Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.beobachten und vernahm auf dem Rückweg kaum L0 Schritt vom Schiffe "Ungeachtet wir aus unsern Schlittenreisen Nachts zuweilen im Zelte von beobachten und vernahm auf dem Rückweg kaum L0 Schritt vom Schiffe „Ungeachtet wir aus unsern Schlittenreisen Nachts zuweilen im Zelte von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132044"/> <p xml:id="ID_1262" prev="#ID_1261"> beobachten und vernahm auf dem Rückweg kaum L0 Schritt vom Schiffe<lb/> ein Geräusch links neben sich. Er gewahrte einen auf sich eindringenden Bären.<lb/> Es blieb keine Zeit zum Besinnen, um die Flinte zu gebrauchen. Der An¬<lb/> griff geschah so plötzlich und rasch, daß er nicht zu sagen wußte, ob sich der<lb/> Bär aufgerichtet und ihn mit den Tatzen zu Boden geschlagen oder ihn um¬<lb/> gerannt habe. Das Nächste was er fühlte, war das Eindringen des Gebisses<lb/> in die Kopfhaut, die nur mit einer dünnen Tuchkapuze bedeckt war; der<lb/> Bär wollte offenbar den Schädel des Doctors zertrümmern, wie er das bei<lb/> seinen Angriffen auf Seehunde gewöhnt ist; vom Schädel des Menschen glitten<lb/> jedoch (vielleicht weil das Thier noch nicht völlig ausgewachsen war) die Zähne<lb/> knirschend ab. Ein Hülferuf des Opfers verscheuchte das Thier einen Augen¬<lb/> blick, doch kehrte es sofort zurück und biß Borgen noch mehrmals in> den<lb/> Kopf. Inzwischen allarmirten die Hülferufe die Schiffsbesatzung. Ein von<lb/> dieser abgefeuerter Schreckschuß erreichte einen Augenblick seinen Zweck, doch<lb/> packte der Bär gleich wieder den Arm, dann die rechte Hand des Opfers (die glück¬<lb/> licherweise in Pelzhandschuhen steckte), um den Unglücklichen weiter zu zerren-<lb/> Ueber den rauhesten Eisboden wurde der Doctor an 300 Schritt fortgeschleppt<lb/> und durch den Shawl, den der Bär mit gefaßt hatte, halb erdrosselt. Hier<lb/> belehrte endlich ein in nächster Nähe abgefeuerter Schuß das Raubthier, daß<lb/> es die höchste Zeit sei, sich davon zu machen. Dr. Bürgen bestand nach<lb/> seiner Rettung darauf, in Eilschritt, bei 20 Grad Kälte an Bord zurückzu¬<lb/> kaufen. Er hatte während der Bisse keinen Schmerz gefühlt. Seine Kopf¬<lb/> haut war tief und an verschiedenen Stellen aufgerissen und noch andere<lb/> Stellen bedeutend verletzt. Gleichwohl heilten ihm alle Wunden rasch und<lb/> glücklich. Freilich hat ihn der Bär gründlich gezeichnet. — öl-. Copeland<lb/> berichtet über den Eisbären weiter:</p><lb/> <p xml:id="ID_1263" next="#ID_1264"> „Ungeachtet wir aus unsern Schlittenreisen Nachts zuweilen im Zelte von<lb/> Bären überrascht wurden, unterließen wir es doch einen besonderen Wach"<lb/> dienst einzuführen, hauptsächlich deshalb, weil von einem eigentlichen Schlaf<lb/> nie die Rede sein konnte und sich uns ein größeres Thier nie völlig geräusch¬<lb/> los zu nähern vermochte. Die eine Seite des Zeltes schützten wir durch den<lb/> Schlitten, die andere am Eingange durch die Bereitschaft zweier geladener<lb/> Gewehre. Außerdem besaßen wir Revolver im Zelte. Wir waren so nur<lb/> noch der Möglichkeit ausgesetzt, von einem Bären an den Füßen oder höchstens<lb/> am Kopfe gebissen zu werden. Gegen diese Gefahr schützt jedoch die Bedach'<lb/> tigkeit der Bären; denn ein Zelt ist ihm ein völlig unerklärbarer, sein Mi߬<lb/> trauen, wie seine Neugierde gleich erregender Gegenstand. Kane's Begleiter,<lb/> welche einst durch das Brummen eines den Kopf zum Zeltschlitz hereinstecken¬<lb/> den Bären aus dem Schlafe aufgeschreckt wurden, halfen sich mit der Geistes¬<lb/> gegenwart dadurch, daß sie demselben eine rasch angezündete Schachtel Schwe-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0350]
beobachten und vernahm auf dem Rückweg kaum L0 Schritt vom Schiffe
ein Geräusch links neben sich. Er gewahrte einen auf sich eindringenden Bären.
Es blieb keine Zeit zum Besinnen, um die Flinte zu gebrauchen. Der An¬
griff geschah so plötzlich und rasch, daß er nicht zu sagen wußte, ob sich der
Bär aufgerichtet und ihn mit den Tatzen zu Boden geschlagen oder ihn um¬
gerannt habe. Das Nächste was er fühlte, war das Eindringen des Gebisses
in die Kopfhaut, die nur mit einer dünnen Tuchkapuze bedeckt war; der
Bär wollte offenbar den Schädel des Doctors zertrümmern, wie er das bei
seinen Angriffen auf Seehunde gewöhnt ist; vom Schädel des Menschen glitten
jedoch (vielleicht weil das Thier noch nicht völlig ausgewachsen war) die Zähne
knirschend ab. Ein Hülferuf des Opfers verscheuchte das Thier einen Augen¬
blick, doch kehrte es sofort zurück und biß Borgen noch mehrmals in> den
Kopf. Inzwischen allarmirten die Hülferufe die Schiffsbesatzung. Ein von
dieser abgefeuerter Schreckschuß erreichte einen Augenblick seinen Zweck, doch
packte der Bär gleich wieder den Arm, dann die rechte Hand des Opfers (die glück¬
licherweise in Pelzhandschuhen steckte), um den Unglücklichen weiter zu zerren-
Ueber den rauhesten Eisboden wurde der Doctor an 300 Schritt fortgeschleppt
und durch den Shawl, den der Bär mit gefaßt hatte, halb erdrosselt. Hier
belehrte endlich ein in nächster Nähe abgefeuerter Schuß das Raubthier, daß
es die höchste Zeit sei, sich davon zu machen. Dr. Bürgen bestand nach
seiner Rettung darauf, in Eilschritt, bei 20 Grad Kälte an Bord zurückzu¬
kaufen. Er hatte während der Bisse keinen Schmerz gefühlt. Seine Kopf¬
haut war tief und an verschiedenen Stellen aufgerissen und noch andere
Stellen bedeutend verletzt. Gleichwohl heilten ihm alle Wunden rasch und
glücklich. Freilich hat ihn der Bär gründlich gezeichnet. — öl-. Copeland
berichtet über den Eisbären weiter:
„Ungeachtet wir aus unsern Schlittenreisen Nachts zuweilen im Zelte von
Bären überrascht wurden, unterließen wir es doch einen besonderen Wach"
dienst einzuführen, hauptsächlich deshalb, weil von einem eigentlichen Schlaf
nie die Rede sein konnte und sich uns ein größeres Thier nie völlig geräusch¬
los zu nähern vermochte. Die eine Seite des Zeltes schützten wir durch den
Schlitten, die andere am Eingange durch die Bereitschaft zweier geladener
Gewehre. Außerdem besaßen wir Revolver im Zelte. Wir waren so nur
noch der Möglichkeit ausgesetzt, von einem Bären an den Füßen oder höchstens
am Kopfe gebissen zu werden. Gegen diese Gefahr schützt jedoch die Bedach'
tigkeit der Bären; denn ein Zelt ist ihm ein völlig unerklärbarer, sein Mi߬
trauen, wie seine Neugierde gleich erregender Gegenstand. Kane's Begleiter,
welche einst durch das Brummen eines den Kopf zum Zeltschlitz hereinstecken¬
den Bären aus dem Schlafe aufgeschreckt wurden, halfen sich mit der Geistes¬
gegenwart dadurch, daß sie demselben eine rasch angezündete Schachtel Schwe-
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