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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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polnische Bevölkerung .... muß für sich allein ohne geistliche Leitung im
Glauben Stärkung suchen.

Es ist dies eine wahrhafte Mission, welche gewiß in Kurzem in unseren
von den Deutschen uns entrissenen Landestheilen verkündet werden wird.

Was die polnische Sprache anbelangt, so verfährt das Berliner Mini¬
sterium, d. h. Herr Falk, (hier folgt eine Schmähung) vollständig diktatorisch.
Die Königlichen Verordnungen, die Landtagsbeschlüsse beseitigt er durch einen
einfachen Befehl. Nichts bedeuten bei ihm pädagogische Rücksichten, nichts
der Umstand, daß die polnischen Kinder die deutsche Sprache nicht verstehn.
Derselbe hat den Unterricht in der polnischen Sprache aus den Elementar¬
schulen und neuerdings durch Verordnung vom 23. Mai d. I, auch aus den
untern Klassen der katholischen Gymnasien ausgeschlossen. Er ahmt in Allem
die Anordnungen Murawiew's des .. . . nach und verfolgt mit gleichem . . ..
die Sprache unserer Väter und die katholische Religion in allen geweihten
Stätten, welche dem Einfluß der Regierung unterliegen, -- und sogar weiter,
denn selbst im Hause ist es nicht gestattet, den Kindern den polnischen
Katechismus und die polnische Sprache zu lehren. -- Während jedoch
Murawiew nach einem Aufstande, zur Zeit eines Belagerungszustandes, bei
suspendirten Gesetzen und in einem autokratisch regierten Lande so verfuhr,
verfährt der Minister Falk wie ein .... in einem Reiche, welches sich
rühmt die Gesetze zu hüten, -- verfolgt er in einem konstitutionell regierten
Lande ohne Grund eine Bevölkerung, welche alle, auch ihr verhaßte Staats¬
pflichten erfüllt hat. Wir bekennen daher auch laut, daß das.... Verfahren
Rußlands uns weniger.... vorkommt, als das Verfahren der deutschen Ne¬
gierung, und daß die letztere Angesichts der Geschichte eine größere Verant¬
wortlichkeit sich zuzieht, als das erstere.

Aber es ist nicht unsere Sache, als Orakel für die Geschichte aufzutreten.
Wir haben das Verfahren Deutschlands gegen uns in den annectirten Landes¬
theilen als grellsten Beweis der Erniedrigung und des Verfalls der Mensch¬
heit, -- als das Symptom einer moralischen Erstickung hervorgehoben, an
welcher namentlich die Deutschen leiden und welche entweder den Tod oder
einen neuen Zustand zur Folge haben muß.

Jedenfalls dürfen unsere Landsleute, welche in den von Preußen annec¬
tirten Landestheilen für unsre Sache thätig sind, sich nicht durch den herr¬
schenden Druck und die Ausbreitung der Deutschen abschrecken lassen. Jemehr
wir durch die von Bismarck und Falk gegen unsern Glauben und die pol¬
nische Nationalität verübten Gewaltthaten zu leiden haben, desto reger müssen
wir uns aneinanderschließen und desto energischer uns vertheidigen, -- in
Allem uns selbst genügen und den Glauben an einen bessern Stern be¬
wahren, -- als Streiter uns um jeden von den Germanen bedrohten Punkt


polnische Bevölkerung .... muß für sich allein ohne geistliche Leitung im
Glauben Stärkung suchen.

Es ist dies eine wahrhafte Mission, welche gewiß in Kurzem in unseren
von den Deutschen uns entrissenen Landestheilen verkündet werden wird.

Was die polnische Sprache anbelangt, so verfährt das Berliner Mini¬
sterium, d. h. Herr Falk, (hier folgt eine Schmähung) vollständig diktatorisch.
Die Königlichen Verordnungen, die Landtagsbeschlüsse beseitigt er durch einen
einfachen Befehl. Nichts bedeuten bei ihm pädagogische Rücksichten, nichts
der Umstand, daß die polnischen Kinder die deutsche Sprache nicht verstehn.
Derselbe hat den Unterricht in der polnischen Sprache aus den Elementar¬
schulen und neuerdings durch Verordnung vom 23. Mai d. I, auch aus den
untern Klassen der katholischen Gymnasien ausgeschlossen. Er ahmt in Allem
die Anordnungen Murawiew's des .. . . nach und verfolgt mit gleichem . . ..
die Sprache unserer Väter und die katholische Religion in allen geweihten
Stätten, welche dem Einfluß der Regierung unterliegen, — und sogar weiter,
denn selbst im Hause ist es nicht gestattet, den Kindern den polnischen
Katechismus und die polnische Sprache zu lehren. — Während jedoch
Murawiew nach einem Aufstande, zur Zeit eines Belagerungszustandes, bei
suspendirten Gesetzen und in einem autokratisch regierten Lande so verfuhr,
verfährt der Minister Falk wie ein .... in einem Reiche, welches sich
rühmt die Gesetze zu hüten, — verfolgt er in einem konstitutionell regierten
Lande ohne Grund eine Bevölkerung, welche alle, auch ihr verhaßte Staats¬
pflichten erfüllt hat. Wir bekennen daher auch laut, daß das.... Verfahren
Rußlands uns weniger.... vorkommt, als das Verfahren der deutschen Ne¬
gierung, und daß die letztere Angesichts der Geschichte eine größere Verant¬
wortlichkeit sich zuzieht, als das erstere.

Aber es ist nicht unsere Sache, als Orakel für die Geschichte aufzutreten.
Wir haben das Verfahren Deutschlands gegen uns in den annectirten Landes¬
theilen als grellsten Beweis der Erniedrigung und des Verfalls der Mensch¬
heit, — als das Symptom einer moralischen Erstickung hervorgehoben, an
welcher namentlich die Deutschen leiden und welche entweder den Tod oder
einen neuen Zustand zur Folge haben muß.

Jedenfalls dürfen unsere Landsleute, welche in den von Preußen annec¬
tirten Landestheilen für unsre Sache thätig sind, sich nicht durch den herr¬
schenden Druck und die Ausbreitung der Deutschen abschrecken lassen. Jemehr
wir durch die von Bismarck und Falk gegen unsern Glauben und die pol¬
nische Nationalität verübten Gewaltthaten zu leiden haben, desto reger müssen
wir uns aneinanderschließen und desto energischer uns vertheidigen, — in
Allem uns selbst genügen und den Glauben an einen bessern Stern be¬
wahren, — als Streiter uns um jeden von den Germanen bedrohten Punkt


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[0079] polnische Bevölkerung .... muß für sich allein ohne geistliche Leitung im Glauben Stärkung suchen. Es ist dies eine wahrhafte Mission, welche gewiß in Kurzem in unseren von den Deutschen uns entrissenen Landestheilen verkündet werden wird. Was die polnische Sprache anbelangt, so verfährt das Berliner Mini¬ sterium, d. h. Herr Falk, (hier folgt eine Schmähung) vollständig diktatorisch. Die Königlichen Verordnungen, die Landtagsbeschlüsse beseitigt er durch einen einfachen Befehl. Nichts bedeuten bei ihm pädagogische Rücksichten, nichts der Umstand, daß die polnischen Kinder die deutsche Sprache nicht verstehn. Derselbe hat den Unterricht in der polnischen Sprache aus den Elementar¬ schulen und neuerdings durch Verordnung vom 23. Mai d. I, auch aus den untern Klassen der katholischen Gymnasien ausgeschlossen. Er ahmt in Allem die Anordnungen Murawiew's des .. . . nach und verfolgt mit gleichem . . .. die Sprache unserer Väter und die katholische Religion in allen geweihten Stätten, welche dem Einfluß der Regierung unterliegen, — und sogar weiter, denn selbst im Hause ist es nicht gestattet, den Kindern den polnischen Katechismus und die polnische Sprache zu lehren. — Während jedoch Murawiew nach einem Aufstande, zur Zeit eines Belagerungszustandes, bei suspendirten Gesetzen und in einem autokratisch regierten Lande so verfuhr, verfährt der Minister Falk wie ein .... in einem Reiche, welches sich rühmt die Gesetze zu hüten, — verfolgt er in einem konstitutionell regierten Lande ohne Grund eine Bevölkerung, welche alle, auch ihr verhaßte Staats¬ pflichten erfüllt hat. Wir bekennen daher auch laut, daß das.... Verfahren Rußlands uns weniger.... vorkommt, als das Verfahren der deutschen Ne¬ gierung, und daß die letztere Angesichts der Geschichte eine größere Verant¬ wortlichkeit sich zuzieht, als das erstere. Aber es ist nicht unsere Sache, als Orakel für die Geschichte aufzutreten. Wir haben das Verfahren Deutschlands gegen uns in den annectirten Landes¬ theilen als grellsten Beweis der Erniedrigung und des Verfalls der Mensch¬ heit, — als das Symptom einer moralischen Erstickung hervorgehoben, an welcher namentlich die Deutschen leiden und welche entweder den Tod oder einen neuen Zustand zur Folge haben muß. Jedenfalls dürfen unsere Landsleute, welche in den von Preußen annec¬ tirten Landestheilen für unsre Sache thätig sind, sich nicht durch den herr¬ schenden Druck und die Ausbreitung der Deutschen abschrecken lassen. Jemehr wir durch die von Bismarck und Falk gegen unsern Glauben und die pol¬ nische Nationalität verübten Gewaltthaten zu leiden haben, desto reger müssen wir uns aneinanderschließen und desto energischer uns vertheidigen, — in Allem uns selbst genügen und den Glauben an einen bessern Stern be¬ wahren, — als Streiter uns um jeden von den Germanen bedrohten Punkt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/79>, abgerufen am 22.07.2024.