühle nach und nach ein allgemeines Zutrauen und gebe Gott, daß
ichs verdienen möge, nicht wies leicht ist, sondern wie ichs wünsche. Was
ich trage an mir und andern sieht kein Mensch. Das beste ist die tiefe







*) Riemer II. 117., wo der Roman weggelassen.
") Dieser Passus unchronologisch bei Riemer 11, 12") ganz allgemein in den April gejetzt.
1) Riemer II. it".
Riemer II. 118 unter dem 13. Mai.
vel Riemer II, >19 unten aber in anderer Verbindung.

Appetit auf einmal, als wärs ein Glas Wasser und doch mit unbeschreiblicher
Wollust verschlingen kann. Zum Herzog essen. Kamen auf unser alte mo¬
ralische Pferde und turnirten was rechts durch. Man klärt sich und andere
unendlich durch solche Gespräche auf. Zu <I. war wieder krank. Ist mein
einzig Leiden, Nach Hause. War sehr stürmisch Wetter.

April Is. War sehr ruhig und bestimmt, die letzten Tage wenig ein¬
gezogen. jJch trinke fast keinen Wein und gewinne täglich mehr in Blick
und Geschick zum thätigen Leben., Doch ist mirs wie einem Vogel, der sich
in Zwirn verwickelt hat, ich fühle, daß ich Flügel habe und sie sind nicht zu
brauchen. Es wird auch werden, indeß erhole ich mich in der Geschichte und
darbte in einem Drama oder Roman.*) Der Herzog wird täglich besser, nur
ist ein Uebel, daß ein Prinz, der etwas angreifen will, nie in die Verlegen¬
heit kommt, die Dinge im Alltagsgang von unten auf zu sehen. Er kommt
manchmal dazu, sucht wohl, was fehlt, aber wie ihm zu helfen? Ueber die
Mittel macht man sich klare Begriffe, wie man glaubt, und es sind doch nur
allgemeine.^) Liede Prometheisch! Waren in Leipzig. -Vergnügte Tage, der
Fürst von Dessau war da mit Erdmannsdorf. Ich gewann viel Terrain in
der Welt. In der stürmischen Nacht vom 25. auf 26. zurück.

April 30. las ich meinen Werther, seit er gedruckt ist, das erste Mal
ganz und wunderte mich.

May 14. Verzogen sich einige hypochondrische Gespenster. sEs offen¬
baren sich mir neue Geheimnisse. Es wird mit mir noch bunt, gehen. Ich
übe mich und bereite das Möglichste. In meinem jetzigen Kreise hab ich
wenige, fast keine Hinderung außer mir. In mir noch viele. Die mensch¬
lichen Gebrechen sind rechte Bandwürmer, man reißt wohl einmal ein Stück
los und der Stock bleibt immer sitzen. Ich will doch Herr werden. Niemand
als wer sich ganz verleugnet, ist werth zu herrschen und kann herrschen.
Ruckte wieder an der Kriegskommissions-Repositur, hab ich das doch in andert¬
halb Jahren nicht können zu Stande bringen! Es wird doch! Und ich
wills so sauber schaffen, als wenns die Tauben gelesen hätten. Freilich ist
es des Zeugs so viel von allen Seiten und der Gehülfen wenige.) ***) Briefe
von Batty! sdas ist mein fast einziger lieber Sohn) an dem ich Wohlgefallen
habe, so lang ich lebe, !) solls ihm weder fehlen an nassem noch trocknen.
!Jch'!"!') fühle nach und nach ein allgemeines Zutrauen und gebe Gott, daß
ichs verdienen möge, nicht wies leicht ist, sondern wie ichs wünsche. Was
ich trage an mir und andern sieht kein Mensch. Das beste ist die tiefe







*) Riemer II. 117., wo der Roman weggelassen.
") Dieser Passus unchronologisch bei Riemer 11, 12«) ganz allgemein in den April gejetzt.
1) Riemer II. it».
Riemer II. 118 unter dem 13. Mai.
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[0129] Appetit auf einmal, als wärs ein Glas Wasser und doch mit unbeschreiblicher Wollust verschlingen kann. Zum Herzog essen. Kamen auf unser alte mo¬ ralische Pferde und turnirten was rechts durch. Man klärt sich und andere unendlich durch solche Gespräche auf. Zu <I. war wieder krank. Ist mein einzig Leiden, Nach Hause. War sehr stürmisch Wetter. April Is. War sehr ruhig und bestimmt, die letzten Tage wenig ein¬ gezogen. jJch trinke fast keinen Wein und gewinne täglich mehr in Blick und Geschick zum thätigen Leben., Doch ist mirs wie einem Vogel, der sich in Zwirn verwickelt hat, ich fühle, daß ich Flügel habe und sie sind nicht zu brauchen. Es wird auch werden, indeß erhole ich mich in der Geschichte und darbte in einem Drama oder Roman.*) Der Herzog wird täglich besser, nur ist ein Uebel, daß ein Prinz, der etwas angreifen will, nie in die Verlegen¬ heit kommt, die Dinge im Alltagsgang von unten auf zu sehen. Er kommt manchmal dazu, sucht wohl, was fehlt, aber wie ihm zu helfen? Ueber die Mittel macht man sich klare Begriffe, wie man glaubt, und es sind doch nur allgemeine.^) Liede Prometheisch! Waren in Leipzig. -Vergnügte Tage, der Fürst von Dessau war da mit Erdmannsdorf. Ich gewann viel Terrain in der Welt. In der stürmischen Nacht vom 25. auf 26. zurück. April 30. las ich meinen Werther, seit er gedruckt ist, das erste Mal ganz und wunderte mich. May 14. Verzogen sich einige hypochondrische Gespenster. sEs offen¬ baren sich mir neue Geheimnisse. Es wird mit mir noch bunt, gehen. Ich übe mich und bereite das Möglichste. In meinem jetzigen Kreise hab ich wenige, fast keine Hinderung außer mir. In mir noch viele. Die mensch¬ lichen Gebrechen sind rechte Bandwürmer, man reißt wohl einmal ein Stück los und der Stock bleibt immer sitzen. Ich will doch Herr werden. Niemand als wer sich ganz verleugnet, ist werth zu herrschen und kann herrschen. Ruckte wieder an der Kriegskommissions-Repositur, hab ich das doch in andert¬ halb Jahren nicht können zu Stande bringen! Es wird doch! Und ich wills so sauber schaffen, als wenns die Tauben gelesen hätten. Freilich ist es des Zeugs so viel von allen Seiten und der Gehülfen wenige.) ***) Briefe von Batty! sdas ist mein fast einziger lieber Sohn) an dem ich Wohlgefallen habe, so lang ich lebe, !) solls ihm weder fehlen an nassem noch trocknen. !Jch'!"!') fühle nach und nach ein allgemeines Zutrauen und gebe Gott, daß ichs verdienen möge, nicht wies leicht ist, sondern wie ichs wünsche. Was ich trage an mir und andern sieht kein Mensch. Das beste ist die tiefe *) Riemer II. 117., wo der Roman weggelassen. ") Dieser Passus unchronologisch bei Riemer 11, 12«) ganz allgemein in den April gejetzt. 1) Riemer II. it». Riemer II. 118 unter dem 13. Mai. vel Riemer II, >19 unten aber in anderer Verbindung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/129>, abgerufen am 29.12.2024.