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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Provence fast ganz verloren gegangen; nur 4 bronzene und 2 ganz schlechte
eiserne Kanonen marschierten als einzige Geschütze des Heeres mit dem Fu߬
volks. -- Ganz eigenthümlich lagen die Befehlsverhältnisse. nomineller Ober¬
befehlshaber in militärischen Dingen war allerdings der Generallieutenant
des Kaisers, der Herzog von Bourbon. Aber als Fremder, als Franzose,
genoß er kein rechtes Vertrauen beim Heer, und es war ihm überhaupt un¬
möglich, die großen Operationen maaßgebend zu bestimmen, weil die politische
Kriegsleitung, welche doch unzertrennlich ist von der strategischen, in den
Händen des Wcekönigs von Neapel lag. Dieser, Carl von Launoy, ein
flandrischer Edelmann, war nun in der That weit mehr diplomatisch als
militärisch begabt; doch nicht bei Bourbon, dem Franzosen, dem Rivalen
suchte er Ersatz der ihm fehlenden Eigenschaften, sondern bei dem Spanier
Pescara und dem Deutschen Frundsberg, Und so erscheinen denn diese als
die eigentlich leitenden Männer: zwei höchst verschiedene Naturen, die einander
jedoch vortrefflich ergänzten. "Aus Pescara's unruhigem Geiste lockten die
Umstände den Gedankenblitz kühner Pläne; der Funke, den er dann in
Frundsberg's besonnene Seele warf, wurde zur That."*)

Bei der Nachricht von dem Anmärsche der Kaiserlichen berief Franz I.
einen Kriegsrath. Er hatte die Wintermonate im Kreise seiner Lieblinge
mit unnützen Spielen und im Rausch des Vergnügens zugebracht und viel
Verachtung des bei Lodi unthätig lagernden Feindes gezeigt. "Wo sind nun"
hatte er Bonnivet spöttisch gefragt "diese gerühmten Löwen?" ^- "Sire, ihr
Erwachen wird sie kenntlich machen!" hatte der durch seine traurige Erfahrung
gewitzigte Admiral geantwortet; jetzt zogen sie in der That heran. König
Franz langweilte sich, und der Gedanke einer Schlacht war ihm willkommen.
In seinem Rathe jedoch standen sich zwei Parteien gegenüber: die alten
Führer und die jungen Günstlinge. Seine alten kriegsgewohnten Feldherren,
deren Ruhm zum Theil unter dreien Königen erwachsen war und die durch
Erfolg und Unglück erzogen waren, wie namentlich La Paline, La Tremouille
und Genouillac, ja selbst jüngere Männer: Theodors Triulcio und de Foix,
machten den König darauf aufmerksam, wie gefährlich es sei, mit einer durch
Krankheit. Entsendungen und andere Verluste geschwächten Armee und ein¬
geengt zwischen eine feindliche Stadt, die 5000 Mann ausgesuchter Truppen
enthielte, und einem Heere, die Schlacht zu wagen; sie schlugen ihm vor, die
Belagerung aufzuheben und den Krieg in gut gewählten Stellungen, deren
das durchschnittene Land so viele biete, in die Länge zu ziehn. Der Kriegs¬
zweck: die Eroberung des Herzogthums Mailand, könne sehr wohl ohne



") F. W. Barthold: George von Frundsberg oder das deutsche Kriegshandwerk zur Zeit
der Reformation. Hamburg 1833.

Provence fast ganz verloren gegangen; nur 4 bronzene und 2 ganz schlechte
eiserne Kanonen marschierten als einzige Geschütze des Heeres mit dem Fu߬
volks. — Ganz eigenthümlich lagen die Befehlsverhältnisse. nomineller Ober¬
befehlshaber in militärischen Dingen war allerdings der Generallieutenant
des Kaisers, der Herzog von Bourbon. Aber als Fremder, als Franzose,
genoß er kein rechtes Vertrauen beim Heer, und es war ihm überhaupt un¬
möglich, die großen Operationen maaßgebend zu bestimmen, weil die politische
Kriegsleitung, welche doch unzertrennlich ist von der strategischen, in den
Händen des Wcekönigs von Neapel lag. Dieser, Carl von Launoy, ein
flandrischer Edelmann, war nun in der That weit mehr diplomatisch als
militärisch begabt; doch nicht bei Bourbon, dem Franzosen, dem Rivalen
suchte er Ersatz der ihm fehlenden Eigenschaften, sondern bei dem Spanier
Pescara und dem Deutschen Frundsberg, Und so erscheinen denn diese als
die eigentlich leitenden Männer: zwei höchst verschiedene Naturen, die einander
jedoch vortrefflich ergänzten. „Aus Pescara's unruhigem Geiste lockten die
Umstände den Gedankenblitz kühner Pläne; der Funke, den er dann in
Frundsberg's besonnene Seele warf, wurde zur That."*)

Bei der Nachricht von dem Anmärsche der Kaiserlichen berief Franz I.
einen Kriegsrath. Er hatte die Wintermonate im Kreise seiner Lieblinge
mit unnützen Spielen und im Rausch des Vergnügens zugebracht und viel
Verachtung des bei Lodi unthätig lagernden Feindes gezeigt. „Wo sind nun"
hatte er Bonnivet spöttisch gefragt „diese gerühmten Löwen?" ^- „Sire, ihr
Erwachen wird sie kenntlich machen!" hatte der durch seine traurige Erfahrung
gewitzigte Admiral geantwortet; jetzt zogen sie in der That heran. König
Franz langweilte sich, und der Gedanke einer Schlacht war ihm willkommen.
In seinem Rathe jedoch standen sich zwei Parteien gegenüber: die alten
Führer und die jungen Günstlinge. Seine alten kriegsgewohnten Feldherren,
deren Ruhm zum Theil unter dreien Königen erwachsen war und die durch
Erfolg und Unglück erzogen waren, wie namentlich La Paline, La Tremouille
und Genouillac, ja selbst jüngere Männer: Theodors Triulcio und de Foix,
machten den König darauf aufmerksam, wie gefährlich es sei, mit einer durch
Krankheit. Entsendungen und andere Verluste geschwächten Armee und ein¬
geengt zwischen eine feindliche Stadt, die 5000 Mann ausgesuchter Truppen
enthielte, und einem Heere, die Schlacht zu wagen; sie schlugen ihm vor, die
Belagerung aufzuheben und den Krieg in gut gewählten Stellungen, deren
das durchschnittene Land so viele biete, in die Länge zu ziehn. Der Kriegs¬
zweck: die Eroberung des Herzogthums Mailand, könne sehr wohl ohne



") F. W. Barthold: George von Frundsberg oder das deutsche Kriegshandwerk zur Zeit
der Reformation. Hamburg 1833.
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[0066] Provence fast ganz verloren gegangen; nur 4 bronzene und 2 ganz schlechte eiserne Kanonen marschierten als einzige Geschütze des Heeres mit dem Fu߬ volks. — Ganz eigenthümlich lagen die Befehlsverhältnisse. nomineller Ober¬ befehlshaber in militärischen Dingen war allerdings der Generallieutenant des Kaisers, der Herzog von Bourbon. Aber als Fremder, als Franzose, genoß er kein rechtes Vertrauen beim Heer, und es war ihm überhaupt un¬ möglich, die großen Operationen maaßgebend zu bestimmen, weil die politische Kriegsleitung, welche doch unzertrennlich ist von der strategischen, in den Händen des Wcekönigs von Neapel lag. Dieser, Carl von Launoy, ein flandrischer Edelmann, war nun in der That weit mehr diplomatisch als militärisch begabt; doch nicht bei Bourbon, dem Franzosen, dem Rivalen suchte er Ersatz der ihm fehlenden Eigenschaften, sondern bei dem Spanier Pescara und dem Deutschen Frundsberg, Und so erscheinen denn diese als die eigentlich leitenden Männer: zwei höchst verschiedene Naturen, die einander jedoch vortrefflich ergänzten. „Aus Pescara's unruhigem Geiste lockten die Umstände den Gedankenblitz kühner Pläne; der Funke, den er dann in Frundsberg's besonnene Seele warf, wurde zur That."*) Bei der Nachricht von dem Anmärsche der Kaiserlichen berief Franz I. einen Kriegsrath. Er hatte die Wintermonate im Kreise seiner Lieblinge mit unnützen Spielen und im Rausch des Vergnügens zugebracht und viel Verachtung des bei Lodi unthätig lagernden Feindes gezeigt. „Wo sind nun" hatte er Bonnivet spöttisch gefragt „diese gerühmten Löwen?" ^- „Sire, ihr Erwachen wird sie kenntlich machen!" hatte der durch seine traurige Erfahrung gewitzigte Admiral geantwortet; jetzt zogen sie in der That heran. König Franz langweilte sich, und der Gedanke einer Schlacht war ihm willkommen. In seinem Rathe jedoch standen sich zwei Parteien gegenüber: die alten Führer und die jungen Günstlinge. Seine alten kriegsgewohnten Feldherren, deren Ruhm zum Theil unter dreien Königen erwachsen war und die durch Erfolg und Unglück erzogen waren, wie namentlich La Paline, La Tremouille und Genouillac, ja selbst jüngere Männer: Theodors Triulcio und de Foix, machten den König darauf aufmerksam, wie gefährlich es sei, mit einer durch Krankheit. Entsendungen und andere Verluste geschwächten Armee und ein¬ geengt zwischen eine feindliche Stadt, die 5000 Mann ausgesuchter Truppen enthielte, und einem Heere, die Schlacht zu wagen; sie schlugen ihm vor, die Belagerung aufzuheben und den Krieg in gut gewählten Stellungen, deren das durchschnittene Land so viele biete, in die Länge zu ziehn. Der Kriegs¬ zweck: die Eroberung des Herzogthums Mailand, könne sehr wohl ohne ") F. W. Barthold: George von Frundsberg oder das deutsche Kriegshandwerk zur Zeit der Reformation. Hamburg 1833.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/66>, abgerufen am 22.07.2024.