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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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stillschweigend vorausgesetzt, daß sie vor allen Transportmitteln den Vorzug
der größeren Billigkeit besitzen. Geh.-Rath Meitzen, der Chef des Statistischen
Bureau im Deutschen Reich, geht so weit, ihnen diesen Vorzug, und damit
ein besseres Anrecht auf die Güter, welche vor Allem auf billigen Transport
sehen müssen, in alle Ewigkeit zuzusprechen. "Es ist", sagt er, "ein unum¬
stößliches Gesetz der Physik der Erde, daß für den Massentränsport kein
Hülfsmittel die Concurrenz mit dem Wasser aushalten kann...... Welche
bewegende Kraft auch durch welche Combination immer aufgefunden werden
sollte, jede wird, auf das Wasser angewendet, den Vortheil gewinnen, daß
ihr dasselbe durchschnittlich die halbe, oft die ganze Last abnimmt, und daß
zugleich die Verschiebbarkeit der Unterlage die Reibung bis auf ein Minimum
uafhebt. Vermag man also zugleich die Strömung zu beseitigen und, wie
dies die Kettenschleppschiffsahrt auf den Kanälen ermöglicht, einen festen
Anhaltspunkt für den Zug zu gewinnen, so läßt sich überall, wo nicht be¬
sondere Schnelligkeit, sondern nur Massenbewegung in Betracht kommt, eine
wirksamere, also auch eine billigere Einrichtung nicht denken." So speculativ
wollen wir nun die Frage nicht auffassen, so apodiktisch nicht urtheilen; wir
lassen es vielmehr dahingestellt, ob es dem menschlichen Geiste, welchem
in seiner Beherrschung der Natur auf die Dauer nur das Widersinnige un¬
möglich zu sein scheint, in Zukunft gelingen kann oder nicht, ein noch billigeres
Transportmittel als den Wasserweg ausfindig zu machen. Uns genügt es
zu zeigen, daß unter allen gegenwärtig bekannten Transportmitteln das
Wasser bei weitem das billigste ist.

Das ist leicht zu beweisen. Der Bau einer Meile Eisenbahn kostet durch¬
schnittlich V-z Million Thaler; ihr Unterhalt durchschnittlich 20.000 Thaler
im Jahr; dagegen giebt E. Meyer, in der oben angeführten Schrift, die
Baukosten der Kanalmeile im Durchschnitt auf 200.000 Thaler und die jähr¬
lichen Unterhaltungskosten auf 2000 -- 4000 Thaler an. Ferner sind die
Kähne viel billiger als die Eisenbahnwagen, weil das Verhältniß zwischen
Brutto und Tara für jene weit günstiger ist. Ein Beispiel wird dies deut¬
lich machen. Man kann 8000 Ctr. Güter recht wohl auf zwei Elbkähnen
verschiffen, die zusammen 2400 Ctr. wiegen. Dagegen bedarf man dazu
40 Eisenbahnwagen, deren todtes Gewicht, sammt Tender und Locomo-
tive, 9240 Ctr. beträgt. Die 40 Wagen mit der Lokomotive kosten ferner
40,000 Thlr., die Elbkähne 3000. Endlich nutzen sich die Schiffe, wegen der
weit geringeren Reibung, weniger ab als die Eisenbahnwagen.

6. Durch die bisherige Darlegung dürfen wir nun wohl den Beweis,
daß Wasserstraßen, trotz aller Eisenbahnen, ein wahres Lebensbedürfniß für
die mittleren und unteren Volksschichten, für Handel und Gewerbfleiß sind,
als geführt betrachten. Hätte Deutschland eine ausreichende Menge von


stillschweigend vorausgesetzt, daß sie vor allen Transportmitteln den Vorzug
der größeren Billigkeit besitzen. Geh.-Rath Meitzen, der Chef des Statistischen
Bureau im Deutschen Reich, geht so weit, ihnen diesen Vorzug, und damit
ein besseres Anrecht auf die Güter, welche vor Allem auf billigen Transport
sehen müssen, in alle Ewigkeit zuzusprechen. „Es ist", sagt er, „ein unum¬
stößliches Gesetz der Physik der Erde, daß für den Massentränsport kein
Hülfsmittel die Concurrenz mit dem Wasser aushalten kann...... Welche
bewegende Kraft auch durch welche Combination immer aufgefunden werden
sollte, jede wird, auf das Wasser angewendet, den Vortheil gewinnen, daß
ihr dasselbe durchschnittlich die halbe, oft die ganze Last abnimmt, und daß
zugleich die Verschiebbarkeit der Unterlage die Reibung bis auf ein Minimum
uafhebt. Vermag man also zugleich die Strömung zu beseitigen und, wie
dies die Kettenschleppschiffsahrt auf den Kanälen ermöglicht, einen festen
Anhaltspunkt für den Zug zu gewinnen, so läßt sich überall, wo nicht be¬
sondere Schnelligkeit, sondern nur Massenbewegung in Betracht kommt, eine
wirksamere, also auch eine billigere Einrichtung nicht denken." So speculativ
wollen wir nun die Frage nicht auffassen, so apodiktisch nicht urtheilen; wir
lassen es vielmehr dahingestellt, ob es dem menschlichen Geiste, welchem
in seiner Beherrschung der Natur auf die Dauer nur das Widersinnige un¬
möglich zu sein scheint, in Zukunft gelingen kann oder nicht, ein noch billigeres
Transportmittel als den Wasserweg ausfindig zu machen. Uns genügt es
zu zeigen, daß unter allen gegenwärtig bekannten Transportmitteln das
Wasser bei weitem das billigste ist.

Das ist leicht zu beweisen. Der Bau einer Meile Eisenbahn kostet durch¬
schnittlich V-z Million Thaler; ihr Unterhalt durchschnittlich 20.000 Thaler
im Jahr; dagegen giebt E. Meyer, in der oben angeführten Schrift, die
Baukosten der Kanalmeile im Durchschnitt auf 200.000 Thaler und die jähr¬
lichen Unterhaltungskosten auf 2000 — 4000 Thaler an. Ferner sind die
Kähne viel billiger als die Eisenbahnwagen, weil das Verhältniß zwischen
Brutto und Tara für jene weit günstiger ist. Ein Beispiel wird dies deut¬
lich machen. Man kann 8000 Ctr. Güter recht wohl auf zwei Elbkähnen
verschiffen, die zusammen 2400 Ctr. wiegen. Dagegen bedarf man dazu
40 Eisenbahnwagen, deren todtes Gewicht, sammt Tender und Locomo-
tive, 9240 Ctr. beträgt. Die 40 Wagen mit der Lokomotive kosten ferner
40,000 Thlr., die Elbkähne 3000. Endlich nutzen sich die Schiffe, wegen der
weit geringeren Reibung, weniger ab als die Eisenbahnwagen.

6. Durch die bisherige Darlegung dürfen wir nun wohl den Beweis,
daß Wasserstraßen, trotz aller Eisenbahnen, ein wahres Lebensbedürfniß für
die mittleren und unteren Volksschichten, für Handel und Gewerbfleiß sind,
als geführt betrachten. Hätte Deutschland eine ausreichende Menge von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/175>, abgerufen am 03.07.2024.