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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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^u Jahr nach seinem Tode davon erfahren, und wenn er in dieser Zeit
^rde, soll das ganze Vermögen an Prue fallen. Der neue Geistliche nennt
s^) James Dillin gham -- er ist in Wahrheit niemand Anders als Georg
Kevirs, der John Dent ausgeraubt und seinen zweiten Compagnon, den
lungen Twombley in einem Bankierhaus in Chicago placirt hat, um in
Nivermouth ganz ungestört seinem Plan nachgehen zu können: Prue zu
heirathen; denn Mr. Ralph Dent ist ihm sehr gewogen , und Dillingham-
Kevins kennt das Testament des alten Pastors und er versucht daher
^ohn Dent durch einen Helfershelfer, der ihm schon früher die besten Dienste
geleistet, und dem jungen Mann fortwährend als Spion folgt, aus dem Wege
räumen, um dadurch Prue, auf deren Hand er hofft, die Erbschaft zuzu¬
wenden. Von all diesen Plänen und Dingen erlangen wir bei Aldrich
^atüriich erst am Ende der Erzählung Kenntniß; aber der wahre Genuß der
^eure wird nicht verringert, sondern erhöht, wenn wir es schon im Voraus
""sser. Denn Aldrich gehört keineswegs zu jenem schriftstellerischen Mittel¬
gut, dessen Producte man kaum ein zweites Mal lesen möchte, nachdem man
glücklich weiß, "wie es abläuft." Im Gegentheil: die vollen Feinheiten der
^harakterzeichnung und des Humors, die Aldrich bietet, werden von uns erst
empfunden werden. wenn wir vom Interesse und der Spannung
Handlung nicht mehr, gefesselt werden, also bei einer mehrmaligen Lectüre.

Sehen wir nun zu, wie dieser ehrwürdige Mr. James Dillingham zu-
"esse bei seiner Gemeinde sich einführt. "Rivermouth ist eine Stadt", sagt
.. ich. "NW beinahe buchstäblich nichts passirt. Bisweilen heirathet jemand,
dex^^" ierrm"d -- mit überraschender Plötzlichkeit, wie zum Exempel
alte Pastor, und bisweilen weht der Wind ein Schiff an die Felsen vor
^ Mündung der Rhede. Aber von jenen lebensvollen Tragödien und Ko¬
pien, aus welchen sich in großen Städten das Leben zusammensetzt, wußte
vernwuth nahezu gar nichts. Seit in den Tagen vor der Revolution eine
^ Wei Hexen gehenkt wurden, ist das Amt eines Sheriffs dort thatsächlich
"e Äinecure gewesen. Das Polizeigericht, wo der einzige Gewohnheitssäufer
Modisch nach dem Stadtgute geschickt wird, sieht fast wie ein Zweig der
^"nntagsschule aus. Man kann sagen, die Gemeinde habe dreißig Jahre
des Ariern ^"^gM Ehescheidungsfalle gelebt, der sich aus dem Davonlaufen
^ ?^°jors Tone Deering mit Frau Honoria Maddox entwickelte -- noch
Z^^n^ Tages eine gefährliche Geschichte, welche Matronen mit scharfer
dies"^ Jungfrauen "^t niedergeschlagenen Augen erzählen." Eine Kleinstadt
Und ^ ^ ^ Details für die allgemeine Bereitwilligkeit zur Neugierde
^ Klatschsucht auf Kosten der Nachbarn werden von dem Dichter hier und
und'""^"" Stellen der Novelle in der liebevollsten Weise gehäuft -- war
^'es für das seltene Ereigniß der Probepredigt eines neuen Pfarrers


^u Jahr nach seinem Tode davon erfahren, und wenn er in dieser Zeit
^rde, soll das ganze Vermögen an Prue fallen. Der neue Geistliche nennt
s^) James Dillin gham — er ist in Wahrheit niemand Anders als Georg
Kevirs, der John Dent ausgeraubt und seinen zweiten Compagnon, den
lungen Twombley in einem Bankierhaus in Chicago placirt hat, um in
Nivermouth ganz ungestört seinem Plan nachgehen zu können: Prue zu
heirathen; denn Mr. Ralph Dent ist ihm sehr gewogen , und Dillingham-
Kevins kennt das Testament des alten Pastors und er versucht daher
^ohn Dent durch einen Helfershelfer, der ihm schon früher die besten Dienste
geleistet, und dem jungen Mann fortwährend als Spion folgt, aus dem Wege
räumen, um dadurch Prue, auf deren Hand er hofft, die Erbschaft zuzu¬
wenden. Von all diesen Plänen und Dingen erlangen wir bei Aldrich
^atüriich erst am Ende der Erzählung Kenntniß; aber der wahre Genuß der
^eure wird nicht verringert, sondern erhöht, wenn wir es schon im Voraus
""sser. Denn Aldrich gehört keineswegs zu jenem schriftstellerischen Mittel¬
gut, dessen Producte man kaum ein zweites Mal lesen möchte, nachdem man
glücklich weiß, „wie es abläuft." Im Gegentheil: die vollen Feinheiten der
^harakterzeichnung und des Humors, die Aldrich bietet, werden von uns erst
empfunden werden. wenn wir vom Interesse und der Spannung
Handlung nicht mehr, gefesselt werden, also bei einer mehrmaligen Lectüre.

Sehen wir nun zu, wie dieser ehrwürdige Mr. James Dillingham zu-
"esse bei seiner Gemeinde sich einführt. „Rivermouth ist eine Stadt", sagt
.. ich. „NW beinahe buchstäblich nichts passirt. Bisweilen heirathet jemand,
dex^^" ierrm"d — mit überraschender Plötzlichkeit, wie zum Exempel
alte Pastor, und bisweilen weht der Wind ein Schiff an die Felsen vor
^ Mündung der Rhede. Aber von jenen lebensvollen Tragödien und Ko¬
pien, aus welchen sich in großen Städten das Leben zusammensetzt, wußte
vernwuth nahezu gar nichts. Seit in den Tagen vor der Revolution eine
^ Wei Hexen gehenkt wurden, ist das Amt eines Sheriffs dort thatsächlich
"e Äinecure gewesen. Das Polizeigericht, wo der einzige Gewohnheitssäufer
Modisch nach dem Stadtgute geschickt wird, sieht fast wie ein Zweig der
^"nntagsschule aus. Man kann sagen, die Gemeinde habe dreißig Jahre
des Ariern ^"^gM Ehescheidungsfalle gelebt, der sich aus dem Davonlaufen
^ ?^°jors Tone Deering mit Frau Honoria Maddox entwickelte — noch
Z^^n^ Tages eine gefährliche Geschichte, welche Matronen mit scharfer
dies"^ Jungfrauen "^t niedergeschlagenen Augen erzählen." Eine Kleinstadt
Und ^ ^ ^ Details für die allgemeine Bereitwilligkeit zur Neugierde
^ Klatschsucht auf Kosten der Nachbarn werden von dem Dichter hier und
und'""^"" Stellen der Novelle in der liebevollsten Weise gehäuft — war
^'es für das seltene Ereigniß der Probepredigt eines neuen Pfarrers


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/105>, abgerufen am 27.07.2024.