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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Königin-Mutter, sehr gnädig bei Hofe empfangen. Er gab zu, daß L000
Spanier so viel wären wie 5000 Gendarmes, 5000 leichte Reiter. 5000 Fu߬
soldaten und 5000 Teufel zusammengenommen; er nannte die Spanier nicht
anders als "Löwen".

Mit Nothwendigkeit ergab sich nun für die Verbündeten der Gedanke
eines abermaligen Einfalls in Frankreich; der Papst und Venedig sagten
sich jedoch von diesem Unternehmen los und hielten ihre Aufgabe mit der
Befreiung Italiens für vollendet. Im Juli 1524 führte der Connetable von
Bourbon ein kaiserliches Heer über den Var. Es waren 6000 Deutsche
unter Graf Eitelfritz von Zollern und Graf Lodron, 6000 Spanier unter
Peseara und eine Anzahl Italiener in 30 Fähnlein. Dazu kamen 600 schwere,
600 leichte Pferde und 18 Geschütze. Launoy sollte mit 100 Gendarmen folgen,
blieb jedoch in Asti stehn, um, wie er vorahnend meinte, auf alle Fälle den
Rückzug zu sichern. Um überdies die Bewegung Bourbon's zu decken, segelte
Hugo von Moncade mit 16 Galeeren längs der Küste. Die Absicht des
Connetables war, dem geschlagenen Feinde unmittelbar zu folgen, das noch
unbewehrte Lyon im raschen Anlaufe zu nehmen, sich in Besitz der Rhone-
Linie zu setzen, in die nahen burbonischen Stammlande einzufallen, wo es
ihm, dem Herren, nicht an Unterstützung fehlen werde, und von dort aus die
Verbindung mit der Franche-Comte und Deutschland zu eröffnen. Thäten
dann Spanien und England durch Einfälle in die Guyenne und die Pikardie
das ihrige, so sei der Fall Frankreichs gewiß, und im Geiste sah der stolze
Mann sich schon als König des Arelates. -- Anders aber dachten die kaiser¬
lichen Führer. Für sie war Bourbon's Wiedereinsetzung ganz nebensächlich.
Sie meinten, es sei vor allen Dingen nöthig, sich eines Hasenplatzes der
Provence zu bemächtigen, um der Verbindung mit Neapel und Spanien sicher
zu sein und in solcher Weise sich eine feste Operationsbasis zu schaffen, auf
welcher man auch Wechselfällen trotzen könne. Bei den schwankenden Vefehls-
verhältnissen mußte Bourbon nachgeben; auch mit dem Vorschlage, die Küsten¬
unternehmung gegen Toulon zu richten, drang er nicht durch; vielmehr be¬
standen die Fürsten auf dem Angriff von Marseille. Ohne Widerstand er¬
gaben sich Antibes, Fre'guf und Toulon; am 9. August nahm Bourbon die
Hauptstadt des Landes, Air; zehn Tage später stand er vor Marseille und
begann die Belagerung dieser Stadt mit Hülfe eines Artillerieparks, welchen
die Galeeren Moneade's herbeigeführt. In die Stadt hatte sich Rentio ti
Ceres mit 3000 Mann des Bonnivet'schen Heeres geworfen, Herr v. Brion
mit 200 Gendarmes. Der Vicomte de Caux befehligte das Geschütz. Die
Bürgerschaft griff zu den Waffen und bildete, 9000 M. stark, vier Compagnien.
-- Bei dem großen Umfang von Marseille konnte die Stadt nur in abge-


Königin-Mutter, sehr gnädig bei Hofe empfangen. Er gab zu, daß L000
Spanier so viel wären wie 5000 Gendarmes, 5000 leichte Reiter. 5000 Fu߬
soldaten und 5000 Teufel zusammengenommen; er nannte die Spanier nicht
anders als „Löwen".

Mit Nothwendigkeit ergab sich nun für die Verbündeten der Gedanke
eines abermaligen Einfalls in Frankreich; der Papst und Venedig sagten
sich jedoch von diesem Unternehmen los und hielten ihre Aufgabe mit der
Befreiung Italiens für vollendet. Im Juli 1524 führte der Connetable von
Bourbon ein kaiserliches Heer über den Var. Es waren 6000 Deutsche
unter Graf Eitelfritz von Zollern und Graf Lodron, 6000 Spanier unter
Peseara und eine Anzahl Italiener in 30 Fähnlein. Dazu kamen 600 schwere,
600 leichte Pferde und 18 Geschütze. Launoy sollte mit 100 Gendarmen folgen,
blieb jedoch in Asti stehn, um, wie er vorahnend meinte, auf alle Fälle den
Rückzug zu sichern. Um überdies die Bewegung Bourbon's zu decken, segelte
Hugo von Moncade mit 16 Galeeren längs der Küste. Die Absicht des
Connetables war, dem geschlagenen Feinde unmittelbar zu folgen, das noch
unbewehrte Lyon im raschen Anlaufe zu nehmen, sich in Besitz der Rhone-
Linie zu setzen, in die nahen burbonischen Stammlande einzufallen, wo es
ihm, dem Herren, nicht an Unterstützung fehlen werde, und von dort aus die
Verbindung mit der Franche-Comte und Deutschland zu eröffnen. Thäten
dann Spanien und England durch Einfälle in die Guyenne und die Pikardie
das ihrige, so sei der Fall Frankreichs gewiß, und im Geiste sah der stolze
Mann sich schon als König des Arelates. — Anders aber dachten die kaiser¬
lichen Führer. Für sie war Bourbon's Wiedereinsetzung ganz nebensächlich.
Sie meinten, es sei vor allen Dingen nöthig, sich eines Hasenplatzes der
Provence zu bemächtigen, um der Verbindung mit Neapel und Spanien sicher
zu sein und in solcher Weise sich eine feste Operationsbasis zu schaffen, auf
welcher man auch Wechselfällen trotzen könne. Bei den schwankenden Vefehls-
verhältnissen mußte Bourbon nachgeben; auch mit dem Vorschlage, die Küsten¬
unternehmung gegen Toulon zu richten, drang er nicht durch; vielmehr be¬
standen die Fürsten auf dem Angriff von Marseille. Ohne Widerstand er¬
gaben sich Antibes, Fre'guf und Toulon; am 9. August nahm Bourbon die
Hauptstadt des Landes, Air; zehn Tage später stand er vor Marseille und
begann die Belagerung dieser Stadt mit Hülfe eines Artillerieparks, welchen
die Galeeren Moneade's herbeigeführt. In die Stadt hatte sich Rentio ti
Ceres mit 3000 Mann des Bonnivet'schen Heeres geworfen, Herr v. Brion
mit 200 Gendarmes. Der Vicomte de Caux befehligte das Geschütz. Die
Bürgerschaft griff zu den Waffen und bildete, 9000 M. stark, vier Compagnien.
— Bei dem großen Umfang von Marseille konnte die Stadt nur in abge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/15>, abgerufen am 22.07.2024.