Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Landes zu tragen, finden sich eingehende Schilderungen über das Martyrium
der preußischen Geistlichen, die brutale Gewalt der Kirchengesetze u. s. w. Da
heißt es in der Nummer vom 16. Juli unter der Ueberschrtft eines Leitartikels
"Preußen": "Wie ungerecht ist doch die Welt, heißt es in dem alten
Stationenliede und kann auch hier so heißen, was die Einkerkerung unserer (!)
Bischöfe betrifft. Der Priester schmachten jetzt mehr als elf hun¬
dert im Kerker. Das sind Männer diese 1100 Priester, die ihre Studien
gemacht, u. s. w." Es wird ihnen nun ein Loblied gesungen und der Hunger
und Durst der armen Schafe geschildert, welche von ihnen geweidet wurden,
und die nun ohne Hirten sind. Dann folgt die Schilderung der Zelle, in
welcher "ein solcher armer Pfarrer schmachten muß." "Seine Zelle beträgt
15 Quadratfuß, drei Fuß Licht, und dieses Loch muß er noch mit anderen
Gefangenen theilen. In dieser engen Zelle müssen drei Betten Platz haben,
drei Stühle und ein Tischchen; -- zum Gehen kein Raum. Ebenso sind
sie jeder Zeitung beraubt. Der Priester, obwohl seit neun Wochen einge¬
sperrt, hat noch nie die heilige Messe lesen dürfen. Besuche nur wenig ge¬
stattet. Auf den Tag trifft es eine Stunde, wo der Arme im abgeschlossenen
Hof spazieren kann! Der Erzbischof von Posen darf keinen Altardiener haben,
wie es sein Stand (!) erfordert, während Bismark für seine Person den
ganzen Hof (!) und noch den König von Bayern in Anspruch genommen (!)
und zugleich die ganze preußische und deutsche Liberalität ihm dient und den
Pantoffel küßt." Schluß des Artikels ein geistvoller Vergleich zwischen Silvio
Pelileo in den Bletkammern von Venedig und den elfhundert "hartgehaltenen"
Priestern in Preußen.

Ueber "Bismarck" heißt es in der Nummer vom 19. Juli: "Bismarck
erkennt aber keine Volks- und Confessionsrechte, knechtet das Volk nach roher
Willkühr, und scheint sich gar nichts daraus zu machen, daß er von allen
freiheitlich gesinnten Männern als Mann der Gewalthättgkeit und
Tyrannei schon jetzt verurtheilt wird und noch viel mehr von einer
unparteiischen spätern Geschichte verurtheilt werden muß." Wer die jesuitische
Moral kennt, und weiß, daß dem Jesuiten erlaubt ist, den Mann zu tödten,
den der Orden für einen "Tyrannen" und einen Mann der Gewaltthätigkeit
erklärt, wird nicht begehren, daß wir ihm noch andere Stellen der "Botschaft"
entrer, in welchen mit derselben Deutlichkeit der Reichskanzler der Acht und
Rache der fanatisirten Jesuitenzöglinge denuncirt wird.

Die Väter dieser Gemeinheiten, dieser virtuosen Vermischung von Mol^
külen der Wahrheit mit einem Ocean von Lüge und Verläumdung sind der
vormalige Schullehrer schleuniger und der Dekan (!) Rohr zu Klingnau;
der letztere heißt im Munde des Volkes "der schwarz MZ.". Volkes Stimme,
Gottes Stimme!




Landes zu tragen, finden sich eingehende Schilderungen über das Martyrium
der preußischen Geistlichen, die brutale Gewalt der Kirchengesetze u. s. w. Da
heißt es in der Nummer vom 16. Juli unter der Ueberschrtft eines Leitartikels
„Preußen": „Wie ungerecht ist doch die Welt, heißt es in dem alten
Stationenliede und kann auch hier so heißen, was die Einkerkerung unserer (!)
Bischöfe betrifft. Der Priester schmachten jetzt mehr als elf hun¬
dert im Kerker. Das sind Männer diese 1100 Priester, die ihre Studien
gemacht, u. s. w." Es wird ihnen nun ein Loblied gesungen und der Hunger
und Durst der armen Schafe geschildert, welche von ihnen geweidet wurden,
und die nun ohne Hirten sind. Dann folgt die Schilderung der Zelle, in
welcher „ein solcher armer Pfarrer schmachten muß." „Seine Zelle beträgt
15 Quadratfuß, drei Fuß Licht, und dieses Loch muß er noch mit anderen
Gefangenen theilen. In dieser engen Zelle müssen drei Betten Platz haben,
drei Stühle und ein Tischchen; — zum Gehen kein Raum. Ebenso sind
sie jeder Zeitung beraubt. Der Priester, obwohl seit neun Wochen einge¬
sperrt, hat noch nie die heilige Messe lesen dürfen. Besuche nur wenig ge¬
stattet. Auf den Tag trifft es eine Stunde, wo der Arme im abgeschlossenen
Hof spazieren kann! Der Erzbischof von Posen darf keinen Altardiener haben,
wie es sein Stand (!) erfordert, während Bismark für seine Person den
ganzen Hof (!) und noch den König von Bayern in Anspruch genommen (!)
und zugleich die ganze preußische und deutsche Liberalität ihm dient und den
Pantoffel küßt." Schluß des Artikels ein geistvoller Vergleich zwischen Silvio
Pelileo in den Bletkammern von Venedig und den elfhundert „hartgehaltenen"
Priestern in Preußen.

Ueber „Bismarck" heißt es in der Nummer vom 19. Juli: „Bismarck
erkennt aber keine Volks- und Confessionsrechte, knechtet das Volk nach roher
Willkühr, und scheint sich gar nichts daraus zu machen, daß er von allen
freiheitlich gesinnten Männern als Mann der Gewalthättgkeit und
Tyrannei schon jetzt verurtheilt wird und noch viel mehr von einer
unparteiischen spätern Geschichte verurtheilt werden muß." Wer die jesuitische
Moral kennt, und weiß, daß dem Jesuiten erlaubt ist, den Mann zu tödten,
den der Orden für einen „Tyrannen" und einen Mann der Gewaltthätigkeit
erklärt, wird nicht begehren, daß wir ihm noch andere Stellen der „Botschaft"
entrer, in welchen mit derselben Deutlichkeit der Reichskanzler der Acht und
Rache der fanatisirten Jesuitenzöglinge denuncirt wird.

Die Väter dieser Gemeinheiten, dieser virtuosen Vermischung von Mol^
külen der Wahrheit mit einem Ocean von Lüge und Verläumdung sind der
vormalige Schullehrer schleuniger und der Dekan (!) Rohr zu Klingnau;
der letztere heißt im Munde des Volkes „der schwarz MZ.". Volkes Stimme,
Gottes Stimme!




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131918"/>
          <p xml:id="ID_806" prev="#ID_805"> Landes zu tragen, finden sich eingehende Schilderungen über das Martyrium<lb/>
der preußischen Geistlichen, die brutale Gewalt der Kirchengesetze u. s. w. Da<lb/>
heißt es in der Nummer vom 16. Juli unter der Ueberschrtft eines Leitartikels<lb/>
&#x201E;Preußen": &#x201E;Wie ungerecht ist doch die Welt, heißt es in dem alten<lb/>
Stationenliede und kann auch hier so heißen, was die Einkerkerung unserer (!)<lb/>
Bischöfe betrifft. Der Priester schmachten jetzt mehr als elf hun¬<lb/>
dert im Kerker. Das sind Männer diese 1100 Priester, die ihre Studien<lb/>
gemacht, u. s. w." Es wird ihnen nun ein Loblied gesungen und der Hunger<lb/>
und Durst der armen Schafe geschildert, welche von ihnen geweidet wurden,<lb/>
und die nun ohne Hirten sind. Dann folgt die Schilderung der Zelle, in<lb/>
welcher &#x201E;ein solcher armer Pfarrer schmachten muß." &#x201E;Seine Zelle beträgt<lb/>
15 Quadratfuß, drei Fuß Licht, und dieses Loch muß er noch mit anderen<lb/>
Gefangenen theilen. In dieser engen Zelle müssen drei Betten Platz haben,<lb/>
drei Stühle und ein Tischchen; &#x2014; zum Gehen kein Raum. Ebenso sind<lb/>
sie jeder Zeitung beraubt. Der Priester, obwohl seit neun Wochen einge¬<lb/>
sperrt, hat noch nie die heilige Messe lesen dürfen. Besuche nur wenig ge¬<lb/>
stattet. Auf den Tag trifft es eine Stunde, wo der Arme im abgeschlossenen<lb/>
Hof spazieren kann! Der Erzbischof von Posen darf keinen Altardiener haben,<lb/>
wie es sein Stand (!) erfordert, während Bismark für seine Person den<lb/>
ganzen Hof (!) und noch den König von Bayern in Anspruch genommen (!)<lb/>
und zugleich die ganze preußische und deutsche Liberalität ihm dient und den<lb/>
Pantoffel küßt." Schluß des Artikels ein geistvoller Vergleich zwischen Silvio<lb/>
Pelileo in den Bletkammern von Venedig und den elfhundert &#x201E;hartgehaltenen"<lb/>
Priestern in Preußen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_807"> Ueber &#x201E;Bismarck" heißt es in der Nummer vom 19. Juli: &#x201E;Bismarck<lb/>
erkennt aber keine Volks- und Confessionsrechte, knechtet das Volk nach roher<lb/>
Willkühr, und scheint sich gar nichts daraus zu machen, daß er von allen<lb/>
freiheitlich gesinnten Männern als Mann der Gewalthättgkeit und<lb/>
Tyrannei schon jetzt verurtheilt wird und noch viel mehr von einer<lb/>
unparteiischen spätern Geschichte verurtheilt werden muß." Wer die jesuitische<lb/>
Moral kennt, und weiß, daß dem Jesuiten erlaubt ist, den Mann zu tödten,<lb/>
den der Orden für einen &#x201E;Tyrannen" und einen Mann der Gewaltthätigkeit<lb/>
erklärt, wird nicht begehren, daß wir ihm noch andere Stellen der &#x201E;Botschaft"<lb/>
entrer, in welchen mit derselben Deutlichkeit der Reichskanzler der Acht und<lb/>
Rache der fanatisirten Jesuitenzöglinge denuncirt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_808"> Die Väter dieser Gemeinheiten, dieser virtuosen Vermischung von Mol^<lb/>
külen der Wahrheit mit einem Ocean von Lüge und Verläumdung sind der<lb/>
vormalige Schullehrer schleuniger und der Dekan (!) Rohr zu Klingnau;<lb/>
der letztere heißt im Munde des Volkes &#x201E;der schwarz MZ.". Volkes Stimme,<lb/>
Gottes Stimme!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0224] Landes zu tragen, finden sich eingehende Schilderungen über das Martyrium der preußischen Geistlichen, die brutale Gewalt der Kirchengesetze u. s. w. Da heißt es in der Nummer vom 16. Juli unter der Ueberschrtft eines Leitartikels „Preußen": „Wie ungerecht ist doch die Welt, heißt es in dem alten Stationenliede und kann auch hier so heißen, was die Einkerkerung unserer (!) Bischöfe betrifft. Der Priester schmachten jetzt mehr als elf hun¬ dert im Kerker. Das sind Männer diese 1100 Priester, die ihre Studien gemacht, u. s. w." Es wird ihnen nun ein Loblied gesungen und der Hunger und Durst der armen Schafe geschildert, welche von ihnen geweidet wurden, und die nun ohne Hirten sind. Dann folgt die Schilderung der Zelle, in welcher „ein solcher armer Pfarrer schmachten muß." „Seine Zelle beträgt 15 Quadratfuß, drei Fuß Licht, und dieses Loch muß er noch mit anderen Gefangenen theilen. In dieser engen Zelle müssen drei Betten Platz haben, drei Stühle und ein Tischchen; — zum Gehen kein Raum. Ebenso sind sie jeder Zeitung beraubt. Der Priester, obwohl seit neun Wochen einge¬ sperrt, hat noch nie die heilige Messe lesen dürfen. Besuche nur wenig ge¬ stattet. Auf den Tag trifft es eine Stunde, wo der Arme im abgeschlossenen Hof spazieren kann! Der Erzbischof von Posen darf keinen Altardiener haben, wie es sein Stand (!) erfordert, während Bismark für seine Person den ganzen Hof (!) und noch den König von Bayern in Anspruch genommen (!) und zugleich die ganze preußische und deutsche Liberalität ihm dient und den Pantoffel küßt." Schluß des Artikels ein geistvoller Vergleich zwischen Silvio Pelileo in den Bletkammern von Venedig und den elfhundert „hartgehaltenen" Priestern in Preußen. Ueber „Bismarck" heißt es in der Nummer vom 19. Juli: „Bismarck erkennt aber keine Volks- und Confessionsrechte, knechtet das Volk nach roher Willkühr, und scheint sich gar nichts daraus zu machen, daß er von allen freiheitlich gesinnten Männern als Mann der Gewalthättgkeit und Tyrannei schon jetzt verurtheilt wird und noch viel mehr von einer unparteiischen spätern Geschichte verurtheilt werden muß." Wer die jesuitische Moral kennt, und weiß, daß dem Jesuiten erlaubt ist, den Mann zu tödten, den der Orden für einen „Tyrannen" und einen Mann der Gewaltthätigkeit erklärt, wird nicht begehren, daß wir ihm noch andere Stellen der „Botschaft" entrer, in welchen mit derselben Deutlichkeit der Reichskanzler der Acht und Rache der fanatisirten Jesuitenzöglinge denuncirt wird. Die Väter dieser Gemeinheiten, dieser virtuosen Vermischung von Mol^ külen der Wahrheit mit einem Ocean von Lüge und Verläumdung sind der vormalige Schullehrer schleuniger und der Dekan (!) Rohr zu Klingnau; der letztere heißt im Munde des Volkes „der schwarz MZ.". Volkes Stimme, Gottes Stimme!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/224
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/224>, abgerufen am 22.07.2024.