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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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sonderten Haufen umschlossen werden, was Gelegenheit zu häufigen und oft
glücklichen Ausfällen gab.

Indessen trat Bourbon mehr und mehr mit seinen Prätensionen hervor.
Er nannte sich Graf von Provence, ließ sich huldigen und leistete England
den Lehnseid. Jetzt aber erkannte man, wie sehr sich auch in Frankreich die
Zeiten geändert hatten. Die Tage Philipp's v. Burgund waren vorüber.
Durch seinen Abfall hatte Bourbon allen Credit verloren, und grade in dieser
Prüfung ergab es sich, wie weit die Consolidation des französischen Einheits¬
staats bereits gediehen sei. Eben der Angriff verschaffte dem Könige den un¬
bedingtesten Gehorsam. Hintereinander konnte er 3 starke Taillen von zusam¬
men mehr als 5 Millionen ausschreiben; alle Stände leisteten Zahlungen,
und so gelang es Franz I. ein Heer ins Feld zu stellen, so stattlich wie je.
Zu den Feldzeichen des Königs, den Lilien und dem Salamander, strömte der
heißblutige Adel, an seiner Spitze Henri d'Albret, der junge König von
Navarra, der Graf von Se. Pol, der Herzog von Alencon, die Lotharin¬
gischen Fürsten: Lambesque und Vaudemont, der Herzog von Suffolk, James
Stuart Herzog von Albanien, und viele Andere, und zu den alten Marschällen
und Capitaines: Tremouille, Jmbrecourt, Chabcmnes, Lescun de Foix, Genouil-
lac und d' Ars gesellten sich des Königs Altersgenossen: Bonnivet, Mont-
morency, Se. Marsault, Brion, Fleurangs, Guillaume und Martin du
Ballay^Langey. Im Ganzen zählte das Heer an 2000 Homines d'armes,
7000 Mann französischen Fußvolks, das besonders aus den kriegerischen
Bauern des Dauphins' bestand, 10,000 Schweizer und leider auch wieder
6000 -- 8000 deutscher Knechte.

Während sich diese Schaaren bei Avignon sammelten, setzten die Kaiser¬
lichen mit großer Beharrlichkeit die Belagerung von Marseille fort. Sie schritt
langsam vorwärts, obgleich der Herzog Tag und Nacht in den Werken war.
Da die Batterien nicht genügend wirkten, wurde der Minenkrieg begonnen;
aber die unscheinbaren Ergebnisse desselben erzeugten bei den Belagerern Mis-
muth, während sich der Opfermuth der Marseille! bis zu der Höhe steigerte,
daß sogar die Damen Theil nahmen an den Arbeiten der Contremineurs.
Ihre Artillerie erwies sich sehr gut. Selbst in Zelte Pescara's tödtete ein
Schuß den Messe lesenden Priester und zwei Mann. Als der Herzog auf
diese Nachricht erschreckt herbeieilte, bemerkte ihm Pescara spöttisch: "Gnädig¬
ster Herr, es waren die Rathsherrn von Marseille, die Ihnen die Stadt¬
schlüssel bringen!"

Endlich war eine Bresche eröffnet; doch die Landsknechte weigerten sich
zu stürmen: sie seien nur geworben, um im offenen Felde zu streiten. Ihrem
Beispiele folgten die Spanier und Italiener. Vergeblich ließ der Herzog
einem wiederspenstigen Hauptmann den Kopf abschlagen und bot seine Coa-


sonderten Haufen umschlossen werden, was Gelegenheit zu häufigen und oft
glücklichen Ausfällen gab.

Indessen trat Bourbon mehr und mehr mit seinen Prätensionen hervor.
Er nannte sich Graf von Provence, ließ sich huldigen und leistete England
den Lehnseid. Jetzt aber erkannte man, wie sehr sich auch in Frankreich die
Zeiten geändert hatten. Die Tage Philipp's v. Burgund waren vorüber.
Durch seinen Abfall hatte Bourbon allen Credit verloren, und grade in dieser
Prüfung ergab es sich, wie weit die Consolidation des französischen Einheits¬
staats bereits gediehen sei. Eben der Angriff verschaffte dem Könige den un¬
bedingtesten Gehorsam. Hintereinander konnte er 3 starke Taillen von zusam¬
men mehr als 5 Millionen ausschreiben; alle Stände leisteten Zahlungen,
und so gelang es Franz I. ein Heer ins Feld zu stellen, so stattlich wie je.
Zu den Feldzeichen des Königs, den Lilien und dem Salamander, strömte der
heißblutige Adel, an seiner Spitze Henri d'Albret, der junge König von
Navarra, der Graf von Se. Pol, der Herzog von Alencon, die Lotharin¬
gischen Fürsten: Lambesque und Vaudemont, der Herzog von Suffolk, James
Stuart Herzog von Albanien, und viele Andere, und zu den alten Marschällen
und Capitaines: Tremouille, Jmbrecourt, Chabcmnes, Lescun de Foix, Genouil-
lac und d' Ars gesellten sich des Königs Altersgenossen: Bonnivet, Mont-
morency, Se. Marsault, Brion, Fleurangs, Guillaume und Martin du
Ballay^Langey. Im Ganzen zählte das Heer an 2000 Homines d'armes,
7000 Mann französischen Fußvolks, das besonders aus den kriegerischen
Bauern des Dauphins' bestand, 10,000 Schweizer und leider auch wieder
6000 — 8000 deutscher Knechte.

Während sich diese Schaaren bei Avignon sammelten, setzten die Kaiser¬
lichen mit großer Beharrlichkeit die Belagerung von Marseille fort. Sie schritt
langsam vorwärts, obgleich der Herzog Tag und Nacht in den Werken war.
Da die Batterien nicht genügend wirkten, wurde der Minenkrieg begonnen;
aber die unscheinbaren Ergebnisse desselben erzeugten bei den Belagerern Mis-
muth, während sich der Opfermuth der Marseille! bis zu der Höhe steigerte,
daß sogar die Damen Theil nahmen an den Arbeiten der Contremineurs.
Ihre Artillerie erwies sich sehr gut. Selbst in Zelte Pescara's tödtete ein
Schuß den Messe lesenden Priester und zwei Mann. Als der Herzog auf
diese Nachricht erschreckt herbeieilte, bemerkte ihm Pescara spöttisch: „Gnädig¬
ster Herr, es waren die Rathsherrn von Marseille, die Ihnen die Stadt¬
schlüssel bringen!"

Endlich war eine Bresche eröffnet; doch die Landsknechte weigerten sich
zu stürmen: sie seien nur geworben, um im offenen Felde zu streiten. Ihrem
Beispiele folgten die Spanier und Italiener. Vergeblich ließ der Herzog
einem wiederspenstigen Hauptmann den Kopf abschlagen und bot seine Coa-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/16>, abgerufen am 22.07.2024.