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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Aber sie waren bei den Germaniamännern immer von kurzer Dauer und nun
sollte ja auch diese Nacht zu Ende sein, die Sonne wieder erscheinen. Gegen
Ende Januar schon färbte sich immer um die Mittagsstunde der Südhimmel
prachtvoll. Da wo die Sonne erscheinen sollte, lag eine fast blendende Gluth
ausgebreitet. Die Farben, welche den Erdschatten im Norden umgrenzten,
waren wahrhaft herrlich, rein prismatisch. Die Schneewände, die den Horizont
begrenzten,'erhielten die wunderbarste, zartgrüne Färbung. Für Alle waren
diese Stunden unvergeßlich. Seit dem 30. Januar gingen die Astronomen
^glich auf den Hasenberg, um sich zu überzeugen, ob ihre Berechnungen zu
träfen. Und sie trafen zu. Als endlich der dritte Februar erschienen war,
standen Alle schon lange vor Mittag auf dem Ausguck. Dr. Borgen be¬
obachtete bei der Sternwarte, Dr. Copeland und Kavt. Koldewey waren auf
°en Germaniaberg gestiegen. Alles war in feierlichster Stimmung. In Ge¬
danken durchflogen sie nochmals die drei sonnenleeren Monate und wandten
°as Auge aus der noch schattenlosen Gegend immer und immer wieder gen
Süden, wo es Heller und Heller wurde. "Die Mittagsstunde nahte heran.
Erwartungsvoll und neugierig erschienen von Zeit zu Zeit die Leute an der
treppe und sahen sich nach der Sonne um, ja einzelne stiegen in den Top,
"in das Vergnügen etwas früher zu haben. Aufmerksam schaute man
^ngsum, denn nichts durfte einem in so wichtigem Augenblicke entgehen,
^ut immer heller wirds am südlichen Horizont und geblendet fast schon
sendet sich das Auge ab -- da bleibt der Blick haften im Südwesten und
"se zweifelnd und fragend, dann aber aufjubelnd in freudiger Sicherheit rufen
^r einander zu: "Da ist sie! Der Sattelberg liegt schon im Sonnenschein!"
^ut in der That, in mattem, röthlichem, aber unverkennbar deutlichem Sonnen-
^de erglänzte diese Höhe vor den übrigen noch tief beschatteten Bergen,
^wmer entschiedener wird dieses Licht jetzt und in kurzer Zeit wiederholt sich
^selbe schöne phänomenade Schauspiel an dem nahen Hasenberge und den
""vern bedeutender" Erhebungen der Insel. Und von ihnen steigt es hinab
^ zur Ebene, und wie wir uns jetzt umsehen, da leuchtet es uns in vollem
^anze entgegen, das wiederauferstandene Gestirn des Tages. In tiefstem
^"zen bewegt dachten wir uns an der Sonne so recht satt sehen zu wollen,
^in die so lange entbehrte Lichtfülle war viel zu blendend, um vom Auge
^"gen zu werden. Es bedürfte schützender Blendgläser, um zu erkennen,
^ sich die Sonnenscheibe noch nicht vollständig über den Horizont erhoben
^e. Dennoch aber war ihr Einfluß stark genug, um uns, als wir ihr jetzt
^der den Rücken wandten, die ganze Insel und das nahe Festland in voll-
°wen.euer Tagesbeleuchtung zu zeigen. Das war ein erfreulicher, ein herr-
'^r Anblick! Belebend schienen gleich die ersten Strahlen auf uns zu
"ken und belebend wirkten sie jedenfalls auf die Landschaft. Denn während


Aber sie waren bei den Germaniamännern immer von kurzer Dauer und nun
sollte ja auch diese Nacht zu Ende sein, die Sonne wieder erscheinen. Gegen
Ende Januar schon färbte sich immer um die Mittagsstunde der Südhimmel
prachtvoll. Da wo die Sonne erscheinen sollte, lag eine fast blendende Gluth
ausgebreitet. Die Farben, welche den Erdschatten im Norden umgrenzten,
waren wahrhaft herrlich, rein prismatisch. Die Schneewände, die den Horizont
begrenzten,'erhielten die wunderbarste, zartgrüne Färbung. Für Alle waren
diese Stunden unvergeßlich. Seit dem 30. Januar gingen die Astronomen
^glich auf den Hasenberg, um sich zu überzeugen, ob ihre Berechnungen zu
träfen. Und sie trafen zu. Als endlich der dritte Februar erschienen war,
standen Alle schon lange vor Mittag auf dem Ausguck. Dr. Borgen be¬
obachtete bei der Sternwarte, Dr. Copeland und Kavt. Koldewey waren auf
°en Germaniaberg gestiegen. Alles war in feierlichster Stimmung. In Ge¬
danken durchflogen sie nochmals die drei sonnenleeren Monate und wandten
°as Auge aus der noch schattenlosen Gegend immer und immer wieder gen
Süden, wo es Heller und Heller wurde. „Die Mittagsstunde nahte heran.
Erwartungsvoll und neugierig erschienen von Zeit zu Zeit die Leute an der
treppe und sahen sich nach der Sonne um, ja einzelne stiegen in den Top,
"in das Vergnügen etwas früher zu haben. Aufmerksam schaute man
^ngsum, denn nichts durfte einem in so wichtigem Augenblicke entgehen,
^ut immer heller wirds am südlichen Horizont und geblendet fast schon
sendet sich das Auge ab — da bleibt der Blick haften im Südwesten und
"se zweifelnd und fragend, dann aber aufjubelnd in freudiger Sicherheit rufen
^r einander zu: „Da ist sie! Der Sattelberg liegt schon im Sonnenschein!"
^ut in der That, in mattem, röthlichem, aber unverkennbar deutlichem Sonnen-
^de erglänzte diese Höhe vor den übrigen noch tief beschatteten Bergen,
^wmer entschiedener wird dieses Licht jetzt und in kurzer Zeit wiederholt sich
^selbe schöne phänomenade Schauspiel an dem nahen Hasenberge und den
""vern bedeutender« Erhebungen der Insel. Und von ihnen steigt es hinab
^ zur Ebene, und wie wir uns jetzt umsehen, da leuchtet es uns in vollem
^anze entgegen, das wiederauferstandene Gestirn des Tages. In tiefstem
^"zen bewegt dachten wir uns an der Sonne so recht satt sehen zu wollen,
^in die so lange entbehrte Lichtfülle war viel zu blendend, um vom Auge
^«gen zu werden. Es bedürfte schützender Blendgläser, um zu erkennen,
^ sich die Sonnenscheibe noch nicht vollständig über den Horizont erhoben
^e. Dennoch aber war ihr Einfluß stark genug, um uns, als wir ihr jetzt
^der den Rücken wandten, die ganze Insel und das nahe Festland in voll-
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[0319] Aber sie waren bei den Germaniamännern immer von kurzer Dauer und nun sollte ja auch diese Nacht zu Ende sein, die Sonne wieder erscheinen. Gegen Ende Januar schon färbte sich immer um die Mittagsstunde der Südhimmel prachtvoll. Da wo die Sonne erscheinen sollte, lag eine fast blendende Gluth ausgebreitet. Die Farben, welche den Erdschatten im Norden umgrenzten, waren wahrhaft herrlich, rein prismatisch. Die Schneewände, die den Horizont begrenzten,'erhielten die wunderbarste, zartgrüne Färbung. Für Alle waren diese Stunden unvergeßlich. Seit dem 30. Januar gingen die Astronomen ^glich auf den Hasenberg, um sich zu überzeugen, ob ihre Berechnungen zu träfen. Und sie trafen zu. Als endlich der dritte Februar erschienen war, standen Alle schon lange vor Mittag auf dem Ausguck. Dr. Borgen be¬ obachtete bei der Sternwarte, Dr. Copeland und Kavt. Koldewey waren auf °en Germaniaberg gestiegen. Alles war in feierlichster Stimmung. In Ge¬ danken durchflogen sie nochmals die drei sonnenleeren Monate und wandten °as Auge aus der noch schattenlosen Gegend immer und immer wieder gen Süden, wo es Heller und Heller wurde. „Die Mittagsstunde nahte heran. Erwartungsvoll und neugierig erschienen von Zeit zu Zeit die Leute an der treppe und sahen sich nach der Sonne um, ja einzelne stiegen in den Top, "in das Vergnügen etwas früher zu haben. Aufmerksam schaute man ^ngsum, denn nichts durfte einem in so wichtigem Augenblicke entgehen, ^ut immer heller wirds am südlichen Horizont und geblendet fast schon sendet sich das Auge ab — da bleibt der Blick haften im Südwesten und "se zweifelnd und fragend, dann aber aufjubelnd in freudiger Sicherheit rufen ^r einander zu: „Da ist sie! Der Sattelberg liegt schon im Sonnenschein!" ^ut in der That, in mattem, röthlichem, aber unverkennbar deutlichem Sonnen- ^de erglänzte diese Höhe vor den übrigen noch tief beschatteten Bergen, ^wmer entschiedener wird dieses Licht jetzt und in kurzer Zeit wiederholt sich ^selbe schöne phänomenade Schauspiel an dem nahen Hasenberge und den ""vern bedeutender« Erhebungen der Insel. Und von ihnen steigt es hinab ^ zur Ebene, und wie wir uns jetzt umsehen, da leuchtet es uns in vollem ^anze entgegen, das wiederauferstandene Gestirn des Tages. In tiefstem ^"zen bewegt dachten wir uns an der Sonne so recht satt sehen zu wollen, ^in die so lange entbehrte Lichtfülle war viel zu blendend, um vom Auge ^«gen zu werden. Es bedürfte schützender Blendgläser, um zu erkennen, ^ sich die Sonnenscheibe noch nicht vollständig über den Horizont erhoben ^e. Dennoch aber war ihr Einfluß stark genug, um uns, als wir ihr jetzt ^der den Rücken wandten, die ganze Insel und das nahe Festland in voll- °wen.euer Tagesbeleuchtung zu zeigen. Das war ein erfreulicher, ein herr- '^r Anblick! Belebend schienen gleich die ersten Strahlen auf uns zu "ken und belebend wirkten sie jedenfalls auf die Landschaft. Denn während

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/319>, abgerufen am 22.07.2024.