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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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überstieg nun, zum Theil in Gewaltmärschen, die See-Alpen. Glücklich be¬
trat er bei Alb" das Tanarothal. Allerdings war die Einbuße des Heeres
bei den Schwierigkeit dieses Marsches sehr groß, sowohl durch Marode als
durch die Verluste in täglichen Scharmützeln mit dem Feinde oder beutegieri¬
gen Bergbewohnern; die Kavallerie war zu nicht geringem Theil ohne Pferde;
nicht Wenige auch des Fußvolks waren um ihre Waffen gekommen; aber
immerhin hatte man doch in der kurzen Frist von 25 Tagen den Weg von
Marseille bis in die lombardische Ebene zurück gelegt, und seit man sie er¬
reicht, hatte man auch wieder festen Boden unter den Füßen, stand man
wieder in Verbindung mit alten kaiserlichen Landen und durfte hoffen, die
Dinge zum Besten zu wenden.

Unterdeß zog König Franz mit seinem frischen, glänzenden und noch
sehr wesentlich verstärkten Heere von Brian<M über den Mont Genövre nach
Pinerolo und unaufhaltsam sofort in die lombardischen Ebenen. Ein Legat
des Papstes, der Cardinal von Capua, kam ihm entgegen und wollte durch
Friedensvorschläge seinen Marsch aufhalten; Franz aber wies ihn, was einer
Ablehnung gleichkam, nach Avignon, an die während der Abwesenheit des
Königs mit der Regentschaft betraute Louise von Savoyen.*) Er hoffte, der
kaiserlichen Armee noch zuvorzukommen, und in der That, als er Vercelli an
der Sesia erreicht hatte, stand Pescara mit der kaiserlichen Reiterei und dem
spanischen Fußvolk erst bei Alba am Tanaro und Bourbon mit den deutschen
Fußknechten noch einen Marsch weiter rückwärts bei Cherasco. Nun galt es,
den Kaiserlichen am Tessin zuvorzukommen; aber Pescara vereitelte dieses
Streben, indem er, wie berichtet wird, mit einem Theil der Infanterie an
einem einzigen Tage die 10 Meilen von Alba bis Voghera zurücklegte. Eine
mailändische Chronik versichert, beide Heere seien an demselben Tage über den
Tessin gegangen, die kaiserliche in der Nähe von Pavia, die französische bet
Abbiato-grasso.

In Pavia stieß der Vicekönig von Neapel, Launoy, mit der schweren
Reiterei, welche er ursprünglich dem Heere nach Frankreich hatte nachführen
sollen, zu den erschöpften Truppen Bourbon's und Pescara's. In einem
Kriegsrathe erwog man die Lage und erkannte einstimmig an, daß man zu
schwach sei, den Franzosen im Felde entgegenzutreten; wollte man aber die
sämmtlichen mailändischen Plätze mit hinreichenden Besatzungen versehen, so
hätte dies das ganze Heer absorbirt und man beschloß demnach, nur in
Pavia eine starke Garnison zu lassen, den Rest der Armee jedoch nach Mai¬
land zu führen. Die Citadelle von Novara wurde geschleift. -- Aber auch
die Vertheidigung von Mailand erwies sich als unausführbar. Denn der



?. v. vamel: Mstoirs Ah I-'rallLL. Vol. V. I'-ML 1722.

überstieg nun, zum Theil in Gewaltmärschen, die See-Alpen. Glücklich be¬
trat er bei Alb« das Tanarothal. Allerdings war die Einbuße des Heeres
bei den Schwierigkeit dieses Marsches sehr groß, sowohl durch Marode als
durch die Verluste in täglichen Scharmützeln mit dem Feinde oder beutegieri¬
gen Bergbewohnern; die Kavallerie war zu nicht geringem Theil ohne Pferde;
nicht Wenige auch des Fußvolks waren um ihre Waffen gekommen; aber
immerhin hatte man doch in der kurzen Frist von 25 Tagen den Weg von
Marseille bis in die lombardische Ebene zurück gelegt, und seit man sie er¬
reicht, hatte man auch wieder festen Boden unter den Füßen, stand man
wieder in Verbindung mit alten kaiserlichen Landen und durfte hoffen, die
Dinge zum Besten zu wenden.

Unterdeß zog König Franz mit seinem frischen, glänzenden und noch
sehr wesentlich verstärkten Heere von Brian<M über den Mont Genövre nach
Pinerolo und unaufhaltsam sofort in die lombardischen Ebenen. Ein Legat
des Papstes, der Cardinal von Capua, kam ihm entgegen und wollte durch
Friedensvorschläge seinen Marsch aufhalten; Franz aber wies ihn, was einer
Ablehnung gleichkam, nach Avignon, an die während der Abwesenheit des
Königs mit der Regentschaft betraute Louise von Savoyen.*) Er hoffte, der
kaiserlichen Armee noch zuvorzukommen, und in der That, als er Vercelli an
der Sesia erreicht hatte, stand Pescara mit der kaiserlichen Reiterei und dem
spanischen Fußvolk erst bei Alba am Tanaro und Bourbon mit den deutschen
Fußknechten noch einen Marsch weiter rückwärts bei Cherasco. Nun galt es,
den Kaiserlichen am Tessin zuvorzukommen; aber Pescara vereitelte dieses
Streben, indem er, wie berichtet wird, mit einem Theil der Infanterie an
einem einzigen Tage die 10 Meilen von Alba bis Voghera zurücklegte. Eine
mailändische Chronik versichert, beide Heere seien an demselben Tage über den
Tessin gegangen, die kaiserliche in der Nähe von Pavia, die französische bet
Abbiato-grasso.

In Pavia stieß der Vicekönig von Neapel, Launoy, mit der schweren
Reiterei, welche er ursprünglich dem Heere nach Frankreich hatte nachführen
sollen, zu den erschöpften Truppen Bourbon's und Pescara's. In einem
Kriegsrathe erwog man die Lage und erkannte einstimmig an, daß man zu
schwach sei, den Franzosen im Felde entgegenzutreten; wollte man aber die
sämmtlichen mailändischen Plätze mit hinreichenden Besatzungen versehen, so
hätte dies das ganze Heer absorbirt und man beschloß demnach, nur in
Pavia eine starke Garnison zu lassen, den Rest der Armee jedoch nach Mai¬
land zu führen. Die Citadelle von Novara wurde geschleift. — Aber auch
die Vertheidigung von Mailand erwies sich als unausführbar. Denn der



?. v. vamel: Mstoirs Ah I-'rallLL. Vol. V. I'-ML 1722.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/19>, abgerufen am 24.08.2024.