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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Herrn Geiger's ist daher als ein sehr werthvoller Beitrag zur Kenntniß Pe¬
trarca's und als eine würdige Gabe zur Jubelfeier desselben zu begrüßen.
Sie giebt in einfacher allgemeinverständlicher, aber edler Darstellung ein ebenso
treues, wie lebensvolles Bild des Dichters, den Italien, das seine großen
Todten zu ehren weiß, wie vielleicht kein anderes Volk die seinigen, als seinen
ersten Lyriker feiert und dessen Gesammtthätigkeit in ihrer mächtigen Bedeu¬
tung für die Culturgeschichte vielleicht kein Volk in gleichem Maße, wie das
deutsche zu würdigen versteht. Es war nicht der Zweck des Verfassers, eine
zusammenhängende Biographie des Dichters zu geben; es kam ihm nur da¬
rauf an, die drei Richtungen, in denen seine Thätigkeit sich entfaltete, zu
schildern, ihn darzustellen: als Humanisten, d. h. als Schöpfer einer neuen,
aus der Wiederbelebung des classischen Alterthums gewonnenen Bildung, als
Patriot, und als Liebender, d. h. als Dichter; denn die Liebe ist die Muse
seines melodischen Gesanges in seiner weichen, wohllautreichen Muttersprache,
die er selbst doch nur gering achtete im Vergleich zu seinem geliebten Latein,
wie er denn auch auf seine lateinischen Dichtungen seine Ansprüche auf den
Dichterlorbeer begründete. Die Nachwelt hat anders geurtheilt; sein "Africa"
ist längst vergessen; seine zahlreichen lateinischen Briefe, die Hauptquelle für
die Kenntniß seines Lebens und seiner mannigfaltigen Bestrebungen sind
weniger bekannt, als sie es verdienen; seine Liebesgesange aber, in denen er
seiner Leidenschaft für die Geliebte den weichsten und zartesten Ausdruck giebt,
werden stets eine der ersten Stellen 'in der erotischen Poesie aller Völker und
aller Zeiten behaupten.

Wir haben schon darauf hingewiesen, daß Petrarca sich im schärfsten,
bewußten Gegensatz zu der todten Gelehrsamkeit und dem unfruchtbaren
Wissenskram seiner Zeit befand. Dem juristischen Studium widmete er sich
nur aus Gehorsam gegen den Willen seines Vaters. Aber in Montpellier
wie in Bologna, nahmen ihn seine Römer, besonders Cicero, den er nebst
Virgil vor Allen hoch hielt, bei weitem mehr als die langweiligen Vorträge
der berühmtesten Rechtsgelehrten in Anspruch, die "von der göttlichen Rede¬
kunst zum bloßen Vollstopfen mit Wissen. von wahrer Gelehrsamkeit zur Ge-
schwätzigkeit und Unwissenheit herabgesunken" waren; wie er denn auch nach
des Vaters frühem Tode der Juristerei den Abschied gab (nur einmal ist er
als Advocat aufgetreten), aber nicht um eine andere Facultät zu wählen,
sondern um sich g^z dem Studium seiner geliebten Alten, oder bestimmter
gesagt der alten Römer, hinzugeben: denn das griechische Alterthum blieb
ihm ziemlich fremd; Homer, den er in einer Uebersetzung kennen lernte, be¬
wunderte er zwar, aber ein nahes Verhältniß gewann er nur zu den Römern,
als deren Landsmann er sich fühlte. Sein begeisterter Bildungstrieb ist mit
seinem italienischen oder besser gesagt mit seinem römischen Patriotismus so


Herrn Geiger's ist daher als ein sehr werthvoller Beitrag zur Kenntniß Pe¬
trarca's und als eine würdige Gabe zur Jubelfeier desselben zu begrüßen.
Sie giebt in einfacher allgemeinverständlicher, aber edler Darstellung ein ebenso
treues, wie lebensvolles Bild des Dichters, den Italien, das seine großen
Todten zu ehren weiß, wie vielleicht kein anderes Volk die seinigen, als seinen
ersten Lyriker feiert und dessen Gesammtthätigkeit in ihrer mächtigen Bedeu¬
tung für die Culturgeschichte vielleicht kein Volk in gleichem Maße, wie das
deutsche zu würdigen versteht. Es war nicht der Zweck des Verfassers, eine
zusammenhängende Biographie des Dichters zu geben; es kam ihm nur da¬
rauf an, die drei Richtungen, in denen seine Thätigkeit sich entfaltete, zu
schildern, ihn darzustellen: als Humanisten, d. h. als Schöpfer einer neuen,
aus der Wiederbelebung des classischen Alterthums gewonnenen Bildung, als
Patriot, und als Liebender, d. h. als Dichter; denn die Liebe ist die Muse
seines melodischen Gesanges in seiner weichen, wohllautreichen Muttersprache,
die er selbst doch nur gering achtete im Vergleich zu seinem geliebten Latein,
wie er denn auch auf seine lateinischen Dichtungen seine Ansprüche auf den
Dichterlorbeer begründete. Die Nachwelt hat anders geurtheilt; sein „Africa"
ist längst vergessen; seine zahlreichen lateinischen Briefe, die Hauptquelle für
die Kenntniß seines Lebens und seiner mannigfaltigen Bestrebungen sind
weniger bekannt, als sie es verdienen; seine Liebesgesange aber, in denen er
seiner Leidenschaft für die Geliebte den weichsten und zartesten Ausdruck giebt,
werden stets eine der ersten Stellen 'in der erotischen Poesie aller Völker und
aller Zeiten behaupten.

Wir haben schon darauf hingewiesen, daß Petrarca sich im schärfsten,
bewußten Gegensatz zu der todten Gelehrsamkeit und dem unfruchtbaren
Wissenskram seiner Zeit befand. Dem juristischen Studium widmete er sich
nur aus Gehorsam gegen den Willen seines Vaters. Aber in Montpellier
wie in Bologna, nahmen ihn seine Römer, besonders Cicero, den er nebst
Virgil vor Allen hoch hielt, bei weitem mehr als die langweiligen Vorträge
der berühmtesten Rechtsgelehrten in Anspruch, die „von der göttlichen Rede¬
kunst zum bloßen Vollstopfen mit Wissen. von wahrer Gelehrsamkeit zur Ge-
schwätzigkeit und Unwissenheit herabgesunken" waren; wie er denn auch nach
des Vaters frühem Tode der Juristerei den Abschied gab (nur einmal ist er
als Advocat aufgetreten), aber nicht um eine andere Facultät zu wählen,
sondern um sich g^z dem Studium seiner geliebten Alten, oder bestimmter
gesagt der alten Römer, hinzugeben: denn das griechische Alterthum blieb
ihm ziemlich fremd; Homer, den er in einer Uebersetzung kennen lernte, be¬
wunderte er zwar, aber ein nahes Verhältniß gewann er nur zu den Römern,
als deren Landsmann er sich fühlte. Sein begeisterter Bildungstrieb ist mit
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/93>, abgerufen am 22.07.2024.