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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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lDen 11. Juli. Dem Herzog macht es Vergnügen die Rolle des Py-
lades zu lernen/) Er nimmt sich außerordentlich zusammen und an innerer
Kraft, Fassung, Ausdehnung. Begriff, Resolution fast täglich zu.)

Den 12. Juli. Iphigenie in Ettersburg gespielt.

Den 13. Juli ging Merck früh fort. Gute Wirkung seiner Gegenwart
auf mich.

Sie hat mir nichts verschoben, nur wenige dürre Schalen abgestreift und
in allem Guten mich befestigt, durch Erinnerungen des Vergangenen und in
seiner Vorstellungsart mir meine Handlungen in einem wunderbaren Spiegel
gezeigt. Da es der einzige Mensch ist, der ganz erkennt, was ich thue und
wie ichs thue und es doch wieder anders sieht, wie ich, von anderm Stand¬
ort, so giebt das schöne Gewißheit. Auch denk' ich. sey mein Stand mit
Corona fester und besser.

Aber auch außer dem Herzog ist Niemand im Werden, die andern sind
alle fertig, wie Drechselpuppen, wo höchstens noch der Anstrich fehlt.

Den 14. Juli. Abendessen und gute Unterredung mit Batty über
seine letzte Excursion. Wilts Gott, daß mir Acker und Wiese noch werden
und ich für diesen simplesten Erwerb der Menschen Sinn kriege.

Gedanken über den Instinkt zu irgend einer Sache. Jedes Werk, was
der Mensch treibt, hat, möcht' ich sagen einen Geruch. Wie im groben Sinn
der Reiter nach Pferden riecht, der Buchladen nach leichtem Moder und um
den Jäger nach Hunden, so ist's auch im Feinerem. Die Materie, woraus
einer formt, die Werkzeuge die einer braucht, die Glieder, die er dazu an¬
strengt, das alles giebt eine gewisse Häuslichkeit und Ehstand dem Künstler
mit seinem Instrument. Diese Nähe zu allen Saiten der Harfe, die Gewi߬
heit und Sicherheit, womit er sie rührt, mag den Meister anzeigen in jeder
Art. Er geht wenn er bemerken soll grad auf das los, wie Batty auf einem
Landgut, er träumt nicht, wie unser einer, ehemals um bildende Kunst. Wenn
er handeln soll, greift er gerade das an was erst nöthig ist. Gar schön ist
der Feldbau, weil alles so rein antwortet, wenn ich was dumm oder was
gut mache und Glück und Unglück die primas vias der Menschheit trifft.
Aber ich spüre zum Voraus, es ist auch nicht für mich. Ich darf nicht von
dem mir vorgeschriebenen Weg abgehn. mein Dasein ist nun einmal nicht
einfach, nur wünsche ich, daß nach und nach alles anmaßliche versiegen, mir
aber schöne Kraft übrig bleibe, die wahren Röhren nebeneinander in gleicher
Höhe aufzuplumpen. Man beneidet jeden Menschen, den man auf seine
Töpferscheibe gebannt sieht, wenn vor einem unter seinen Händen bald ein
Krug, bald eine Schaale nach seinem Willen hervorkommt. Den Punkt der



Meine Abhandlung in den Arenjboten 1873. Hi, 13. Also hat Schöll Recht.

lDen 11. Juli. Dem Herzog macht es Vergnügen die Rolle des Py-
lades zu lernen/) Er nimmt sich außerordentlich zusammen und an innerer
Kraft, Fassung, Ausdehnung. Begriff, Resolution fast täglich zu.)

Den 12. Juli. Iphigenie in Ettersburg gespielt.

Den 13. Juli ging Merck früh fort. Gute Wirkung seiner Gegenwart
auf mich.

Sie hat mir nichts verschoben, nur wenige dürre Schalen abgestreift und
in allem Guten mich befestigt, durch Erinnerungen des Vergangenen und in
seiner Vorstellungsart mir meine Handlungen in einem wunderbaren Spiegel
gezeigt. Da es der einzige Mensch ist, der ganz erkennt, was ich thue und
wie ichs thue und es doch wieder anders sieht, wie ich, von anderm Stand¬
ort, so giebt das schöne Gewißheit. Auch denk' ich. sey mein Stand mit
Corona fester und besser.

Aber auch außer dem Herzog ist Niemand im Werden, die andern sind
alle fertig, wie Drechselpuppen, wo höchstens noch der Anstrich fehlt.

Den 14. Juli. Abendessen und gute Unterredung mit Batty über
seine letzte Excursion. Wilts Gott, daß mir Acker und Wiese noch werden
und ich für diesen simplesten Erwerb der Menschen Sinn kriege.

Gedanken über den Instinkt zu irgend einer Sache. Jedes Werk, was
der Mensch treibt, hat, möcht' ich sagen einen Geruch. Wie im groben Sinn
der Reiter nach Pferden riecht, der Buchladen nach leichtem Moder und um
den Jäger nach Hunden, so ist's auch im Feinerem. Die Materie, woraus
einer formt, die Werkzeuge die einer braucht, die Glieder, die er dazu an¬
strengt, das alles giebt eine gewisse Häuslichkeit und Ehstand dem Künstler
mit seinem Instrument. Diese Nähe zu allen Saiten der Harfe, die Gewi߬
heit und Sicherheit, womit er sie rührt, mag den Meister anzeigen in jeder
Art. Er geht wenn er bemerken soll grad auf das los, wie Batty auf einem
Landgut, er träumt nicht, wie unser einer, ehemals um bildende Kunst. Wenn
er handeln soll, greift er gerade das an was erst nöthig ist. Gar schön ist
der Feldbau, weil alles so rein antwortet, wenn ich was dumm oder was
gut mache und Glück und Unglück die primas vias der Menschheit trifft.
Aber ich spüre zum Voraus, es ist auch nicht für mich. Ich darf nicht von
dem mir vorgeschriebenen Weg abgehn. mein Dasein ist nun einmal nicht
einfach, nur wünsche ich, daß nach und nach alles anmaßliche versiegen, mir
aber schöne Kraft übrig bleibe, die wahren Röhren nebeneinander in gleicher
Höhe aufzuplumpen. Man beneidet jeden Menschen, den man auf seine
Töpferscheibe gebannt sieht, wenn vor einem unter seinen Händen bald ein
Krug, bald eine Schaale nach seinem Willen hervorkommt. Den Punkt der



Meine Abhandlung in den Arenjboten 1873. Hi, 13. Also hat Schöll Recht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/30>, abgerufen am 22.07.2024.