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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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nisse zu befriedigen, die eine ausgedehnte Staatseinrichtung bis in die höheren
Instanzen hinein befriedigt und daß es durch Anlehnung an einen Großstaat
unter möglichster Schonung seiner Souverainetät das ihm an intellektueller
Kraft Fehlende ergänzen mußte.

Wir zweifeln deßhalb nicht, daß Preußen, selbst mit eigenen Opfern,
wenn auch nicht an Geldmitteln -- da diese durch die kleineren Staaten nach
Maßgabe ihrer jetzigen Etats und der künftigen Erfordernisse gemeinschaftlich
aufgebracht werden müßten und könnten -- bereit sein würde, wiederum
seinen schwächeren Bundesgenossen die hülfreiche Hand zu bieten. Dies würde
mit um so glücklicheren Erfolge geschehen, jemehr von den kleineren Staaten
zu einem solchen Bündniß zusammentreten. Nur mit einer größeren Zahl
von ihnen ließen sich nämlich, wie wir annehmen, von der leitenden Stelle
solche Einrichtungen treffen, wie sie uns vorschweben und wie sie bei der
Unterordnung unter das Reich selbstverständlich wären.

Die kleineren Staaten würden danach, zu einer oder mehreren Gruppen
vereinigt, besondere Oberlandesgerichtsbezirke und innerhalb derselben, ohne
grundsätzliche Wahrung der Territorialgrenzen, Landes-, Handels- und Amts-
gerichtssprengel bilden und es würden die Richter, Staatsanwälte, Unter¬
beamten aus der Zahl des heimischen Personals, wesentlich im Anschluß an
die bestehenden Verhältnisse, jedoch unter Gestattung der Freizügigkeit inner¬
halb des Gebietes der verbündeten Länder, gewählt, auch von der Central-
verwaltung nach gleichen Principien besoldet werden. Bei dem etwaigen
Anschluß an Preußen wäre von der Zulegung einzelner Bezirke zu Preußischen
als Regel abzusehen. Dieselbe dürfte aber da eintreten, wo bestimmte Rück¬
sichten dies im Interesse der Bevölkerung zweifellos erfordern. Von den
wesentlichen Bestandtheilen der Justizhoheit würde den kleineren Staaten das
Recht der Gesetzgebung und, in einer bestimmt zu normirenden Weise, das
Begnadigungsrecht gewahrt werden können, auch wäre nicht ausgeschlossen,
daß denselben das Präsentattonsrecht für gewisse Stellen vorbehalten bliebe.
Mit eingehenderen Vorschlägen' hervorzutreten, kann nicht in unserer Absicht
liegen. Wir glauben, daß wenn über das "Ob" eine Uebereinstimmung
erzielt werden könnte, das "Wie" zwar höchst bedeutende, aber doch kaum
größere Schwierigkeiten darbieten würde, als sie die selbständige Gerichts¬
organisation für jeden einzelnen Staat mit sich bringt. Wäre der derzeitige
K. Preuß. Justizminister Leonhardt berufen, das Werk auszuführen, so würde
es, davon sind wir auf das Festeste überzeugt, aus der Hand dieses ausgezeich¬
neten Organisators als ein wohlgelungenes, nach allen Seiten befriedigendes
hervorgehen. --

Die Gründe, welche uns bestimmen, für den dritten Vorschlag mit den
ihm gegebenen Erweiterungen einzutreten, liegen nicht ausschließlich auf dem


nisse zu befriedigen, die eine ausgedehnte Staatseinrichtung bis in die höheren
Instanzen hinein befriedigt und daß es durch Anlehnung an einen Großstaat
unter möglichster Schonung seiner Souverainetät das ihm an intellektueller
Kraft Fehlende ergänzen mußte.

Wir zweifeln deßhalb nicht, daß Preußen, selbst mit eigenen Opfern,
wenn auch nicht an Geldmitteln — da diese durch die kleineren Staaten nach
Maßgabe ihrer jetzigen Etats und der künftigen Erfordernisse gemeinschaftlich
aufgebracht werden müßten und könnten — bereit sein würde, wiederum
seinen schwächeren Bundesgenossen die hülfreiche Hand zu bieten. Dies würde
mit um so glücklicheren Erfolge geschehen, jemehr von den kleineren Staaten
zu einem solchen Bündniß zusammentreten. Nur mit einer größeren Zahl
von ihnen ließen sich nämlich, wie wir annehmen, von der leitenden Stelle
solche Einrichtungen treffen, wie sie uns vorschweben und wie sie bei der
Unterordnung unter das Reich selbstverständlich wären.

Die kleineren Staaten würden danach, zu einer oder mehreren Gruppen
vereinigt, besondere Oberlandesgerichtsbezirke und innerhalb derselben, ohne
grundsätzliche Wahrung der Territorialgrenzen, Landes-, Handels- und Amts-
gerichtssprengel bilden und es würden die Richter, Staatsanwälte, Unter¬
beamten aus der Zahl des heimischen Personals, wesentlich im Anschluß an
die bestehenden Verhältnisse, jedoch unter Gestattung der Freizügigkeit inner¬
halb des Gebietes der verbündeten Länder, gewählt, auch von der Central-
verwaltung nach gleichen Principien besoldet werden. Bei dem etwaigen
Anschluß an Preußen wäre von der Zulegung einzelner Bezirke zu Preußischen
als Regel abzusehen. Dieselbe dürfte aber da eintreten, wo bestimmte Rück¬
sichten dies im Interesse der Bevölkerung zweifellos erfordern. Von den
wesentlichen Bestandtheilen der Justizhoheit würde den kleineren Staaten das
Recht der Gesetzgebung und, in einer bestimmt zu normirenden Weise, das
Begnadigungsrecht gewahrt werden können, auch wäre nicht ausgeschlossen,
daß denselben das Präsentattonsrecht für gewisse Stellen vorbehalten bliebe.
Mit eingehenderen Vorschlägen' hervorzutreten, kann nicht in unserer Absicht
liegen. Wir glauben, daß wenn über das „Ob" eine Uebereinstimmung
erzielt werden könnte, das „Wie" zwar höchst bedeutende, aber doch kaum
größere Schwierigkeiten darbieten würde, als sie die selbständige Gerichts¬
organisation für jeden einzelnen Staat mit sich bringt. Wäre der derzeitige
K. Preuß. Justizminister Leonhardt berufen, das Werk auszuführen, so würde
es, davon sind wir auf das Festeste überzeugt, aus der Hand dieses ausgezeich¬
neten Organisators als ein wohlgelungenes, nach allen Seiten befriedigendes
hervorgehen. —

Die Gründe, welche uns bestimmen, für den dritten Vorschlag mit den
ihm gegebenen Erweiterungen einzutreten, liegen nicht ausschließlich auf dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/507>, abgerufen am 22.07.2024.