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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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ferntesten im Stande ist, seinen Bedarf an Brennmaterial aus der Nähe zu
decken, und darum von Jahr zu Jahr mehr dahin gedrängt wird, wohin wir
selbst in Halle zu kommen scheinen, nämlich nach Böhmen."

Da ist aber auch der Dünger. Was auf Baumaterialien und
Brenn se offe paßt, gilt auch von ihm. Die Landwirthschaft muß ihn
auf dem billigsten Wege beziehen, d. h. aus dem Wasserwege. Wie es ihr
ergeht, wenn sie dieses Weges beraubt ist, dafür bringt Karl Müller eben¬
falls ein Beispiel, das schwerlich vereinzelt dastehen wird. "In Halle hat es
unsere städtische Landwirthschaft, mit ihrem großartigen Rüben-, Cichorien-
und Getreidebau nicht schwer, Meisterstücke zu verrichten. Das ändert sich
aber schon in geringer Entfernung von unserer Stadt. Dort würden die
Landwirthe den Dünger, den wir hier vergeuden können oder um höchst
geringen Preis erlangen, herzlich gern entsprechend bezahlen, wenn er nur zu
haben wäre. Dazu bedürfte es aber einer Niederlage solchen Düngers an
einem Orte, von wo er zu Wasser auf das billigste verführt werden könnte."

Ein sehr wichtiger Rohstoff ist das Kochsalz. Es ist vorgekommen,
daß ein preußischer Minister es vortheilhaft fand, für unsere Provinzen an
der Ostsee das Salz aus England zu beziehen, statt es aus den unerschöpflichen
Salzbergwerken und Salinen des eignen Mittellandes dahin zu führen. Das
that der Minister, obschon das Salz Gegenstand eines Staatsmonopols war.
-- Klar ist nun sofort, daß alle Industrien, die auf das Kochsalz
angewiesen sind, nur an den Punkten gedeihen können, wo
das Salz zu Wasser bezogen werden kann. Daher kommt es, daß
noch immer die englische Sodasabrikation der deutschen überlegen ist: die letz¬
tere bezieht zu theures Rohmaterial. Wo die Verhältnisse günstiger liegen,
sehen wir sofort die deutsche Soda gedeihen: so rentirt sich z. B. eine Soda¬
fabrik in Trotha bei Halle außerordentlich, weil sie die Hallische Saline in
nächster Nähe hat, von der sie das Salz auf der Saale von der Saline bis
zur Fabrik zu beziehen vermag.

3. "In Zeiten anschwellender Transportmenge bilden die Wasserstraßen
ein erwünschtes Ausgangsthor." So unmittelbar nach Beendigung des
Krieges von 1870--71. Damals, als Handel und Industrie urplötzlich einen
so schnellkräftigen Aufschwung nahmen, als die Bahnen zuerst Wochen lang
vom Militär monopolisirt waren, und dann, freigegeben, den Transport der
aufgestauten, massenhaft zuströmenden Waaren nicht zu bewältigen vermochten,
als die Kohlen des Ruhrbeckens in hohen Haufen aufgestapelt vergebens der
Bahnzüge harrten, die sie den hart bedrängten Fabrikanten zuführen sollten:
was hätte damals ein Rhein-Weser-Elbe-Kanal für ausgezeichnete Dienste
geleistet!

4. Bei unserer Lobrede auf die Wasserstraßen haben wir bisher immer


ferntesten im Stande ist, seinen Bedarf an Brennmaterial aus der Nähe zu
decken, und darum von Jahr zu Jahr mehr dahin gedrängt wird, wohin wir
selbst in Halle zu kommen scheinen, nämlich nach Böhmen."

Da ist aber auch der Dünger. Was auf Baumaterialien und
Brenn se offe paßt, gilt auch von ihm. Die Landwirthschaft muß ihn
auf dem billigsten Wege beziehen, d. h. aus dem Wasserwege. Wie es ihr
ergeht, wenn sie dieses Weges beraubt ist, dafür bringt Karl Müller eben¬
falls ein Beispiel, das schwerlich vereinzelt dastehen wird. „In Halle hat es
unsere städtische Landwirthschaft, mit ihrem großartigen Rüben-, Cichorien-
und Getreidebau nicht schwer, Meisterstücke zu verrichten. Das ändert sich
aber schon in geringer Entfernung von unserer Stadt. Dort würden die
Landwirthe den Dünger, den wir hier vergeuden können oder um höchst
geringen Preis erlangen, herzlich gern entsprechend bezahlen, wenn er nur zu
haben wäre. Dazu bedürfte es aber einer Niederlage solchen Düngers an
einem Orte, von wo er zu Wasser auf das billigste verführt werden könnte."

Ein sehr wichtiger Rohstoff ist das Kochsalz. Es ist vorgekommen,
daß ein preußischer Minister es vortheilhaft fand, für unsere Provinzen an
der Ostsee das Salz aus England zu beziehen, statt es aus den unerschöpflichen
Salzbergwerken und Salinen des eignen Mittellandes dahin zu führen. Das
that der Minister, obschon das Salz Gegenstand eines Staatsmonopols war.
— Klar ist nun sofort, daß alle Industrien, die auf das Kochsalz
angewiesen sind, nur an den Punkten gedeihen können, wo
das Salz zu Wasser bezogen werden kann. Daher kommt es, daß
noch immer die englische Sodasabrikation der deutschen überlegen ist: die letz¬
tere bezieht zu theures Rohmaterial. Wo die Verhältnisse günstiger liegen,
sehen wir sofort die deutsche Soda gedeihen: so rentirt sich z. B. eine Soda¬
fabrik in Trotha bei Halle außerordentlich, weil sie die Hallische Saline in
nächster Nähe hat, von der sie das Salz auf der Saale von der Saline bis
zur Fabrik zu beziehen vermag.

3. „In Zeiten anschwellender Transportmenge bilden die Wasserstraßen
ein erwünschtes Ausgangsthor." So unmittelbar nach Beendigung des
Krieges von 1870—71. Damals, als Handel und Industrie urplötzlich einen
so schnellkräftigen Aufschwung nahmen, als die Bahnen zuerst Wochen lang
vom Militär monopolisirt waren, und dann, freigegeben, den Transport der
aufgestauten, massenhaft zuströmenden Waaren nicht zu bewältigen vermochten,
als die Kohlen des Ruhrbeckens in hohen Haufen aufgestapelt vergebens der
Bahnzüge harrten, die sie den hart bedrängten Fabrikanten zuführen sollten:
was hätte damals ein Rhein-Weser-Elbe-Kanal für ausgezeichnete Dienste
geleistet!

4. Bei unserer Lobrede auf die Wasserstraßen haben wir bisher immer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/174>, abgerufen am 01.07.2024.