Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ziehungsweise nur kurze Zeit, bei weitem nicht so lange zusammengehalten
werden, als nöthig gewesen sein würde. Doch ist neben diesem unvollendet
gebliebenen großen ein kleineres, auch recht verdienstliches Werk von Pius VI.
zu Ende geführt worden -- die Wiederherstellung dor Appischen Straße,
freilich, da dieser Träger der Tiara im Allgemeinen viel zu theuer baute, mit
einem ungeheuern, ganz unverhältnißmäßigen Kostenaufwands. Die großen
Platten, womit man sie nach Art der Römerstraßen überhaupt gepflastert
fand, wurden zerstückt und als Unterlage benützt, hierauf die ganze Linie
durch Kies erhöht, die alten Brücken hergestellt, neue gebaut, zwei Reihen
Ulmen gepflanzt. So entstand eine der schönsten und bequemsten Straßen
der Welt.

Nichts würde indessen irriger als die Meinung sein, daß die Vermehrung
der päpstlichen Staatsschuld*) durch Pius VI. um gar viele Millionen rö¬
mischer Thaler (Scudi ^ 2^ Gulden süddeutscher Währung), daß das Ende
seines Pontifikats mit einem allgemeinen Staatsbanquerot hauptsächlich, aus
den angedeuteten Gründen, das Werk seiner Bauten und sonstigen Unter"
nehmungen gewesen. Dieser schimpfliche Abschluß der Finanzwirthschaft des
Unfehlbarer des achtzehnten Jahrhunderts rührte vielmehr zumeist davon her,
daß Pius VI. der letzte Papst war, unter welchem das alte Nepoten-
unwesen im höchsten Grad, wie nur unter sehr wenigen seiner Vorgänger
florirte. Und diesem uralten Krebsschaden der päpstlichen Finanzen die Axt
an die Wurzel zu legen, hatte Innocenz XII. (Antonio Pignatelli, aus dem
Hause der Fürsten von Minerbino, vorher Eczbischof von Neapel) kurz nach
seiner Erhebung auf Se. Peters Stuhl (12. Juli 1691) eine Bulle publicirt,
welche ihm und all seinen Nachbarn für ewige Zeiten untersagte, von den
dem apostolischen Stuhle gehörigen Besitzungen, Einkünften und Gerechtsamen
irgend Etwas zur Bereicherung seiner und resp, ihrer Brüder, sonstigen An¬
verwandten und Freunde zu verwenden, selbst nicht zur Belohnung unbestreit¬
barer großer Verdienste um die Kirche und den Kirchenstaat. Nur motorischer
Armuth ihrer Blutsverwandten und Freunde sollen die Päpste sowie der an¬
derer Dürftigen nach ihrem Gewissen abzuhelfen und des Kardinalats wahr¬
haft Würdige zu demselben, mit dem Jahrgehalt aller anderen Cardinäle von
12.000 Scudi, zu erheben befugt bleiben. Und um seinen Nachfolgern die
Versuchung zu mindern, dieses Gesetz zu übertreten, hob Innocenz XII. die
meisten der von der apostolischen Kammer bisher zu vergehenden Aemter,



") Sie war schon im Jahre 167V, unter Clemens X., auf S2 Millionen Scudi ange¬
wachsen, betrug (1766) als Pius VI. päpstlicher Finanzminister wurde 61. und im Jahre 178"
schon 87 Millionen Scudi! I-'Al'wi, I.o Ltato "orosno c1s.II. s,. 1815 all' a. 1850 I, 142
(1'orino 1850). (LoureoiiiAl, NLmoirW nistor. ot MIos. sur ?is VI et sou ?orrtige"t. I,
166 (2 satt. ?"ri" 1800).

ziehungsweise nur kurze Zeit, bei weitem nicht so lange zusammengehalten
werden, als nöthig gewesen sein würde. Doch ist neben diesem unvollendet
gebliebenen großen ein kleineres, auch recht verdienstliches Werk von Pius VI.
zu Ende geführt worden — die Wiederherstellung dor Appischen Straße,
freilich, da dieser Träger der Tiara im Allgemeinen viel zu theuer baute, mit
einem ungeheuern, ganz unverhältnißmäßigen Kostenaufwands. Die großen
Platten, womit man sie nach Art der Römerstraßen überhaupt gepflastert
fand, wurden zerstückt und als Unterlage benützt, hierauf die ganze Linie
durch Kies erhöht, die alten Brücken hergestellt, neue gebaut, zwei Reihen
Ulmen gepflanzt. So entstand eine der schönsten und bequemsten Straßen
der Welt.

Nichts würde indessen irriger als die Meinung sein, daß die Vermehrung
der päpstlichen Staatsschuld*) durch Pius VI. um gar viele Millionen rö¬
mischer Thaler (Scudi ^ 2^ Gulden süddeutscher Währung), daß das Ende
seines Pontifikats mit einem allgemeinen Staatsbanquerot hauptsächlich, aus
den angedeuteten Gründen, das Werk seiner Bauten und sonstigen Unter«
nehmungen gewesen. Dieser schimpfliche Abschluß der Finanzwirthschaft des
Unfehlbarer des achtzehnten Jahrhunderts rührte vielmehr zumeist davon her,
daß Pius VI. der letzte Papst war, unter welchem das alte Nepoten-
unwesen im höchsten Grad, wie nur unter sehr wenigen seiner Vorgänger
florirte. Und diesem uralten Krebsschaden der päpstlichen Finanzen die Axt
an die Wurzel zu legen, hatte Innocenz XII. (Antonio Pignatelli, aus dem
Hause der Fürsten von Minerbino, vorher Eczbischof von Neapel) kurz nach
seiner Erhebung auf Se. Peters Stuhl (12. Juli 1691) eine Bulle publicirt,
welche ihm und all seinen Nachbarn für ewige Zeiten untersagte, von den
dem apostolischen Stuhle gehörigen Besitzungen, Einkünften und Gerechtsamen
irgend Etwas zur Bereicherung seiner und resp, ihrer Brüder, sonstigen An¬
verwandten und Freunde zu verwenden, selbst nicht zur Belohnung unbestreit¬
barer großer Verdienste um die Kirche und den Kirchenstaat. Nur motorischer
Armuth ihrer Blutsverwandten und Freunde sollen die Päpste sowie der an¬
derer Dürftigen nach ihrem Gewissen abzuhelfen und des Kardinalats wahr¬
haft Würdige zu demselben, mit dem Jahrgehalt aller anderen Cardinäle von
12.000 Scudi, zu erheben befugt bleiben. Und um seinen Nachfolgern die
Versuchung zu mindern, dieses Gesetz zu übertreten, hob Innocenz XII. die
meisten der von der apostolischen Kammer bisher zu vergehenden Aemter,



") Sie war schon im Jahre 167V, unter Clemens X., auf S2 Millionen Scudi ange¬
wachsen, betrug (1766) als Pius VI. päpstlicher Finanzminister wurde 61. und im Jahre 178»
schon 87 Millionen Scudi! I-'Al'wi, I.o Ltato »orosno c1s.II. s,. 1815 all' a. 1850 I, 142
(1'orino 1850). (LoureoiiiAl, NLmoirW nistor. ot MIos. sur ?is VI et sou ?orrtige»t. I,
166 (2 satt. ?»ri» 1800).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132084"/>
          <p xml:id="ID_1395" prev="#ID_1394"> ziehungsweise nur kurze Zeit, bei weitem nicht so lange zusammengehalten<lb/>
werden, als nöthig gewesen sein würde. Doch ist neben diesem unvollendet<lb/>
gebliebenen großen ein kleineres, auch recht verdienstliches Werk von Pius VI.<lb/>
zu Ende geführt worden &#x2014; die Wiederherstellung dor Appischen Straße,<lb/>
freilich, da dieser Träger der Tiara im Allgemeinen viel zu theuer baute, mit<lb/>
einem ungeheuern, ganz unverhältnißmäßigen Kostenaufwands. Die großen<lb/>
Platten, womit man sie nach Art der Römerstraßen überhaupt gepflastert<lb/>
fand, wurden zerstückt und als Unterlage benützt, hierauf die ganze Linie<lb/>
durch Kies erhöht, die alten Brücken hergestellt, neue gebaut, zwei Reihen<lb/>
Ulmen gepflanzt. So entstand eine der schönsten und bequemsten Straßen<lb/>
der Welt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1396" next="#ID_1397"> Nichts würde indessen irriger als die Meinung sein, daß die Vermehrung<lb/>
der päpstlichen Staatsschuld*) durch Pius VI. um gar viele Millionen rö¬<lb/>
mischer Thaler (Scudi ^ 2^ Gulden süddeutscher Währung), daß das Ende<lb/>
seines Pontifikats mit einem allgemeinen Staatsbanquerot hauptsächlich, aus<lb/>
den angedeuteten Gründen, das Werk seiner Bauten und sonstigen Unter«<lb/>
nehmungen gewesen. Dieser schimpfliche Abschluß der Finanzwirthschaft des<lb/>
Unfehlbarer des achtzehnten Jahrhunderts rührte vielmehr zumeist davon her,<lb/>
daß Pius VI. der letzte Papst war, unter welchem das alte Nepoten-<lb/>
unwesen im höchsten Grad, wie nur unter sehr wenigen seiner Vorgänger<lb/>
florirte. Und diesem uralten Krebsschaden der päpstlichen Finanzen die Axt<lb/>
an die Wurzel zu legen, hatte Innocenz XII. (Antonio Pignatelli, aus dem<lb/>
Hause der Fürsten von Minerbino, vorher Eczbischof von Neapel) kurz nach<lb/>
seiner Erhebung auf Se. Peters Stuhl (12. Juli 1691) eine Bulle publicirt,<lb/>
welche ihm und all seinen Nachbarn für ewige Zeiten untersagte, von den<lb/>
dem apostolischen Stuhle gehörigen Besitzungen, Einkünften und Gerechtsamen<lb/>
irgend Etwas zur Bereicherung seiner und resp, ihrer Brüder, sonstigen An¬<lb/>
verwandten und Freunde zu verwenden, selbst nicht zur Belohnung unbestreit¬<lb/>
barer großer Verdienste um die Kirche und den Kirchenstaat. Nur motorischer<lb/>
Armuth ihrer Blutsverwandten und Freunde sollen die Päpste sowie der an¬<lb/>
derer Dürftigen nach ihrem Gewissen abzuhelfen und des Kardinalats wahr¬<lb/>
haft Würdige zu demselben, mit dem Jahrgehalt aller anderen Cardinäle von<lb/>
12.000 Scudi, zu erheben befugt bleiben. Und um seinen Nachfolgern die<lb/>
Versuchung zu mindern, dieses Gesetz zu übertreten, hob Innocenz XII. die<lb/>
meisten der von der apostolischen Kammer bisher zu vergehenden Aemter,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_168" place="foot"> ") Sie war schon im Jahre 167V, unter Clemens X., auf S2 Millionen Scudi ange¬<lb/>
wachsen, betrug (1766) als Pius VI. päpstlicher Finanzminister wurde 61. und im Jahre 178»<lb/>
schon 87 Millionen Scudi! I-'Al'wi, I.o Ltato »orosno c1s.II. s,. 1815 all' a. 1850 I, 142<lb/>
(1'orino 1850). (LoureoiiiAl, NLmoirW nistor. ot MIos. sur ?is VI et sou ?orrtige»t. I,<lb/>
166 (2 satt. ?»ri» 1800).</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0390] ziehungsweise nur kurze Zeit, bei weitem nicht so lange zusammengehalten werden, als nöthig gewesen sein würde. Doch ist neben diesem unvollendet gebliebenen großen ein kleineres, auch recht verdienstliches Werk von Pius VI. zu Ende geführt worden — die Wiederherstellung dor Appischen Straße, freilich, da dieser Träger der Tiara im Allgemeinen viel zu theuer baute, mit einem ungeheuern, ganz unverhältnißmäßigen Kostenaufwands. Die großen Platten, womit man sie nach Art der Römerstraßen überhaupt gepflastert fand, wurden zerstückt und als Unterlage benützt, hierauf die ganze Linie durch Kies erhöht, die alten Brücken hergestellt, neue gebaut, zwei Reihen Ulmen gepflanzt. So entstand eine der schönsten und bequemsten Straßen der Welt. Nichts würde indessen irriger als die Meinung sein, daß die Vermehrung der päpstlichen Staatsschuld*) durch Pius VI. um gar viele Millionen rö¬ mischer Thaler (Scudi ^ 2^ Gulden süddeutscher Währung), daß das Ende seines Pontifikats mit einem allgemeinen Staatsbanquerot hauptsächlich, aus den angedeuteten Gründen, das Werk seiner Bauten und sonstigen Unter« nehmungen gewesen. Dieser schimpfliche Abschluß der Finanzwirthschaft des Unfehlbarer des achtzehnten Jahrhunderts rührte vielmehr zumeist davon her, daß Pius VI. der letzte Papst war, unter welchem das alte Nepoten- unwesen im höchsten Grad, wie nur unter sehr wenigen seiner Vorgänger florirte. Und diesem uralten Krebsschaden der päpstlichen Finanzen die Axt an die Wurzel zu legen, hatte Innocenz XII. (Antonio Pignatelli, aus dem Hause der Fürsten von Minerbino, vorher Eczbischof von Neapel) kurz nach seiner Erhebung auf Se. Peters Stuhl (12. Juli 1691) eine Bulle publicirt, welche ihm und all seinen Nachbarn für ewige Zeiten untersagte, von den dem apostolischen Stuhle gehörigen Besitzungen, Einkünften und Gerechtsamen irgend Etwas zur Bereicherung seiner und resp, ihrer Brüder, sonstigen An¬ verwandten und Freunde zu verwenden, selbst nicht zur Belohnung unbestreit¬ barer großer Verdienste um die Kirche und den Kirchenstaat. Nur motorischer Armuth ihrer Blutsverwandten und Freunde sollen die Päpste sowie der an¬ derer Dürftigen nach ihrem Gewissen abzuhelfen und des Kardinalats wahr¬ haft Würdige zu demselben, mit dem Jahrgehalt aller anderen Cardinäle von 12.000 Scudi, zu erheben befugt bleiben. Und um seinen Nachfolgern die Versuchung zu mindern, dieses Gesetz zu übertreten, hob Innocenz XII. die meisten der von der apostolischen Kammer bisher zu vergehenden Aemter, ") Sie war schon im Jahre 167V, unter Clemens X., auf S2 Millionen Scudi ange¬ wachsen, betrug (1766) als Pius VI. päpstlicher Finanzminister wurde 61. und im Jahre 178» schon 87 Millionen Scudi! I-'Al'wi, I.o Ltato »orosno c1s.II. s,. 1815 all' a. 1850 I, 142 (1'orino 1850). (LoureoiiiAl, NLmoirW nistor. ot MIos. sur ?is VI et sou ?orrtige»t. I, 166 (2 satt. ?»ri» 1800).

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/390
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/390>, abgerufen am 22.07.2024.