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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Gedanken ist, wie gesagt, den Jachpolitikern drüben zu überlassen. Hier soll
der Leser nur ein Bild des Humoristen nicht des Staatsphilosophen Aldrich
gewinnen. Und am besten wird dieses Bild, nach diesen einführenden Worten,
wohl durch ihn selbst gegeben, indem wir der bedeutendsten seiner hier ge¬
sammelten Erzählungen, "Prudence Palfrey", folgen.

Der Gang der Erzählung ist kurz der folgende: Der reiche ehemalige
Brauer, jetzt Rentier, Ralph Dent in Willowbrook, bei Rivermouth, ist der
Vormund der Waise seiner ehemaligen Flamme Mary Gardner, Prudence
Palfrey, geworden und hält das Mädchen wie sein eigen Kind in seinem
Hause. Sein Neffe John Dent verliebt sich in die Mündel seines Onkels,
wie er als Student die Ferien im Hause des Onkels zubringt. Johns Vater
ist todt, Vermögen hat er nicht, eine Lebensstellung ebensowenig. Als der
Onkel rauh und entschieden die Erklärung des Neffen von der Hand weist --
die Gefühle des Onkels für die Tochter seiner alten Liebe waren damals
etwas zärtlicher, als diejenigen eines Vormundes absolut sein müssen -- und
John das Haus verbietet, wartet der junge Mann nur noch solange im
Pfarrgarten des ehrwürdigen Pastors Wibird Hawkins -- eines Freundes
seines verstorbenen Vaters -- bis er "Prue" noch einmal gesehen und ihr
Treue bis in den Tod gelobt hat, dann geht er von dannen in die weite
Welt d. h. natürlich in die Minen, um sein Glück zu machen. Für Prue
ist die schlechte Behandlung John's durch ihren Vormund natürlich das
Signal, diesem offen ihre Liebe zu John zu erklären, an der sie bis dahin selbst
zweifelte. Der Onkel nimmt diese Erklärung, nach einem längeren Schmollen,
gütig auf, und der Neffe würde unzweifelhaft zurückgerufen werden, wenn
man müßte, wo er wäre. Das erfährt man indessen erst nach einem Jahr.
John Dent hatte inzwischen zusammen mit dem Sohn des Diakonen
Twombley von Rivermouth und einem erfahrenen Goldsucher Georg Nevins,
der sich ihnen angeschlossen, gemeinsam ein Vermögen in Gold und Silber
gewonnen, und dachte bereits an die Heimkehr, als eines Morgens Georg
Nevins mit dem gesammten Vermögen seiner Associes verschwunden ist.
John Dent thut nun das Aeußerste, was ihm zu thun übrig bleibt, er
nimmt Dienste im Kriegsheer der Union und wir wissen für Jahre nicht, ob
er todt ist oder lebt. Prue bringt indessen ihre traurigen Tage am liebsten
bei Pastor Hawkins zu, bis dieser überalte Mann durch den Einfluß ihres
Onkels von den Diakonen der Gemeinde entlassen wird, und infolge dieser
Entlassung - sofort an einem Schlagfluß stirbt. Das bisher Erzählte ist
als Episode später eingeflochten, die Entlassung des Pastors bildet das erste
Kapitel der Erzählung und der vor unserm Auge in der Gegenwart sich ab¬
spielenden Thatsachen. Der Pastor hat John Dent zum Universalerben
seines bedeutenden Vermögens eingesetzt. Doch soll ver junge Mann erst


Gedanken ist, wie gesagt, den Jachpolitikern drüben zu überlassen. Hier soll
der Leser nur ein Bild des Humoristen nicht des Staatsphilosophen Aldrich
gewinnen. Und am besten wird dieses Bild, nach diesen einführenden Worten,
wohl durch ihn selbst gegeben, indem wir der bedeutendsten seiner hier ge¬
sammelten Erzählungen, „Prudence Palfrey", folgen.

Der Gang der Erzählung ist kurz der folgende: Der reiche ehemalige
Brauer, jetzt Rentier, Ralph Dent in Willowbrook, bei Rivermouth, ist der
Vormund der Waise seiner ehemaligen Flamme Mary Gardner, Prudence
Palfrey, geworden und hält das Mädchen wie sein eigen Kind in seinem
Hause. Sein Neffe John Dent verliebt sich in die Mündel seines Onkels,
wie er als Student die Ferien im Hause des Onkels zubringt. Johns Vater
ist todt, Vermögen hat er nicht, eine Lebensstellung ebensowenig. Als der
Onkel rauh und entschieden die Erklärung des Neffen von der Hand weist —
die Gefühle des Onkels für die Tochter seiner alten Liebe waren damals
etwas zärtlicher, als diejenigen eines Vormundes absolut sein müssen — und
John das Haus verbietet, wartet der junge Mann nur noch solange im
Pfarrgarten des ehrwürdigen Pastors Wibird Hawkins — eines Freundes
seines verstorbenen Vaters — bis er „Prue" noch einmal gesehen und ihr
Treue bis in den Tod gelobt hat, dann geht er von dannen in die weite
Welt d. h. natürlich in die Minen, um sein Glück zu machen. Für Prue
ist die schlechte Behandlung John's durch ihren Vormund natürlich das
Signal, diesem offen ihre Liebe zu John zu erklären, an der sie bis dahin selbst
zweifelte. Der Onkel nimmt diese Erklärung, nach einem längeren Schmollen,
gütig auf, und der Neffe würde unzweifelhaft zurückgerufen werden, wenn
man müßte, wo er wäre. Das erfährt man indessen erst nach einem Jahr.
John Dent hatte inzwischen zusammen mit dem Sohn des Diakonen
Twombley von Rivermouth und einem erfahrenen Goldsucher Georg Nevins,
der sich ihnen angeschlossen, gemeinsam ein Vermögen in Gold und Silber
gewonnen, und dachte bereits an die Heimkehr, als eines Morgens Georg
Nevins mit dem gesammten Vermögen seiner Associes verschwunden ist.
John Dent thut nun das Aeußerste, was ihm zu thun übrig bleibt, er
nimmt Dienste im Kriegsheer der Union und wir wissen für Jahre nicht, ob
er todt ist oder lebt. Prue bringt indessen ihre traurigen Tage am liebsten
bei Pastor Hawkins zu, bis dieser überalte Mann durch den Einfluß ihres
Onkels von den Diakonen der Gemeinde entlassen wird, und infolge dieser
Entlassung - sofort an einem Schlagfluß stirbt. Das bisher Erzählte ist
als Episode später eingeflochten, die Entlassung des Pastors bildet das erste
Kapitel der Erzählung und der vor unserm Auge in der Gegenwart sich ab¬
spielenden Thatsachen. Der Pastor hat John Dent zum Universalerben
seines bedeutenden Vermögens eingesetzt. Doch soll ver junge Mann erst


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[0104] Gedanken ist, wie gesagt, den Jachpolitikern drüben zu überlassen. Hier soll der Leser nur ein Bild des Humoristen nicht des Staatsphilosophen Aldrich gewinnen. Und am besten wird dieses Bild, nach diesen einführenden Worten, wohl durch ihn selbst gegeben, indem wir der bedeutendsten seiner hier ge¬ sammelten Erzählungen, „Prudence Palfrey", folgen. Der Gang der Erzählung ist kurz der folgende: Der reiche ehemalige Brauer, jetzt Rentier, Ralph Dent in Willowbrook, bei Rivermouth, ist der Vormund der Waise seiner ehemaligen Flamme Mary Gardner, Prudence Palfrey, geworden und hält das Mädchen wie sein eigen Kind in seinem Hause. Sein Neffe John Dent verliebt sich in die Mündel seines Onkels, wie er als Student die Ferien im Hause des Onkels zubringt. Johns Vater ist todt, Vermögen hat er nicht, eine Lebensstellung ebensowenig. Als der Onkel rauh und entschieden die Erklärung des Neffen von der Hand weist — die Gefühle des Onkels für die Tochter seiner alten Liebe waren damals etwas zärtlicher, als diejenigen eines Vormundes absolut sein müssen — und John das Haus verbietet, wartet der junge Mann nur noch solange im Pfarrgarten des ehrwürdigen Pastors Wibird Hawkins — eines Freundes seines verstorbenen Vaters — bis er „Prue" noch einmal gesehen und ihr Treue bis in den Tod gelobt hat, dann geht er von dannen in die weite Welt d. h. natürlich in die Minen, um sein Glück zu machen. Für Prue ist die schlechte Behandlung John's durch ihren Vormund natürlich das Signal, diesem offen ihre Liebe zu John zu erklären, an der sie bis dahin selbst zweifelte. Der Onkel nimmt diese Erklärung, nach einem längeren Schmollen, gütig auf, und der Neffe würde unzweifelhaft zurückgerufen werden, wenn man müßte, wo er wäre. Das erfährt man indessen erst nach einem Jahr. John Dent hatte inzwischen zusammen mit dem Sohn des Diakonen Twombley von Rivermouth und einem erfahrenen Goldsucher Georg Nevins, der sich ihnen angeschlossen, gemeinsam ein Vermögen in Gold und Silber gewonnen, und dachte bereits an die Heimkehr, als eines Morgens Georg Nevins mit dem gesammten Vermögen seiner Associes verschwunden ist. John Dent thut nun das Aeußerste, was ihm zu thun übrig bleibt, er nimmt Dienste im Kriegsheer der Union und wir wissen für Jahre nicht, ob er todt ist oder lebt. Prue bringt indessen ihre traurigen Tage am liebsten bei Pastor Hawkins zu, bis dieser überalte Mann durch den Einfluß ihres Onkels von den Diakonen der Gemeinde entlassen wird, und infolge dieser Entlassung - sofort an einem Schlagfluß stirbt. Das bisher Erzählte ist als Episode später eingeflochten, die Entlassung des Pastors bildet das erste Kapitel der Erzählung und der vor unserm Auge in der Gegenwart sich ab¬ spielenden Thatsachen. Der Pastor hat John Dent zum Universalerben seines bedeutenden Vermögens eingesetzt. Doch soll ver junge Mann erst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/104>, abgerufen am 29.12.2024.