Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts als das Laufgeld erhalten und weigerten sich, vor Auszahlung des
rückständigen Soldes gegen den Feind zu marschieren. Da galt es, Ueber-
redungskünste zu versuchen! Die Spanier besänftigte Pescara durch Schmeichel¬
worte und durch einen Wagen Geldes, den er für erbeutet ausgab, den er
jedoch insgeheim bei den Hauptleuten zusammengeborgt; Launoy sprach den
Wappnern zu, und Frundsberg ließ die Deutschen im Ringe zusammentreten
und hielt ihnen unter Hinweis auf des Kaisers Ehre und auf die in Pavia
eingeschlossenen deutschen Brüder eine so herzbewegende Rede, daß sie am
Ende alle die Hände aufwarfen und schrieen: Herr Jörg sei ihrer Aller
Vater; sie wollten Leib und Leben bei ihm aufsetzen! -- Das Heer ver¬
pflichtete sich, noch einen Monat lang ohne Sold weiter zu dienen.

Nun hielt man Kriegsrath zu Lodi, und beinahe hätte die listige Sprache
des päpstlichen Legaten aufs Neue den Angriff in Frage gestellt. Denn dieser
redete dem Vicekönige zu, eilends nach Neapel abzuziehn, das durch die fran¬
zösische Detachirung unter dem Duc d'Albany ernstlichst bedroht sei. Launoy
schwankte; aber seine Mitfeldherren nahmen ihn in die Mitte und sprachen
feurig für schnellen Angriff. Sehr weise bemerkte Pescara: Nie sei's im
Kriege möglich, Alles zu erhalten; des wahren Feldherrn Augenmerk sei des
mindesten Uebels Wahl; Theilung jedoch sei immer verderblich. Hier mit
ganzer Macht müsse man wider Frankreich streiten; siege man hier, so sei
Neapel ohnehin gerettet und wenn auch der Kaiser vom ganzen Königreiche
keinen Thurm mehr besäße. Dem pflichtete Georg von Frundsberg bei, und
da der Legat gar nicht zum Schweigen zu bringen war, trieb er ihn endlich
mit dem Schwertknaufe zum Zelte hinaus.*)

Am 24. Januar 1323 ging dann endlich das Heer über die Adda:
voran 300 Stradioten, d. h. leichtbewaffnete Albanesen, auf schnellen Pferden
unter der Führung des Don Fernando Castriota, Marquis von Se. Angelo,
des letzten Nachkommen des berühmten Skanderbeg. Den Hauptzug eröffnete
der Oberfeldherr, welchem Wappenkönige und Trompeter Vorausritten. Dann
kamen unter Bourbon's und Salm's Befehl die geharnischten Reisigen:
1000 deutsche, burgundische und spanische Edelleute. Den Wappnern folgte
der Marchese ti Pescara mit 4000 Spaniern und 1000 Italienern zu Fuß
und endlich, das Vordertreffen schließend, die gesammte Artillerie. -- Das
zweite Treffen bildete Frundsberg mit der Hauptmacht des Heeres, den
12,000 deutschen Landsknechten in 2 wohlgeordneten, mit allen Aemtern gut
versehenen Regimentern. Es war eine stattliche Armee. Sehr schwach nur
stand es mit der Artillerie -- war sie doch bei dem unglücklichen Zuge in die



^) Adam Meißner: Historia Herren Georgen Bild Herren Caspar" von Fnmdsbcra. Vatters
und Sohnes. . . Kriegßthaten. Frankfurt am Meyn. 1568.
Grenzboten Hi. 1674. 8

nichts als das Laufgeld erhalten und weigerten sich, vor Auszahlung des
rückständigen Soldes gegen den Feind zu marschieren. Da galt es, Ueber-
redungskünste zu versuchen! Die Spanier besänftigte Pescara durch Schmeichel¬
worte und durch einen Wagen Geldes, den er für erbeutet ausgab, den er
jedoch insgeheim bei den Hauptleuten zusammengeborgt; Launoy sprach den
Wappnern zu, und Frundsberg ließ die Deutschen im Ringe zusammentreten
und hielt ihnen unter Hinweis auf des Kaisers Ehre und auf die in Pavia
eingeschlossenen deutschen Brüder eine so herzbewegende Rede, daß sie am
Ende alle die Hände aufwarfen und schrieen: Herr Jörg sei ihrer Aller
Vater; sie wollten Leib und Leben bei ihm aufsetzen! — Das Heer ver¬
pflichtete sich, noch einen Monat lang ohne Sold weiter zu dienen.

Nun hielt man Kriegsrath zu Lodi, und beinahe hätte die listige Sprache
des päpstlichen Legaten aufs Neue den Angriff in Frage gestellt. Denn dieser
redete dem Vicekönige zu, eilends nach Neapel abzuziehn, das durch die fran¬
zösische Detachirung unter dem Duc d'Albany ernstlichst bedroht sei. Launoy
schwankte; aber seine Mitfeldherren nahmen ihn in die Mitte und sprachen
feurig für schnellen Angriff. Sehr weise bemerkte Pescara: Nie sei's im
Kriege möglich, Alles zu erhalten; des wahren Feldherrn Augenmerk sei des
mindesten Uebels Wahl; Theilung jedoch sei immer verderblich. Hier mit
ganzer Macht müsse man wider Frankreich streiten; siege man hier, so sei
Neapel ohnehin gerettet und wenn auch der Kaiser vom ganzen Königreiche
keinen Thurm mehr besäße. Dem pflichtete Georg von Frundsberg bei, und
da der Legat gar nicht zum Schweigen zu bringen war, trieb er ihn endlich
mit dem Schwertknaufe zum Zelte hinaus.*)

Am 24. Januar 1323 ging dann endlich das Heer über die Adda:
voran 300 Stradioten, d. h. leichtbewaffnete Albanesen, auf schnellen Pferden
unter der Führung des Don Fernando Castriota, Marquis von Se. Angelo,
des letzten Nachkommen des berühmten Skanderbeg. Den Hauptzug eröffnete
der Oberfeldherr, welchem Wappenkönige und Trompeter Vorausritten. Dann
kamen unter Bourbon's und Salm's Befehl die geharnischten Reisigen:
1000 deutsche, burgundische und spanische Edelleute. Den Wappnern folgte
der Marchese ti Pescara mit 4000 Spaniern und 1000 Italienern zu Fuß
und endlich, das Vordertreffen schließend, die gesammte Artillerie. — Das
zweite Treffen bildete Frundsberg mit der Hauptmacht des Heeres, den
12,000 deutschen Landsknechten in 2 wohlgeordneten, mit allen Aemtern gut
versehenen Regimentern. Es war eine stattliche Armee. Sehr schwach nur
stand es mit der Artillerie — war sie doch bei dem unglücklichen Zuge in die



^) Adam Meißner: Historia Herren Georgen Bild Herren Caspar« von Fnmdsbcra. Vatters
und Sohnes. . . Kriegßthaten. Frankfurt am Meyn. 1568.
Grenzboten Hi. 1674. 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131759"/>
          <p xml:id="ID_258" prev="#ID_257"> nichts als das Laufgeld erhalten und weigerten sich, vor Auszahlung des<lb/>
rückständigen Soldes gegen den Feind zu marschieren. Da galt es, Ueber-<lb/>
redungskünste zu versuchen! Die Spanier besänftigte Pescara durch Schmeichel¬<lb/>
worte und durch einen Wagen Geldes, den er für erbeutet ausgab, den er<lb/>
jedoch insgeheim bei den Hauptleuten zusammengeborgt; Launoy sprach den<lb/>
Wappnern zu, und Frundsberg ließ die Deutschen im Ringe zusammentreten<lb/>
und hielt ihnen unter Hinweis auf des Kaisers Ehre und auf die in Pavia<lb/>
eingeschlossenen deutschen Brüder eine so herzbewegende Rede, daß sie am<lb/>
Ende alle die Hände aufwarfen und schrieen: Herr Jörg sei ihrer Aller<lb/>
Vater; sie wollten Leib und Leben bei ihm aufsetzen! &#x2014; Das Heer ver¬<lb/>
pflichtete sich, noch einen Monat lang ohne Sold weiter zu dienen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_259"> Nun hielt man Kriegsrath zu Lodi, und beinahe hätte die listige Sprache<lb/>
des päpstlichen Legaten aufs Neue den Angriff in Frage gestellt. Denn dieser<lb/>
redete dem Vicekönige zu, eilends nach Neapel abzuziehn, das durch die fran¬<lb/>
zösische Detachirung unter dem Duc d'Albany ernstlichst bedroht sei. Launoy<lb/>
schwankte; aber seine Mitfeldherren nahmen ihn in die Mitte und sprachen<lb/>
feurig für schnellen Angriff. Sehr weise bemerkte Pescara: Nie sei's im<lb/>
Kriege möglich, Alles zu erhalten; des wahren Feldherrn Augenmerk sei des<lb/>
mindesten Uebels Wahl; Theilung jedoch sei immer verderblich. Hier mit<lb/>
ganzer Macht müsse man wider Frankreich streiten; siege man hier, so sei<lb/>
Neapel ohnehin gerettet und wenn auch der Kaiser vom ganzen Königreiche<lb/>
keinen Thurm mehr besäße. Dem pflichtete Georg von Frundsberg bei, und<lb/>
da der Legat gar nicht zum Schweigen zu bringen war, trieb er ihn endlich<lb/>
mit dem Schwertknaufe zum Zelte hinaus.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_260" next="#ID_261"> Am 24. Januar 1323 ging dann endlich das Heer über die Adda:<lb/>
voran 300 Stradioten, d. h. leichtbewaffnete Albanesen, auf schnellen Pferden<lb/>
unter der Führung des Don Fernando Castriota, Marquis von Se. Angelo,<lb/>
des letzten Nachkommen des berühmten Skanderbeg. Den Hauptzug eröffnete<lb/>
der Oberfeldherr, welchem Wappenkönige und Trompeter Vorausritten. Dann<lb/>
kamen unter Bourbon's und Salm's Befehl die geharnischten Reisigen:<lb/>
1000 deutsche, burgundische und spanische Edelleute. Den Wappnern folgte<lb/>
der Marchese ti Pescara mit 4000 Spaniern und 1000 Italienern zu Fuß<lb/>
und endlich, das Vordertreffen schließend, die gesammte Artillerie. &#x2014; Das<lb/>
zweite Treffen bildete Frundsberg mit der Hauptmacht des Heeres, den<lb/>
12,000 deutschen Landsknechten in 2 wohlgeordneten, mit allen Aemtern gut<lb/>
versehenen Regimentern. Es war eine stattliche Armee. Sehr schwach nur<lb/>
stand es mit der Artillerie &#x2014; war sie doch bei dem unglücklichen Zuge in die</p><lb/>
          <note xml:id="FID_39" place="foot"> ^) Adam Meißner: Historia Herren Georgen Bild Herren Caspar« von Fnmdsbcra. Vatters<lb/>
und Sohnes. . . Kriegßthaten. Frankfurt am Meyn. 1568.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten Hi. 1674. 8</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] nichts als das Laufgeld erhalten und weigerten sich, vor Auszahlung des rückständigen Soldes gegen den Feind zu marschieren. Da galt es, Ueber- redungskünste zu versuchen! Die Spanier besänftigte Pescara durch Schmeichel¬ worte und durch einen Wagen Geldes, den er für erbeutet ausgab, den er jedoch insgeheim bei den Hauptleuten zusammengeborgt; Launoy sprach den Wappnern zu, und Frundsberg ließ die Deutschen im Ringe zusammentreten und hielt ihnen unter Hinweis auf des Kaisers Ehre und auf die in Pavia eingeschlossenen deutschen Brüder eine so herzbewegende Rede, daß sie am Ende alle die Hände aufwarfen und schrieen: Herr Jörg sei ihrer Aller Vater; sie wollten Leib und Leben bei ihm aufsetzen! — Das Heer ver¬ pflichtete sich, noch einen Monat lang ohne Sold weiter zu dienen. Nun hielt man Kriegsrath zu Lodi, und beinahe hätte die listige Sprache des päpstlichen Legaten aufs Neue den Angriff in Frage gestellt. Denn dieser redete dem Vicekönige zu, eilends nach Neapel abzuziehn, das durch die fran¬ zösische Detachirung unter dem Duc d'Albany ernstlichst bedroht sei. Launoy schwankte; aber seine Mitfeldherren nahmen ihn in die Mitte und sprachen feurig für schnellen Angriff. Sehr weise bemerkte Pescara: Nie sei's im Kriege möglich, Alles zu erhalten; des wahren Feldherrn Augenmerk sei des mindesten Uebels Wahl; Theilung jedoch sei immer verderblich. Hier mit ganzer Macht müsse man wider Frankreich streiten; siege man hier, so sei Neapel ohnehin gerettet und wenn auch der Kaiser vom ganzen Königreiche keinen Thurm mehr besäße. Dem pflichtete Georg von Frundsberg bei, und da der Legat gar nicht zum Schweigen zu bringen war, trieb er ihn endlich mit dem Schwertknaufe zum Zelte hinaus.*) Am 24. Januar 1323 ging dann endlich das Heer über die Adda: voran 300 Stradioten, d. h. leichtbewaffnete Albanesen, auf schnellen Pferden unter der Führung des Don Fernando Castriota, Marquis von Se. Angelo, des letzten Nachkommen des berühmten Skanderbeg. Den Hauptzug eröffnete der Oberfeldherr, welchem Wappenkönige und Trompeter Vorausritten. Dann kamen unter Bourbon's und Salm's Befehl die geharnischten Reisigen: 1000 deutsche, burgundische und spanische Edelleute. Den Wappnern folgte der Marchese ti Pescara mit 4000 Spaniern und 1000 Italienern zu Fuß und endlich, das Vordertreffen schließend, die gesammte Artillerie. — Das zweite Treffen bildete Frundsberg mit der Hauptmacht des Heeres, den 12,000 deutschen Landsknechten in 2 wohlgeordneten, mit allen Aemtern gut versehenen Regimentern. Es war eine stattliche Armee. Sehr schwach nur stand es mit der Artillerie — war sie doch bei dem unglücklichen Zuge in die ^) Adam Meißner: Historia Herren Georgen Bild Herren Caspar« von Fnmdsbcra. Vatters und Sohnes. . . Kriegßthaten. Frankfurt am Meyn. 1568. Grenzboten Hi. 1674. 8

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/65
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/65>, abgerufen am 25.08.2024.