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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Stille, in der ick gegen die Welt lebe und wachse und gewinne, was sie mir
mit Feuer und Schwert nicht nehmen können.^

Den 16.--2 2. folgenden Monats.*) In der Kalliste hatte ich die
schlechte Rolle mit großem Fleiß und viel Glück gespielt und habe allgemein
den Eindruck gemacht, den ich habe machen wollen. Voigtens mineralogische
Untersuchungen vergnügen mich, es wird ein artiges Ganze geben, s^**) Oeser
brachte die Decorations-Malerey auf einen bessern Fuß. Und ich fing an die
Vögel zu schreiben. Meine Tage waren von Morgens bis in die Nacht be¬
setzt. Man könnte noch mehr, ja das unglaubliche thun, wenn man mäßiger
wäre. Das geht nun nicht. Wenn nur jeder den Stein hube, der vor ihm
liegt. Doch sind wir hier sehr gut dran. Alles muß zuletzt auf einen Punkt,
aber eherne Geduld und steinern Aushalten. Wenns nur immer schön Wetter
wäre. Wenn die Menschen nur nicht so pover (sie) innerlich wären und die
Reichen so unbehülflich.

Den 26. Juni. Einiges früh besorgt nach Ettersburg, fand Klauern,
der Oesers Büste bussirte. Las ihm die Mitschuldigen vor. Waren munter.
Nach Tische diktirt ich der Göchhausen an den Vögeln sehr lebhaft und sprach
viel dazwischen über alte Kunst. Ward Feuerlärm, ritt nach Grosbrembach.
Kam mitten in die Flammen. Die Dürrung! Der Wind trieb grimmig.
War um die Kirche beschäftigt. Versengte mir die Augenlieder und fing das
Wasser mir in den Stiefeln an zu sieden. Hielten sich die Leute gut und
thaten das Schickliche. Nun war das Feuer umstellt. Der Herzog kam und
der Prinz. Das halbe Dorf brannte ganz hinunter mit dem Winde wie ich
ankam. Ging mit einem Husaren äußeren Weg untern Wind, kaum durchzu-
kommen. Nach Mitternacht mußt ich ruhen. Legte mich ins Wirthshaus
über dem Wasser. Ein Husar wachte. Früh dem Pfarrer Quartier geschafft
und herein nach Weimar. Geschlafen. Gelesen. Geschrieben. --

August 18. dix Vögel in Ettersburg gespielt. Zog die Herrschaft auf
Belvedere. War der Herzog nicht wohl.

Den 26. Früh***) im Garten auf und ab und nachgedacht, was in
diesem meinen zu Ende gehenden 31ten Jahre geschehen und nicht geschehen
sey. Was ich zu Stande gebracht. Worin ich zugenommen. Conzepte signirt.
Unterschrieben. Zu Hause gegessen.

Den 28. Früh im Stern spazierend überlegt, wo und an welchen Ecken
es mir fehlt. Was ich dies Jahr nicht gethan, nicht zu Stande gebracht.
Ueber gewisse Dinge mich so klar als möglich gemacht. Mittags zu O, artig
gegessen. Abends Gesellschaft im Garten, sehr vergnügt.





") Riemer II. 122.
-) d. h. 16. Mai --22. Juni.
Das hat Riemer II. 124 sehr unwahrscheinlich nur unter dem 28. August.

Stille, in der ick gegen die Welt lebe und wachse und gewinne, was sie mir
mit Feuer und Schwert nicht nehmen können.^

Den 16.—2 2. folgenden Monats.*) In der Kalliste hatte ich die
schlechte Rolle mit großem Fleiß und viel Glück gespielt und habe allgemein
den Eindruck gemacht, den ich habe machen wollen. Voigtens mineralogische
Untersuchungen vergnügen mich, es wird ein artiges Ganze geben, s^**) Oeser
brachte die Decorations-Malerey auf einen bessern Fuß. Und ich fing an die
Vögel zu schreiben. Meine Tage waren von Morgens bis in die Nacht be¬
setzt. Man könnte noch mehr, ja das unglaubliche thun, wenn man mäßiger
wäre. Das geht nun nicht. Wenn nur jeder den Stein hube, der vor ihm
liegt. Doch sind wir hier sehr gut dran. Alles muß zuletzt auf einen Punkt,
aber eherne Geduld und steinern Aushalten. Wenns nur immer schön Wetter
wäre. Wenn die Menschen nur nicht so pover (sie) innerlich wären und die
Reichen so unbehülflich.

Den 26. Juni. Einiges früh besorgt nach Ettersburg, fand Klauern,
der Oesers Büste bussirte. Las ihm die Mitschuldigen vor. Waren munter.
Nach Tische diktirt ich der Göchhausen an den Vögeln sehr lebhaft und sprach
viel dazwischen über alte Kunst. Ward Feuerlärm, ritt nach Grosbrembach.
Kam mitten in die Flammen. Die Dürrung! Der Wind trieb grimmig.
War um die Kirche beschäftigt. Versengte mir die Augenlieder und fing das
Wasser mir in den Stiefeln an zu sieden. Hielten sich die Leute gut und
thaten das Schickliche. Nun war das Feuer umstellt. Der Herzog kam und
der Prinz. Das halbe Dorf brannte ganz hinunter mit dem Winde wie ich
ankam. Ging mit einem Husaren äußeren Weg untern Wind, kaum durchzu-
kommen. Nach Mitternacht mußt ich ruhen. Legte mich ins Wirthshaus
über dem Wasser. Ein Husar wachte. Früh dem Pfarrer Quartier geschafft
und herein nach Weimar. Geschlafen. Gelesen. Geschrieben. —

August 18. dix Vögel in Ettersburg gespielt. Zog die Herrschaft auf
Belvedere. War der Herzog nicht wohl.

Den 26. Früh***) im Garten auf und ab und nachgedacht, was in
diesem meinen zu Ende gehenden 31ten Jahre geschehen und nicht geschehen
sey. Was ich zu Stande gebracht. Worin ich zugenommen. Conzepte signirt.
Unterschrieben. Zu Hause gegessen.

Den 28. Früh im Stern spazierend überlegt, wo und an welchen Ecken
es mir fehlt. Was ich dies Jahr nicht gethan, nicht zu Stande gebracht.
Ueber gewisse Dinge mich so klar als möglich gemacht. Mittags zu O, artig
gegessen. Abends Gesellschaft im Garten, sehr vergnügt.





") Riemer II. 122.
-) d. h. 16. Mai —22. Juni.
Das hat Riemer II. 124 sehr unwahrscheinlich nur unter dem 28. August.
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[0130] Stille, in der ick gegen die Welt lebe und wachse und gewinne, was sie mir mit Feuer und Schwert nicht nehmen können.^ Den 16.—2 2. folgenden Monats.*) In der Kalliste hatte ich die schlechte Rolle mit großem Fleiß und viel Glück gespielt und habe allgemein den Eindruck gemacht, den ich habe machen wollen. Voigtens mineralogische Untersuchungen vergnügen mich, es wird ein artiges Ganze geben, s^**) Oeser brachte die Decorations-Malerey auf einen bessern Fuß. Und ich fing an die Vögel zu schreiben. Meine Tage waren von Morgens bis in die Nacht be¬ setzt. Man könnte noch mehr, ja das unglaubliche thun, wenn man mäßiger wäre. Das geht nun nicht. Wenn nur jeder den Stein hube, der vor ihm liegt. Doch sind wir hier sehr gut dran. Alles muß zuletzt auf einen Punkt, aber eherne Geduld und steinern Aushalten. Wenns nur immer schön Wetter wäre. Wenn die Menschen nur nicht so pover (sie) innerlich wären und die Reichen so unbehülflich. Den 26. Juni. Einiges früh besorgt nach Ettersburg, fand Klauern, der Oesers Büste bussirte. Las ihm die Mitschuldigen vor. Waren munter. Nach Tische diktirt ich der Göchhausen an den Vögeln sehr lebhaft und sprach viel dazwischen über alte Kunst. Ward Feuerlärm, ritt nach Grosbrembach. Kam mitten in die Flammen. Die Dürrung! Der Wind trieb grimmig. War um die Kirche beschäftigt. Versengte mir die Augenlieder und fing das Wasser mir in den Stiefeln an zu sieden. Hielten sich die Leute gut und thaten das Schickliche. Nun war das Feuer umstellt. Der Herzog kam und der Prinz. Das halbe Dorf brannte ganz hinunter mit dem Winde wie ich ankam. Ging mit einem Husaren äußeren Weg untern Wind, kaum durchzu- kommen. Nach Mitternacht mußt ich ruhen. Legte mich ins Wirthshaus über dem Wasser. Ein Husar wachte. Früh dem Pfarrer Quartier geschafft und herein nach Weimar. Geschlafen. Gelesen. Geschrieben. — August 18. dix Vögel in Ettersburg gespielt. Zog die Herrschaft auf Belvedere. War der Herzog nicht wohl. Den 26. Früh***) im Garten auf und ab und nachgedacht, was in diesem meinen zu Ende gehenden 31ten Jahre geschehen und nicht geschehen sey. Was ich zu Stande gebracht. Worin ich zugenommen. Conzepte signirt. Unterschrieben. Zu Hause gegessen. Den 28. Früh im Stern spazierend überlegt, wo und an welchen Ecken es mir fehlt. Was ich dies Jahr nicht gethan, nicht zu Stande gebracht. Ueber gewisse Dinge mich so klar als möglich gemacht. Mittags zu O, artig gegessen. Abends Gesellschaft im Garten, sehr vergnügt. ") Riemer II. 122. -) d. h. 16. Mai —22. Juni. Das hat Riemer II. 124 sehr unwahrscheinlich nur unter dem 28. August.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/130>, abgerufen am 29.12.2024.