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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Kirche stehen, kamen erst zur Zeit des si. Karl Borromäus dorthin und sind
größtenteils von Pellegrini entworfen, der auch den unterirdischen Gang
nach dem Pallaste des Erzbischofes baute.

Wenn wir eingetreten sind zwischen zwei Säulen aus rothem Granit,
die dem Hauptportal ihre kolossale Verzierung leihen, schreiten wir alsbald
über den Meridian hinweg, der hier durch die Kirche läuft und im Jahre
1786 in den Marmorboden gelegt ward. Dann treten uns die stolzen Denk¬
mäler entgegen, wie sie die Päpste und ihre Nepoten damals in den Kirchen
Italiens errichteten; Statuen und Bilder drängen sich an jedem Altare, da¬
runter auch jener widerlich-anatomische Bartholomäus, der seine eigene
Haut über dem Rücken trägt. Und zu dieser ästhetischen Unthat fügte der
"Künstler" noch die überflüssige Inschrift, daß dies Standbild nicht von
Praxiteles, sondern von ihm, von Marcus Agrates stamme.

Weltberühmt ist der siebenarmige Leuchter, der seit der Mitte des
XVI. Jahrhunderts dem Dom von Mailand gehört und dessen Ursprung
noch heute ein Räthsel ist. Wie die verschlungenen Aeste eines Baumes
winden sich die dunklen Arme aus dem mächtigen Stamm, den kämpfende
Thiergestalten umklammern; daneben erhebt sich die Statue Naäouva ack
slbsro und zu ihren Füßen schläft Cardinal Borromeo, den Manzoni in den
"?ron<zssi Lposi" verherrlichte. Das Grabmal seines großen Ahnherrn, des
si. Carl selbst befindet sich unter dem Chöre, den Sarg, in dem sein Leichnam
bestattet ist, hat König Philipp IV. von Spanien gespendet. Er ist von
lauterem Golde, und wenn Jgnazio Camen uns recht berichtet, umschließt
die Laxxsllg, al Lau Larlo einen Werth von mehr als 4 Millionen Francs.

Doch so erhaben auch das Innere des Domes ist, fast noch gewaltiger
gestaltet sich der Eindruck, wenn wir nun die vielen hundert Stufen empor¬
steigen und ins Freie treten auf das Dach des unermeßlichen Baues. Feenhaft
nehmen uns hier die Marmorbilder gefangen, die tausendfältig die spitzen
Pfeiler überragen, feenhaft wirkt die blaue Kette der Alpen, aus deren Tiefen
schimmernd der Montblanc taucht, in deren endlosen Reihen die großen Pässe
liegen, die der Weltverkehr sich auserwählt, Mont-Cenis und Splügen, Gott¬
hard und Stilfser Joch.

Die Anzahl der Statuen wird auf 2000 geschätzt, und der Ursprung
derselben vertheilt sich auf 6 Jahrhunderte; weltberühmt ist das Bild der
Eva, auch Canova hat dem Dom drei Meisterwerke gespendet, Rebekka,
Se. Dafins und Napoleon I. Der letztere ist ohne Zweifel der prächtigste,
hoch über Mannesgröße und kühn wie die .Bilder der antiken Helden, steht
der Cäsar unseres Jahrhunderts dort; in geballter Faust die Lanze haltend,
womit er Europa niederwarf. So sieht er herab, regungslos und marmor¬
kalt, auf die Stadt, die er einst beherrschte, in der sein Sohn Eugen glänzenden


Kirche stehen, kamen erst zur Zeit des si. Karl Borromäus dorthin und sind
größtenteils von Pellegrini entworfen, der auch den unterirdischen Gang
nach dem Pallaste des Erzbischofes baute.

Wenn wir eingetreten sind zwischen zwei Säulen aus rothem Granit,
die dem Hauptportal ihre kolossale Verzierung leihen, schreiten wir alsbald
über den Meridian hinweg, der hier durch die Kirche läuft und im Jahre
1786 in den Marmorboden gelegt ward. Dann treten uns die stolzen Denk¬
mäler entgegen, wie sie die Päpste und ihre Nepoten damals in den Kirchen
Italiens errichteten; Statuen und Bilder drängen sich an jedem Altare, da¬
runter auch jener widerlich-anatomische Bartholomäus, der seine eigene
Haut über dem Rücken trägt. Und zu dieser ästhetischen Unthat fügte der
„Künstler" noch die überflüssige Inschrift, daß dies Standbild nicht von
Praxiteles, sondern von ihm, von Marcus Agrates stamme.

Weltberühmt ist der siebenarmige Leuchter, der seit der Mitte des
XVI. Jahrhunderts dem Dom von Mailand gehört und dessen Ursprung
noch heute ein Räthsel ist. Wie die verschlungenen Aeste eines Baumes
winden sich die dunklen Arme aus dem mächtigen Stamm, den kämpfende
Thiergestalten umklammern; daneben erhebt sich die Statue Naäouva ack
slbsro und zu ihren Füßen schläft Cardinal Borromeo, den Manzoni in den
„?ron<zssi Lposi" verherrlichte. Das Grabmal seines großen Ahnherrn, des
si. Carl selbst befindet sich unter dem Chöre, den Sarg, in dem sein Leichnam
bestattet ist, hat König Philipp IV. von Spanien gespendet. Er ist von
lauterem Golde, und wenn Jgnazio Camen uns recht berichtet, umschließt
die Laxxsllg, al Lau Larlo einen Werth von mehr als 4 Millionen Francs.

Doch so erhaben auch das Innere des Domes ist, fast noch gewaltiger
gestaltet sich der Eindruck, wenn wir nun die vielen hundert Stufen empor¬
steigen und ins Freie treten auf das Dach des unermeßlichen Baues. Feenhaft
nehmen uns hier die Marmorbilder gefangen, die tausendfältig die spitzen
Pfeiler überragen, feenhaft wirkt die blaue Kette der Alpen, aus deren Tiefen
schimmernd der Montblanc taucht, in deren endlosen Reihen die großen Pässe
liegen, die der Weltverkehr sich auserwählt, Mont-Cenis und Splügen, Gott¬
hard und Stilfser Joch.

Die Anzahl der Statuen wird auf 2000 geschätzt, und der Ursprung
derselben vertheilt sich auf 6 Jahrhunderte; weltberühmt ist das Bild der
Eva, auch Canova hat dem Dom drei Meisterwerke gespendet, Rebekka,
Se. Dafins und Napoleon I. Der letztere ist ohne Zweifel der prächtigste,
hoch über Mannesgröße und kühn wie die .Bilder der antiken Helden, steht
der Cäsar unseres Jahrhunderts dort; in geballter Faust die Lanze haltend,
womit er Europa niederwarf. So sieht er herab, regungslos und marmor¬
kalt, auf die Stadt, die er einst beherrschte, in der sein Sohn Eugen glänzenden


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[0156] Kirche stehen, kamen erst zur Zeit des si. Karl Borromäus dorthin und sind größtenteils von Pellegrini entworfen, der auch den unterirdischen Gang nach dem Pallaste des Erzbischofes baute. Wenn wir eingetreten sind zwischen zwei Säulen aus rothem Granit, die dem Hauptportal ihre kolossale Verzierung leihen, schreiten wir alsbald über den Meridian hinweg, der hier durch die Kirche läuft und im Jahre 1786 in den Marmorboden gelegt ward. Dann treten uns die stolzen Denk¬ mäler entgegen, wie sie die Päpste und ihre Nepoten damals in den Kirchen Italiens errichteten; Statuen und Bilder drängen sich an jedem Altare, da¬ runter auch jener widerlich-anatomische Bartholomäus, der seine eigene Haut über dem Rücken trägt. Und zu dieser ästhetischen Unthat fügte der „Künstler" noch die überflüssige Inschrift, daß dies Standbild nicht von Praxiteles, sondern von ihm, von Marcus Agrates stamme. Weltberühmt ist der siebenarmige Leuchter, der seit der Mitte des XVI. Jahrhunderts dem Dom von Mailand gehört und dessen Ursprung noch heute ein Räthsel ist. Wie die verschlungenen Aeste eines Baumes winden sich die dunklen Arme aus dem mächtigen Stamm, den kämpfende Thiergestalten umklammern; daneben erhebt sich die Statue Naäouva ack slbsro und zu ihren Füßen schläft Cardinal Borromeo, den Manzoni in den „?ron<zssi Lposi" verherrlichte. Das Grabmal seines großen Ahnherrn, des si. Carl selbst befindet sich unter dem Chöre, den Sarg, in dem sein Leichnam bestattet ist, hat König Philipp IV. von Spanien gespendet. Er ist von lauterem Golde, und wenn Jgnazio Camen uns recht berichtet, umschließt die Laxxsllg, al Lau Larlo einen Werth von mehr als 4 Millionen Francs. Doch so erhaben auch das Innere des Domes ist, fast noch gewaltiger gestaltet sich der Eindruck, wenn wir nun die vielen hundert Stufen empor¬ steigen und ins Freie treten auf das Dach des unermeßlichen Baues. Feenhaft nehmen uns hier die Marmorbilder gefangen, die tausendfältig die spitzen Pfeiler überragen, feenhaft wirkt die blaue Kette der Alpen, aus deren Tiefen schimmernd der Montblanc taucht, in deren endlosen Reihen die großen Pässe liegen, die der Weltverkehr sich auserwählt, Mont-Cenis und Splügen, Gott¬ hard und Stilfser Joch. Die Anzahl der Statuen wird auf 2000 geschätzt, und der Ursprung derselben vertheilt sich auf 6 Jahrhunderte; weltberühmt ist das Bild der Eva, auch Canova hat dem Dom drei Meisterwerke gespendet, Rebekka, Se. Dafins und Napoleon I. Der letztere ist ohne Zweifel der prächtigste, hoch über Mannesgröße und kühn wie die .Bilder der antiken Helden, steht der Cäsar unseres Jahrhunderts dort; in geballter Faust die Lanze haltend, womit er Europa niederwarf. So sieht er herab, regungslos und marmor¬ kalt, auf die Stadt, die er einst beherrschte, in der sein Sohn Eugen glänzenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/156>, abgerufen am 22.07.2024.