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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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heil. Geistes und seines eigenen Vertrauten, des Exjesuiten Zaccaria, Alles
höchst weise einrichte. Seine Sucht nach Nuhm und nach Verherrlichung
seiner Amtsführung war ebenso maßlos wie seine persönliche Eitelkeit.
Pius VI. ist nämlich einer der schönsten Männer seiner Zeit gewesen, es
bis in sein hohes Greisenalter geblieben und hat sich darauf ungeheuer viel
mehr eingebildet, als sich sagen läßt. Sein übermäßiger Geschmack für Pracht
Aufwand und alles schimmernde, seine Vorliebe für köstliche Tafeln (seine
Tafel kostete monatlich 1000 Scudi. die seines Vorgängers Clemens XIV.
deren nur 25) und zahlreiche Tischgesellschaften, seine Unfähigkeit, den
Phantasien, den Launen einiger Damen, welchen er nicht abgeneigt war, ihre
überaus kostspielige Befriedigung zu versagen"), machten Braschi's Pontifikat
zu einem äußerst verhängnißvollen und aufreibenden für die Bevölkerung
eines so verarmten Landes wie damals der Kirchenstaat war. --

Denn och läßt sich nicht läugnen, daß dieser Papst das Beste seines Lan¬
des und Volkes ernstlich wollte, daß ein wahrhaft großartiger und splendider
Geist in manchen seiner Unternehmungen sich manifestirte. Die berühmteste
und umfassendste derselben ist sein Versuch der Austrocknung der pon-
tinischen Sümpfe. Von dem kleinen Küstenplatz Astura, wo einst Cicero
enthauptet und dreizehn Jahrhunderte später Konradin, der unglückliche letzte
Staufer gefangen genommen wurde, erstrecken sich diese längst der Seeküste
in einer Ausdehnung von 42,000 Meter, auf 18,000 Meter größter Breite,
bis zur Stadt Terracina. Schon in den ältesten Zeiten waren diese Niede¬
rungen versumpft; bereits Martial nannte die pontinischen Felder verpestet.
Mehrere Päpste, zumal Leo X. und Sixtus V., hatten versucht, diese unbe¬
wohnten und giftigen Moräste in gesundes und kulturfähiges Land umzu¬
wandeln; keiner mit Erfolg, auch zuletzt Clemens XIII. nicht. Um fo ver¬
führerischer mußte auf den ruhmsüchtigen Pius VI. die Aussicht wirken, aus¬
zuführen, was so manche seiner Vorgänger fruchtlos versucht. Nachdem im
Jahre 1777 der geschickte Feldmesser Saul den ganzen Bezirk aufgenommen,
begann im nächsten Jahre der Ingenieur Rapini, ein Bologneser, das schwie¬
rige Werk. Es ist, nach Aufwendung ungeheuerer Summen, Torso geblieben,
nicht allein, weil seine. Vollendung die Geldkräfte des Papstes bei weitem
überstiege, sondern weil sie auch eine andere Bevölkerung erheischt
haben würde, als die damalige des Kirchenstaates war. Ein Werk, dessen
Ausführung arbeitende Menschenhände erforderte, sagte natürlich liederlichen
Müßiggängern nicht zu, die von jeher gewöhnt waren, ihr Brod vor den
Kirchthüren zu erbetteln, die alles lieber thaten, sogar lieber hungerten, als
arbeiten. Die 8000 Arbeiter, die man zuletzt zusammenbrachte, konnten be-



') Wolf, a. a. O. I. 485

heil. Geistes und seines eigenen Vertrauten, des Exjesuiten Zaccaria, Alles
höchst weise einrichte. Seine Sucht nach Nuhm und nach Verherrlichung
seiner Amtsführung war ebenso maßlos wie seine persönliche Eitelkeit.
Pius VI. ist nämlich einer der schönsten Männer seiner Zeit gewesen, es
bis in sein hohes Greisenalter geblieben und hat sich darauf ungeheuer viel
mehr eingebildet, als sich sagen läßt. Sein übermäßiger Geschmack für Pracht
Aufwand und alles schimmernde, seine Vorliebe für köstliche Tafeln (seine
Tafel kostete monatlich 1000 Scudi. die seines Vorgängers Clemens XIV.
deren nur 25) und zahlreiche Tischgesellschaften, seine Unfähigkeit, den
Phantasien, den Launen einiger Damen, welchen er nicht abgeneigt war, ihre
überaus kostspielige Befriedigung zu versagen"), machten Braschi's Pontifikat
zu einem äußerst verhängnißvollen und aufreibenden für die Bevölkerung
eines so verarmten Landes wie damals der Kirchenstaat war. —

Denn och läßt sich nicht läugnen, daß dieser Papst das Beste seines Lan¬
des und Volkes ernstlich wollte, daß ein wahrhaft großartiger und splendider
Geist in manchen seiner Unternehmungen sich manifestirte. Die berühmteste
und umfassendste derselben ist sein Versuch der Austrocknung der pon-
tinischen Sümpfe. Von dem kleinen Küstenplatz Astura, wo einst Cicero
enthauptet und dreizehn Jahrhunderte später Konradin, der unglückliche letzte
Staufer gefangen genommen wurde, erstrecken sich diese längst der Seeküste
in einer Ausdehnung von 42,000 Meter, auf 18,000 Meter größter Breite,
bis zur Stadt Terracina. Schon in den ältesten Zeiten waren diese Niede¬
rungen versumpft; bereits Martial nannte die pontinischen Felder verpestet.
Mehrere Päpste, zumal Leo X. und Sixtus V., hatten versucht, diese unbe¬
wohnten und giftigen Moräste in gesundes und kulturfähiges Land umzu¬
wandeln; keiner mit Erfolg, auch zuletzt Clemens XIII. nicht. Um fo ver¬
führerischer mußte auf den ruhmsüchtigen Pius VI. die Aussicht wirken, aus¬
zuführen, was so manche seiner Vorgänger fruchtlos versucht. Nachdem im
Jahre 1777 der geschickte Feldmesser Saul den ganzen Bezirk aufgenommen,
begann im nächsten Jahre der Ingenieur Rapini, ein Bologneser, das schwie¬
rige Werk. Es ist, nach Aufwendung ungeheuerer Summen, Torso geblieben,
nicht allein, weil seine. Vollendung die Geldkräfte des Papstes bei weitem
überstiege, sondern weil sie auch eine andere Bevölkerung erheischt
haben würde, als die damalige des Kirchenstaates war. Ein Werk, dessen
Ausführung arbeitende Menschenhände erforderte, sagte natürlich liederlichen
Müßiggängern nicht zu, die von jeher gewöhnt waren, ihr Brod vor den
Kirchthüren zu erbetteln, die alles lieber thaten, sogar lieber hungerten, als
arbeiten. Die 8000 Arbeiter, die man zuletzt zusammenbrachte, konnten be-



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[0389] heil. Geistes und seines eigenen Vertrauten, des Exjesuiten Zaccaria, Alles höchst weise einrichte. Seine Sucht nach Nuhm und nach Verherrlichung seiner Amtsführung war ebenso maßlos wie seine persönliche Eitelkeit. Pius VI. ist nämlich einer der schönsten Männer seiner Zeit gewesen, es bis in sein hohes Greisenalter geblieben und hat sich darauf ungeheuer viel mehr eingebildet, als sich sagen läßt. Sein übermäßiger Geschmack für Pracht Aufwand und alles schimmernde, seine Vorliebe für köstliche Tafeln (seine Tafel kostete monatlich 1000 Scudi. die seines Vorgängers Clemens XIV. deren nur 25) und zahlreiche Tischgesellschaften, seine Unfähigkeit, den Phantasien, den Launen einiger Damen, welchen er nicht abgeneigt war, ihre überaus kostspielige Befriedigung zu versagen"), machten Braschi's Pontifikat zu einem äußerst verhängnißvollen und aufreibenden für die Bevölkerung eines so verarmten Landes wie damals der Kirchenstaat war. — Denn och läßt sich nicht läugnen, daß dieser Papst das Beste seines Lan¬ des und Volkes ernstlich wollte, daß ein wahrhaft großartiger und splendider Geist in manchen seiner Unternehmungen sich manifestirte. Die berühmteste und umfassendste derselben ist sein Versuch der Austrocknung der pon- tinischen Sümpfe. Von dem kleinen Küstenplatz Astura, wo einst Cicero enthauptet und dreizehn Jahrhunderte später Konradin, der unglückliche letzte Staufer gefangen genommen wurde, erstrecken sich diese längst der Seeküste in einer Ausdehnung von 42,000 Meter, auf 18,000 Meter größter Breite, bis zur Stadt Terracina. Schon in den ältesten Zeiten waren diese Niede¬ rungen versumpft; bereits Martial nannte die pontinischen Felder verpestet. Mehrere Päpste, zumal Leo X. und Sixtus V., hatten versucht, diese unbe¬ wohnten und giftigen Moräste in gesundes und kulturfähiges Land umzu¬ wandeln; keiner mit Erfolg, auch zuletzt Clemens XIII. nicht. Um fo ver¬ führerischer mußte auf den ruhmsüchtigen Pius VI. die Aussicht wirken, aus¬ zuführen, was so manche seiner Vorgänger fruchtlos versucht. Nachdem im Jahre 1777 der geschickte Feldmesser Saul den ganzen Bezirk aufgenommen, begann im nächsten Jahre der Ingenieur Rapini, ein Bologneser, das schwie¬ rige Werk. Es ist, nach Aufwendung ungeheuerer Summen, Torso geblieben, nicht allein, weil seine. Vollendung die Geldkräfte des Papstes bei weitem überstiege, sondern weil sie auch eine andere Bevölkerung erheischt haben würde, als die damalige des Kirchenstaates war. Ein Werk, dessen Ausführung arbeitende Menschenhände erforderte, sagte natürlich liederlichen Müßiggängern nicht zu, die von jeher gewöhnt waren, ihr Brod vor den Kirchthüren zu erbetteln, die alles lieber thaten, sogar lieber hungerten, als arbeiten. Die 8000 Arbeiter, die man zuletzt zusammenbrachte, konnten be- ') Wolf, a. a. O. I. 485

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/389>, abgerufen am 22.07.2024.