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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Zieh daher als ein freier Held,
Zerhauen und zerschnitten
Nach adelichen Sitten.*)

Franz l. hoffte also, daß die in Pavia eingeschlossenen deutschen Knechte
gleicher Gesinnung sein würden. Allein man sollte sie anders kennen lernen.
Die beiden Obersten Zollern und Lodron, waren dem Hause Oesterreich
mannigfach und treu verpflichtet und auch die Hauptleute hatten sich schon
unter kaiserlichen Fahnen eingelebt. Ihre Namen verdienen wohl genannt
zu werden. Es waren Martin Pfaff, Graf Christoph von Lupfen, Michael
Alting, Eiteleck von Reischach, Heinrich von Castelalt, Conradi Glüres,
Michael Merkel und Caspar Schwelger -- man sieht, es ist eine Mischung
adliger und bürgerlicher Elemente in diesem Offiziercorps, wie sie ganz ähn¬
lich heutzutage stattfindet. Außer den 6000 Deutschen Landsknechten standen
dem Kommandanten von Pavia, Don Antonio de Leyva, noch 200 Lanzen
und 800 spanische Arcabuseros zur Verfügung. Das ghibelinische Papi"
wäre übrigens nicht geeignet gewesen, Gedanken an Verrath zu wecken. Denn
hier sah man selbst vornehme Damen, wie die Gräfin Hyvpolita von Malas¬
pina an der Schanzarbeit theilnehmen; auf eigene Kosten hatte der reichste
Stadtbürger, Matteo Beccaria, aus seinem Anhange ein Fähnlein gebildet,
und er gab wohl den Hauptleuten selbst dann noch, als man übrigens schon
Mangel spürte, ein prächtiges Gastmahl und spendirte auch den Gemeinen
so lange es anging nach besten Kräften weißes Brod und kühlen Wein.

Pavia, der uralte Sitz der Longobardenkönige, liegt am linken Ufer des
Tessin auf einem Hügelabhänge. Ein Nebenarm des Tessin, der Gravellone,
bildet hier eine Insel, welche die Vorstadt Se. Antonio trägt und der Süd-
seite der Stadt vorliegt. Diese war nach alter Weise durch Graben und
Mauern befestigt, auf denen in großer Zahl Thürme zur Ueberhöhung und
Seitenvertheidigung standen, oft nur 60--100 Schritt von einander entfernt.
Auf der Nordfront trat die Citadelle, das Schloß, mit vier mächtigen Eck--
thürmen aus der Stadtmauer vor und deckte das Thor, das in den angren¬
zenden Thiergarten führte. Dieser Park von Certosa hatte vier deutsche
Meilen im Umfange, war von einer starken Backsteinmauer umgeben und
stellte sich als ein höchst anmuthiges Gelände mit wechselnder Scenerie dar,
in dessen Mitte ein zierliches Jagdschloß, Mirabello, lag. Hier hatte sich der
Herzog v. Alencon, welcher die französische Vorhut befehligte, behaglich einge^
richtet; mit ihm viele Personen von Rang, die als Diplomaten oder Hofchargen
beim Heere weilten, und hier war auch der Markt des Lagers aufgeschlagen.
Das Hauptlager streckte südlich vom Park seine Zeltreihen aus, und um die



-) d. h. mit aufgeschlitztem Wämsern und Hosen.
Zieh daher als ein freier Held,
Zerhauen und zerschnitten
Nach adelichen Sitten.*)

Franz l. hoffte also, daß die in Pavia eingeschlossenen deutschen Knechte
gleicher Gesinnung sein würden. Allein man sollte sie anders kennen lernen.
Die beiden Obersten Zollern und Lodron, waren dem Hause Oesterreich
mannigfach und treu verpflichtet und auch die Hauptleute hatten sich schon
unter kaiserlichen Fahnen eingelebt. Ihre Namen verdienen wohl genannt
zu werden. Es waren Martin Pfaff, Graf Christoph von Lupfen, Michael
Alting, Eiteleck von Reischach, Heinrich von Castelalt, Conradi Glüres,
Michael Merkel und Caspar Schwelger — man sieht, es ist eine Mischung
adliger und bürgerlicher Elemente in diesem Offiziercorps, wie sie ganz ähn¬
lich heutzutage stattfindet. Außer den 6000 Deutschen Landsknechten standen
dem Kommandanten von Pavia, Don Antonio de Leyva, noch 200 Lanzen
und 800 spanische Arcabuseros zur Verfügung. Das ghibelinische Papi«
wäre übrigens nicht geeignet gewesen, Gedanken an Verrath zu wecken. Denn
hier sah man selbst vornehme Damen, wie die Gräfin Hyvpolita von Malas¬
pina an der Schanzarbeit theilnehmen; auf eigene Kosten hatte der reichste
Stadtbürger, Matteo Beccaria, aus seinem Anhange ein Fähnlein gebildet,
und er gab wohl den Hauptleuten selbst dann noch, als man übrigens schon
Mangel spürte, ein prächtiges Gastmahl und spendirte auch den Gemeinen
so lange es anging nach besten Kräften weißes Brod und kühlen Wein.

Pavia, der uralte Sitz der Longobardenkönige, liegt am linken Ufer des
Tessin auf einem Hügelabhänge. Ein Nebenarm des Tessin, der Gravellone,
bildet hier eine Insel, welche die Vorstadt Se. Antonio trägt und der Süd-
seite der Stadt vorliegt. Diese war nach alter Weise durch Graben und
Mauern befestigt, auf denen in großer Zahl Thürme zur Ueberhöhung und
Seitenvertheidigung standen, oft nur 60—100 Schritt von einander entfernt.
Auf der Nordfront trat die Citadelle, das Schloß, mit vier mächtigen Eck--
thürmen aus der Stadtmauer vor und deckte das Thor, das in den angren¬
zenden Thiergarten führte. Dieser Park von Certosa hatte vier deutsche
Meilen im Umfange, war von einer starken Backsteinmauer umgeben und
stellte sich als ein höchst anmuthiges Gelände mit wechselnder Scenerie dar,
in dessen Mitte ein zierliches Jagdschloß, Mirabello, lag. Hier hatte sich der
Herzog v. Alencon, welcher die französische Vorhut befehligte, behaglich einge^
richtet; mit ihm viele Personen von Rang, die als Diplomaten oder Hofchargen
beim Heere weilten, und hier war auch der Markt des Lagers aufgeschlagen.
Das Hauptlager streckte südlich vom Park seine Zeltreihen aus, und um die



-) d. h. mit aufgeschlitztem Wämsern und Hosen.
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[0022] Zieh daher als ein freier Held, Zerhauen und zerschnitten Nach adelichen Sitten.*) Franz l. hoffte also, daß die in Pavia eingeschlossenen deutschen Knechte gleicher Gesinnung sein würden. Allein man sollte sie anders kennen lernen. Die beiden Obersten Zollern und Lodron, waren dem Hause Oesterreich mannigfach und treu verpflichtet und auch die Hauptleute hatten sich schon unter kaiserlichen Fahnen eingelebt. Ihre Namen verdienen wohl genannt zu werden. Es waren Martin Pfaff, Graf Christoph von Lupfen, Michael Alting, Eiteleck von Reischach, Heinrich von Castelalt, Conradi Glüres, Michael Merkel und Caspar Schwelger — man sieht, es ist eine Mischung adliger und bürgerlicher Elemente in diesem Offiziercorps, wie sie ganz ähn¬ lich heutzutage stattfindet. Außer den 6000 Deutschen Landsknechten standen dem Kommandanten von Pavia, Don Antonio de Leyva, noch 200 Lanzen und 800 spanische Arcabuseros zur Verfügung. Das ghibelinische Papi« wäre übrigens nicht geeignet gewesen, Gedanken an Verrath zu wecken. Denn hier sah man selbst vornehme Damen, wie die Gräfin Hyvpolita von Malas¬ pina an der Schanzarbeit theilnehmen; auf eigene Kosten hatte der reichste Stadtbürger, Matteo Beccaria, aus seinem Anhange ein Fähnlein gebildet, und er gab wohl den Hauptleuten selbst dann noch, als man übrigens schon Mangel spürte, ein prächtiges Gastmahl und spendirte auch den Gemeinen so lange es anging nach besten Kräften weißes Brod und kühlen Wein. Pavia, der uralte Sitz der Longobardenkönige, liegt am linken Ufer des Tessin auf einem Hügelabhänge. Ein Nebenarm des Tessin, der Gravellone, bildet hier eine Insel, welche die Vorstadt Se. Antonio trägt und der Süd- seite der Stadt vorliegt. Diese war nach alter Weise durch Graben und Mauern befestigt, auf denen in großer Zahl Thürme zur Ueberhöhung und Seitenvertheidigung standen, oft nur 60—100 Schritt von einander entfernt. Auf der Nordfront trat die Citadelle, das Schloß, mit vier mächtigen Eck-- thürmen aus der Stadtmauer vor und deckte das Thor, das in den angren¬ zenden Thiergarten führte. Dieser Park von Certosa hatte vier deutsche Meilen im Umfange, war von einer starken Backsteinmauer umgeben und stellte sich als ein höchst anmuthiges Gelände mit wechselnder Scenerie dar, in dessen Mitte ein zierliches Jagdschloß, Mirabello, lag. Hier hatte sich der Herzog v. Alencon, welcher die französische Vorhut befehligte, behaglich einge^ richtet; mit ihm viele Personen von Rang, die als Diplomaten oder Hofchargen beim Heere weilten, und hier war auch der Markt des Lagers aufgeschlagen. Das Hauptlager streckte südlich vom Park seine Zeltreihen aus, und um die -) d. h. mit aufgeschlitztem Wämsern und Hosen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/22>, abgerufen am 24.08.2024.