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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Exiguus (498--S56) aber hatte durch die Aufnahme der römischen litteras
Zeerstalss (ursprünglich nur Gutachten, resxonss,, welche die römischen Bi¬
schöfe in Gemeinschaft des ganzen römischen Klerus auf Anfragen erließen,
mit der steigenden Macht Roms zu Decreten, Befehlen werdend) in die
Sammlung der Kirchengesetze den Wahn erzeugt, daß die römischen Bischöfe
Gesetze für die ganze Kirche geben könnten, und so der.surisäiotio den Weg
gebahnt, während die römischen Bischöfe selbst, allerdings oft die Wahrheit
und Gerechtigkeit schützend (Nicolaus I. gegen Lothar ze.) und so von der
Meinung der Zeit getragen und unterstützt, nun mit steigender Entschieden¬
heit die eatliLdro, ?etri in den Vordergrund stellen, auf diesem Grunde immer
entschiedener den suprsmatus jurisclietivnis an- und aussprechen, mit kluger
Benutzung der menschlichen Schwächen, theils durch Ernennung von Bischöfen
in fernen Ländern zu ihren Vicaren (Jllyrieum, Gallien, Spanien, Deutsch¬
land), theils durch Verleihung von Rang und Ehren (Erhebung einzelner
Bischöfe über andere. Pallium :c.) thatsächlich ihren Sprengel erweitern und
ihr Patriarchat, indem sie das von Karl dem Großen auf ihr Werk ge¬
drückte Staatssiegel mit ihrer Umschrift versehen und auslegen, zum Papst¬
thum in späterem Sinne erheben.

So wird es möglich, daß mit Hülfe der in Mainz von 790 -- 843 fabri-
cirten pseudisidorischen Decretalen nach der tiefsten Erniedrigung des
Papstthums durch das Hurenregiment 882 -- 963 das abendländische Kaiser-
thum selbst, Heinrich III., nachdem er drei Päpste ab gesetzt (Synode zu
Sutri 1046). dem Papste (Leo IX.) die Reform und Ordnung der Kirche
übergibt, und so selbst den pseudisidorischen Betrug zur Wahrheit macht,
woraus das Papstthum durch die Klugheit Gregor's VII. (1073- 1083) seinen
Culminationspunkt erklimmt und unter Innocenz III. 1215 die Tage seines
höchsten Glanzes feiert.

Aber mit dem steigenden Bedürfnisse der Reformation erscheint als
Hülfe der Kirche gegen das Verderben des Papstthums und durch das
Papstthum das E pi se opalsy Stein, oder der eigentliche alte ächte Katho¬
licismus.

Wie wenig die Bischöfe vor der Erhebung der römischen Bischöfe zum
eigentlichen Papstthum und vor der dann folgenden Ueberhebung des Papst¬
thums daran gedacht haben, in dem Papste ihren Richter, geschweige das un¬
fehlbare Oberhaupt der Kirche für Glauben und Regierung der Kirche anzu¬
erkennen, beweisen, nach den oben schon genannten, die Synoden: zu Rom
963 unter Otto I.. welche den Papst Johann XII. verurtheilte und absetzte
als des Mordes, der Gotteslästerung, der Unzucht überwiesen, zu Rheims
991, welche unter Leitung Gerbert's, des nachherigen Papstes Sylvester II..
in der Sache Arnulph's von Rheims gegen die Entscheidung des Papstes


Exiguus (498—S56) aber hatte durch die Aufnahme der römischen litteras
Zeerstalss (ursprünglich nur Gutachten, resxonss,, welche die römischen Bi¬
schöfe in Gemeinschaft des ganzen römischen Klerus auf Anfragen erließen,
mit der steigenden Macht Roms zu Decreten, Befehlen werdend) in die
Sammlung der Kirchengesetze den Wahn erzeugt, daß die römischen Bischöfe
Gesetze für die ganze Kirche geben könnten, und so der.surisäiotio den Weg
gebahnt, während die römischen Bischöfe selbst, allerdings oft die Wahrheit
und Gerechtigkeit schützend (Nicolaus I. gegen Lothar ze.) und so von der
Meinung der Zeit getragen und unterstützt, nun mit steigender Entschieden¬
heit die eatliLdro, ?etri in den Vordergrund stellen, auf diesem Grunde immer
entschiedener den suprsmatus jurisclietivnis an- und aussprechen, mit kluger
Benutzung der menschlichen Schwächen, theils durch Ernennung von Bischöfen
in fernen Ländern zu ihren Vicaren (Jllyrieum, Gallien, Spanien, Deutsch¬
land), theils durch Verleihung von Rang und Ehren (Erhebung einzelner
Bischöfe über andere. Pallium :c.) thatsächlich ihren Sprengel erweitern und
ihr Patriarchat, indem sie das von Karl dem Großen auf ihr Werk ge¬
drückte Staatssiegel mit ihrer Umschrift versehen und auslegen, zum Papst¬
thum in späterem Sinne erheben.

So wird es möglich, daß mit Hülfe der in Mainz von 790 — 843 fabri-
cirten pseudisidorischen Decretalen nach der tiefsten Erniedrigung des
Papstthums durch das Hurenregiment 882 — 963 das abendländische Kaiser-
thum selbst, Heinrich III., nachdem er drei Päpste ab gesetzt (Synode zu
Sutri 1046). dem Papste (Leo IX.) die Reform und Ordnung der Kirche
übergibt, und so selbst den pseudisidorischen Betrug zur Wahrheit macht,
woraus das Papstthum durch die Klugheit Gregor's VII. (1073- 1083) seinen
Culminationspunkt erklimmt und unter Innocenz III. 1215 die Tage seines
höchsten Glanzes feiert.

Aber mit dem steigenden Bedürfnisse der Reformation erscheint als
Hülfe der Kirche gegen das Verderben des Papstthums und durch das
Papstthum das E pi se opalsy Stein, oder der eigentliche alte ächte Katho¬
licismus.

Wie wenig die Bischöfe vor der Erhebung der römischen Bischöfe zum
eigentlichen Papstthum und vor der dann folgenden Ueberhebung des Papst¬
thums daran gedacht haben, in dem Papste ihren Richter, geschweige das un¬
fehlbare Oberhaupt der Kirche für Glauben und Regierung der Kirche anzu¬
erkennen, beweisen, nach den oben schon genannten, die Synoden: zu Rom
963 unter Otto I.. welche den Papst Johann XII. verurtheilte und absetzte
als des Mordes, der Gotteslästerung, der Unzucht überwiesen, zu Rheims
991, welche unter Leitung Gerbert's, des nachherigen Papstes Sylvester II..
in der Sache Arnulph's von Rheims gegen die Entscheidung des Papstes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/134>, abgerufen am 22.07.2024.