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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Verewigung des Mannigfaltigen zu finden, bleibt immer ein Geheimniß, weil
die Individualität eines Jeden darin besonders zu Rathe gehen muß und
niemanden anhören darf.

lDen 21. Juli. War ich still in mir mancherlei Gedanken.) Plane,
Eintheilung der Zeit auf die nächste Woche; mit Battys Relationen beschäf¬
tigt. IMollte Sonntags den 25. auf Bürgel), in der Nacht war ein gewaltsam
Feuer zu Apolda, ich früh' da ich es erst erfuhr hin und ward den ganzen
Tag gebraten und gesotten. Der Herzog war auswärts in Beutelchen und
Erfurt. Verbrannten nun auch meine Plane, Gedanken, Eintheilung der Zeit
zum Theil mit. So geht das Leben durch bis ans Ende, so Werdens andere
nach uns leben. Ich danke nur Gott, daß ich in Feuer und Wasser den
Kopf oben habe, doch erwart' ich sittsam noch starke Prüfungen, vielleicht
binnen vier Wochen.*)

Das Elend wird mir nach und nach so prosaisch wie ein Kamin Feuer.
Aber ich lasse doch nicht ab von meinem Gedanken und ringe, mit dem un¬
erkannten Engel, sollt' ich mir die Hüfte ausrenken. Es weiß kein Mensch,
was ich thue und mit wie viel Feinden ich kämpfe, um das Wenige hervor¬
zubringen. Bei meinem Streben und Streiten und Bemühen bitt ich Euch
nicht zu lachen, zuschauende Götter. Allenfalls lächeln mögt ihr und mir
beystehen.

sDen 26. Juli ließ ich mich versprochener Maßen) von Mayer malen
und bat Wielanden mir dabei seinen Oberon zu lesen, er thats zur Hälfte.
Es ist ein schätzbares Werk für Kinder und Kenner, so was macht ihm
niemand nach. Es ist große Kunst in dem Ganzen, so weit ich's gehört habe
und im Einzelnen. Es setzt eine unsägliche Uebung voraus und ist mit einem
großen Dichterverstand, Wahrheit der Charactere, der Empfindungen, der
Beschreibungen, der Folge der Dinge und (Lüge)**) der Formen, Begeben¬
heiten, Mährchen, Frazzen und Plattheiten zusammengewoben, daß es an ihm
nicht liegt, wenn es nicht unterhält und vergnügt. Nur wehe dem Stück,
Wenns einer außer Laune und Lage oder einer, der für dies Wesen taub ist,
hört, so einer, der frag 5, <moi bon?

Diese letzten Tage des Monats wurden mir viele Wünsche und Ahndungen
erfüllt.

sDen 29. Juli Unterredung mit dem Herzog über Fr.***)

sDen 30. Juli. Dessen Brief an Schmauß wegen Burgsdorf und
seine Entlassung. Auch dies hat nun das Schicksal schön eingeleitet, durch





") Hier ist Riemer um wenige Zeilen reicher.
") Lücke in unserer Abschrift,
v. Fritsch.

Verewigung des Mannigfaltigen zu finden, bleibt immer ein Geheimniß, weil
die Individualität eines Jeden darin besonders zu Rathe gehen muß und
niemanden anhören darf.

lDen 21. Juli. War ich still in mir mancherlei Gedanken.) Plane,
Eintheilung der Zeit auf die nächste Woche; mit Battys Relationen beschäf¬
tigt. IMollte Sonntags den 25. auf Bürgel), in der Nacht war ein gewaltsam
Feuer zu Apolda, ich früh' da ich es erst erfuhr hin und ward den ganzen
Tag gebraten und gesotten. Der Herzog war auswärts in Beutelchen und
Erfurt. Verbrannten nun auch meine Plane, Gedanken, Eintheilung der Zeit
zum Theil mit. So geht das Leben durch bis ans Ende, so Werdens andere
nach uns leben. Ich danke nur Gott, daß ich in Feuer und Wasser den
Kopf oben habe, doch erwart' ich sittsam noch starke Prüfungen, vielleicht
binnen vier Wochen.*)

Das Elend wird mir nach und nach so prosaisch wie ein Kamin Feuer.
Aber ich lasse doch nicht ab von meinem Gedanken und ringe, mit dem un¬
erkannten Engel, sollt' ich mir die Hüfte ausrenken. Es weiß kein Mensch,
was ich thue und mit wie viel Feinden ich kämpfe, um das Wenige hervor¬
zubringen. Bei meinem Streben und Streiten und Bemühen bitt ich Euch
nicht zu lachen, zuschauende Götter. Allenfalls lächeln mögt ihr und mir
beystehen.

sDen 26. Juli ließ ich mich versprochener Maßen) von Mayer malen
und bat Wielanden mir dabei seinen Oberon zu lesen, er thats zur Hälfte.
Es ist ein schätzbares Werk für Kinder und Kenner, so was macht ihm
niemand nach. Es ist große Kunst in dem Ganzen, so weit ich's gehört habe
und im Einzelnen. Es setzt eine unsägliche Uebung voraus und ist mit einem
großen Dichterverstand, Wahrheit der Charactere, der Empfindungen, der
Beschreibungen, der Folge der Dinge und (Lüge)**) der Formen, Begeben¬
heiten, Mährchen, Frazzen und Plattheiten zusammengewoben, daß es an ihm
nicht liegt, wenn es nicht unterhält und vergnügt. Nur wehe dem Stück,
Wenns einer außer Laune und Lage oder einer, der für dies Wesen taub ist,
hört, so einer, der frag 5, <moi bon?

Diese letzten Tage des Monats wurden mir viele Wünsche und Ahndungen
erfüllt.

sDen 29. Juli Unterredung mit dem Herzog über Fr.***)

sDen 30. Juli. Dessen Brief an Schmauß wegen Burgsdorf und
seine Entlassung. Auch dies hat nun das Schicksal schön eingeleitet, durch





") Hier ist Riemer um wenige Zeilen reicher.
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v. Fritsch.
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[0031] Verewigung des Mannigfaltigen zu finden, bleibt immer ein Geheimniß, weil die Individualität eines Jeden darin besonders zu Rathe gehen muß und niemanden anhören darf. lDen 21. Juli. War ich still in mir mancherlei Gedanken.) Plane, Eintheilung der Zeit auf die nächste Woche; mit Battys Relationen beschäf¬ tigt. IMollte Sonntags den 25. auf Bürgel), in der Nacht war ein gewaltsam Feuer zu Apolda, ich früh' da ich es erst erfuhr hin und ward den ganzen Tag gebraten und gesotten. Der Herzog war auswärts in Beutelchen und Erfurt. Verbrannten nun auch meine Plane, Gedanken, Eintheilung der Zeit zum Theil mit. So geht das Leben durch bis ans Ende, so Werdens andere nach uns leben. Ich danke nur Gott, daß ich in Feuer und Wasser den Kopf oben habe, doch erwart' ich sittsam noch starke Prüfungen, vielleicht binnen vier Wochen.*) Das Elend wird mir nach und nach so prosaisch wie ein Kamin Feuer. Aber ich lasse doch nicht ab von meinem Gedanken und ringe, mit dem un¬ erkannten Engel, sollt' ich mir die Hüfte ausrenken. Es weiß kein Mensch, was ich thue und mit wie viel Feinden ich kämpfe, um das Wenige hervor¬ zubringen. Bei meinem Streben und Streiten und Bemühen bitt ich Euch nicht zu lachen, zuschauende Götter. Allenfalls lächeln mögt ihr und mir beystehen. sDen 26. Juli ließ ich mich versprochener Maßen) von Mayer malen und bat Wielanden mir dabei seinen Oberon zu lesen, er thats zur Hälfte. Es ist ein schätzbares Werk für Kinder und Kenner, so was macht ihm niemand nach. Es ist große Kunst in dem Ganzen, so weit ich's gehört habe und im Einzelnen. Es setzt eine unsägliche Uebung voraus und ist mit einem großen Dichterverstand, Wahrheit der Charactere, der Empfindungen, der Beschreibungen, der Folge der Dinge und (Lüge)**) der Formen, Begeben¬ heiten, Mährchen, Frazzen und Plattheiten zusammengewoben, daß es an ihm nicht liegt, wenn es nicht unterhält und vergnügt. Nur wehe dem Stück, Wenns einer außer Laune und Lage oder einer, der für dies Wesen taub ist, hört, so einer, der frag 5, <moi bon? Diese letzten Tage des Monats wurden mir viele Wünsche und Ahndungen erfüllt. sDen 29. Juli Unterredung mit dem Herzog über Fr.***) sDen 30. Juli. Dessen Brief an Schmauß wegen Burgsdorf und seine Entlassung. Auch dies hat nun das Schicksal schön eingeleitet, durch ") Hier ist Riemer um wenige Zeilen reicher. ") Lücke in unserer Abschrift, v. Fritsch.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/31>, abgerufen am 22.07.2024.