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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Johann XV. erklärte, der Papst hätte gar nicht gefragt werden sollen, weil
ihm gar keine Herrschaft über die fränkische Kirche zustehe, zu Worms 1076.
welche noch den gewaltigsten Papst Gregor VII. selbst absetzte. Dabei ist
natürlich ganz gleichgültig, ob und mit welchem Erfolge diese Synoden und
Bischöfe gegen das übermächtig werdende Papstthum ankämpfen, die Thatsache
bleibt bestehen, daß die Synoden und Bischöfe nicht daran denken, in dem
Papste ihren Richter, geschweige das unfehlbare Oberhaupt, und zwar im
Sinne der Encyclica und des Syllabus, das unfehlbare Oberhaupt für die
Ordnung und Regierung von Staat und Kirche anzuerkennen.

Aber wie treten nun die Bischöfe auf, als das Verderben der Kirche
und vor Allem des Papstthums und das Verderbniß der Kirche durch das-
selbe den Ruf "Reformation an Haupt und Gliedern" allgemein gemacht hatte!

Das Concil zu Pisa 1409, bestehend aus 22 Cardinälen, 4 Patriarchen,
12 wirklichen und 14 repräsentirten Erzbischöfen, 80 Bischöfen und 102 bischöf-
lichen Vertretern, einer Anzahl von Aebten, hohen Geistlichen, den Abgeord¬
neten von 20 Universitäten und vielen europäischen, namentlich deutschen
Fürsten, mehr als 300 Doctoren der Theologie und des kanonischen Rechts,
-- setzte zwei Päpste ab, als "Meineidige. Störer des Kirchenfriedens
und als Ketzer."

Wir fragen die "Germania" : hatte dieses Concil, eine ganz andere Reprä¬
sentation der katholischen Kirche als das vaticanische von 1870, hatten seine
Bischöfe und Theilnehmer den Standpunkt und Glauben des neuen vatica-
nischen Concils, der Unfehlbarkeit, und nicht vielmehr den Standpunkt
des Altkatholismus? waren sie "römisch-katholisch" oder nicht? erkannten sie
den Papst als ihren Richter an, oder richteten sie umgekehrt den Papst?

Das noch größere Concil zu Costnitz 1415 --1418 aber setzte sogar
drei Päpste ab, und zwar außer Benedict XIII. und Gregor XII. noch den
Papst Johann XXIII. ausdrücklich als überwiesen des Mordes, der Simonie,
des Unglaubens, ja der Ketzerei und aller denkbaren Unzucht. Und dieses
Concil bestand außer dem Kaiser aus 4 Patriarchen. 30 Cardinälen. 33 Erz¬
bischöfen. ISO Bischöfen, 124 Aebten. 4 Churfürsten, 24 Herzogen, einer Menge
andrer Fürsten in Person oder ihren Abgeordneten, 1800 Priestern, einer Un¬
zahl von Doctoren der Theologie und des kanonischen Rechts, den Deputirten
der Universitäten u. s. w. Wir fragen die "Germania": waren diese allesammt
katholisch, oder nicht? waren sie nicht römisch-katholisch? -- In Wahrheit
war es eine solche Repräsentation der ganzen römisch-katholischen Kirche, daß.
Wenn sie nicht katholisch. und zwar nicht römisch-katholisch waren, niemand
als römisch-katholisch übrig war. als der Papst selbst. Das war die ganze
abendländische katholische Christenheit, ergo ist der Altkatholicismus der
alleinige wahre ächte Katholicismus!


Johann XV. erklärte, der Papst hätte gar nicht gefragt werden sollen, weil
ihm gar keine Herrschaft über die fränkische Kirche zustehe, zu Worms 1076.
welche noch den gewaltigsten Papst Gregor VII. selbst absetzte. Dabei ist
natürlich ganz gleichgültig, ob und mit welchem Erfolge diese Synoden und
Bischöfe gegen das übermächtig werdende Papstthum ankämpfen, die Thatsache
bleibt bestehen, daß die Synoden und Bischöfe nicht daran denken, in dem
Papste ihren Richter, geschweige das unfehlbare Oberhaupt, und zwar im
Sinne der Encyclica und des Syllabus, das unfehlbare Oberhaupt für die
Ordnung und Regierung von Staat und Kirche anzuerkennen.

Aber wie treten nun die Bischöfe auf, als das Verderben der Kirche
und vor Allem des Papstthums und das Verderbniß der Kirche durch das-
selbe den Ruf „Reformation an Haupt und Gliedern" allgemein gemacht hatte!

Das Concil zu Pisa 1409, bestehend aus 22 Cardinälen, 4 Patriarchen,
12 wirklichen und 14 repräsentirten Erzbischöfen, 80 Bischöfen und 102 bischöf-
lichen Vertretern, einer Anzahl von Aebten, hohen Geistlichen, den Abgeord¬
neten von 20 Universitäten und vielen europäischen, namentlich deutschen
Fürsten, mehr als 300 Doctoren der Theologie und des kanonischen Rechts,
— setzte zwei Päpste ab, als „Meineidige. Störer des Kirchenfriedens
und als Ketzer."

Wir fragen die „Germania" : hatte dieses Concil, eine ganz andere Reprä¬
sentation der katholischen Kirche als das vaticanische von 1870, hatten seine
Bischöfe und Theilnehmer den Standpunkt und Glauben des neuen vatica-
nischen Concils, der Unfehlbarkeit, und nicht vielmehr den Standpunkt
des Altkatholismus? waren sie „römisch-katholisch" oder nicht? erkannten sie
den Papst als ihren Richter an, oder richteten sie umgekehrt den Papst?

Das noch größere Concil zu Costnitz 1415 —1418 aber setzte sogar
drei Päpste ab, und zwar außer Benedict XIII. und Gregor XII. noch den
Papst Johann XXIII. ausdrücklich als überwiesen des Mordes, der Simonie,
des Unglaubens, ja der Ketzerei und aller denkbaren Unzucht. Und dieses
Concil bestand außer dem Kaiser aus 4 Patriarchen. 30 Cardinälen. 33 Erz¬
bischöfen. ISO Bischöfen, 124 Aebten. 4 Churfürsten, 24 Herzogen, einer Menge
andrer Fürsten in Person oder ihren Abgeordneten, 1800 Priestern, einer Un¬
zahl von Doctoren der Theologie und des kanonischen Rechts, den Deputirten
der Universitäten u. s. w. Wir fragen die „Germania": waren diese allesammt
katholisch, oder nicht? waren sie nicht römisch-katholisch? — In Wahrheit
war es eine solche Repräsentation der ganzen römisch-katholischen Kirche, daß.
Wenn sie nicht katholisch. und zwar nicht römisch-katholisch waren, niemand
als römisch-katholisch übrig war. als der Papst selbst. Das war die ganze
abendländische katholische Christenheit, ergo ist der Altkatholicismus der
alleinige wahre ächte Katholicismus!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/135>, abgerufen am 22.07.2024.