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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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hatten, zu ihm hinüberzukommen, wurde er während des Uebergangs am
30. April 1524 von Bourbon und Pescara mit der Vorhut des kaiserlichen
Heeres angegriffen. Es entstand allgemeine Unordnung; die Brücke brach
ein; Gattinara ging in Flammen auf; und so gering auch die Anzahl der
Kaiserlichen am anderen Ufer war: etwa 1000 leichte Pferde und 1000 Mann
zu Fuß, so groß war doch der Verlust, den die Franzosen erlitten. Der un¬
entschlossene Bonnivet führte selbst seine Arrieregarde und deckte, persönlich
tapfer, an der Spitze der Gendarmerie den Uebergang seines Trosses, Ge¬
schützes und Fußvolks. Der Admiral war offenbar der hohen Stellung nicht
gewachsen, die ihm sein König angewiesen; gleich bei Beginn des Gefechts
leicht verwundet, benutzte er diesen Umstand gern, um den Befehl an Bayard
zu übertragen, und der Kor elievalisr, der so oft in großen Schlachten und
in edlen Ritterkämpfen dem Tode ins Auge gesehn, wurde hier vom Geschick
ereilt. Von der Kugel eines deutschen Hakenschützen im Rückgrade getroffen,
ritt er noch einige Schritte, übergab an Graf Se. Pol den Kommandostab
und ließ sich dann vom Rosse heben und unter einen Baum niedersetzen.
Das Angesicht gegen den Feind gerichtet, den Schwertgriff vor sich hin haltend
wie ein Cruzifix, so erwartete er betend den Tod. -- Es liegt etwas Symbolisches
in diesem Ende Bayard's. Er hatte immer die Hakenschützen von Herzen
gehaßt; ungern hatte er einem, der in seine Hand gefallen, das Leben ge¬
schenkt -- "O'ost un graun erövo co<zur", hatte er einst geäußert, "<in'un
vaillant Iwinms xuisss etre er6 xg.r un vit et adjeot krignöiiölls" -- nun
fiel er selbst durch die verhaßte Kugel. -- Solche Abneigungen gegen neue
Erfindungen im Waffenwesen haben sich oft in der Geschichte wiederholt.
So bezeichnet Anna Komnena im X. Buche ihrer Alexiade die Armbrust als
Erfindung eines Dämons, und als Archidamus die erste große Wurfmaschine
erblickte, die nach Sicilien gebracht worden war, rief er schmerzlich aus:
"Götter! Nun ist des tapferen Mannes Kraft unnütz geworden."

Obwol die Kunde von Bayard's Tode große Entmuthigung erzeugte, so
that Gras Se. Pol doch das Möglichste, um das Gefecht hinzuhalten,
wobei ihn Ritter de Lorges mit dem Fußvolk bestens unterstützte, indem er
vom anderen Ufer her ein wirkungsvolles Feuer auf die Spanier unterhielt.
Trotz alledem blieb der Tag verhängnißvoll. Das Gefecht bei Gattinara
zwang die Franzosen, Italien zu räumen; denn an sich unbedeutend, bekam
es großen militärischen Werth durch die Art, wie es ausgebeutet wurde.
Schaft. Schärtltn erzählt: die Landsknechte seien den Franzosen drei Tage
und Nächte bis an den Fuß des Se. Bernhard nachgeeilt. Festlied bekränzt
brachte man aus dem Thal von Aosta das französische Feldgeschütz ins Lager,
das man bet Avrea den Schweizern abgenommen hatte.

Bonnivet wurde übrigens in Folge des Einflusses seiner Freundin, der


hatten, zu ihm hinüberzukommen, wurde er während des Uebergangs am
30. April 1524 von Bourbon und Pescara mit der Vorhut des kaiserlichen
Heeres angegriffen. Es entstand allgemeine Unordnung; die Brücke brach
ein; Gattinara ging in Flammen auf; und so gering auch die Anzahl der
Kaiserlichen am anderen Ufer war: etwa 1000 leichte Pferde und 1000 Mann
zu Fuß, so groß war doch der Verlust, den die Franzosen erlitten. Der un¬
entschlossene Bonnivet führte selbst seine Arrieregarde und deckte, persönlich
tapfer, an der Spitze der Gendarmerie den Uebergang seines Trosses, Ge¬
schützes und Fußvolks. Der Admiral war offenbar der hohen Stellung nicht
gewachsen, die ihm sein König angewiesen; gleich bei Beginn des Gefechts
leicht verwundet, benutzte er diesen Umstand gern, um den Befehl an Bayard
zu übertragen, und der Kor elievalisr, der so oft in großen Schlachten und
in edlen Ritterkämpfen dem Tode ins Auge gesehn, wurde hier vom Geschick
ereilt. Von der Kugel eines deutschen Hakenschützen im Rückgrade getroffen,
ritt er noch einige Schritte, übergab an Graf Se. Pol den Kommandostab
und ließ sich dann vom Rosse heben und unter einen Baum niedersetzen.
Das Angesicht gegen den Feind gerichtet, den Schwertgriff vor sich hin haltend
wie ein Cruzifix, so erwartete er betend den Tod. — Es liegt etwas Symbolisches
in diesem Ende Bayard's. Er hatte immer die Hakenschützen von Herzen
gehaßt; ungern hatte er einem, der in seine Hand gefallen, das Leben ge¬
schenkt — „O'ost un graun erövo co<zur", hatte er einst geäußert, „<in'un
vaillant Iwinms xuisss etre er6 xg.r un vit et adjeot krignöiiölls" — nun
fiel er selbst durch die verhaßte Kugel. — Solche Abneigungen gegen neue
Erfindungen im Waffenwesen haben sich oft in der Geschichte wiederholt.
So bezeichnet Anna Komnena im X. Buche ihrer Alexiade die Armbrust als
Erfindung eines Dämons, und als Archidamus die erste große Wurfmaschine
erblickte, die nach Sicilien gebracht worden war, rief er schmerzlich aus:
„Götter! Nun ist des tapferen Mannes Kraft unnütz geworden."

Obwol die Kunde von Bayard's Tode große Entmuthigung erzeugte, so
that Gras Se. Pol doch das Möglichste, um das Gefecht hinzuhalten,
wobei ihn Ritter de Lorges mit dem Fußvolk bestens unterstützte, indem er
vom anderen Ufer her ein wirkungsvolles Feuer auf die Spanier unterhielt.
Trotz alledem blieb der Tag verhängnißvoll. Das Gefecht bei Gattinara
zwang die Franzosen, Italien zu räumen; denn an sich unbedeutend, bekam
es großen militärischen Werth durch die Art, wie es ausgebeutet wurde.
Schaft. Schärtltn erzählt: die Landsknechte seien den Franzosen drei Tage
und Nächte bis an den Fuß des Se. Bernhard nachgeeilt. Festlied bekränzt
brachte man aus dem Thal von Aosta das französische Feldgeschütz ins Lager,
das man bet Avrea den Schweizern abgenommen hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/14>, abgerufen am 22.07.2024.