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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Eine neue Entwickelung trat aber durch Bonifacius und die politische
Veränderung im fränkischen Reiche ein. Bonifacius bekehrte nach seiner
angelsächsischen Anschauung Deutschland gleich für Rom. und er wies Pipin
für die kirchliche Sanction seines Treubruchs an Rom, und so erkaufte sich
der römische Bischof wiederum durch Sanction eines Treubruchs und der
Revolution den Schutz der fränkischen Könige. Zwar sträubten sich die
fränkischen Bischöfe lange, sich Rom zu unterwerfen (Bonifacius meldet nach
Rom: xromisso non stetörunt), zwar wollte Bonifacius selbst dem
römischen Bischof nur die Patriarchenrechte, Entscheidung seeurnium ca>none>s,
gewähren, und sagt ausdrücklich, es sei dem römischen Bischöfe nur so lange
zu gehorchen, als er selbst nicht vom Glauben abfalle (a, llsminv juäioauÄus,
nisi korts at>xrödc!mal>.tur s, nah clsvius), hat also ganz entschieden die
Unfehlbarkeit verworfen, zwar hat Karl der Große nicht daran ge¬
dacht, den römischen Bischof zum souveränen Herrn des Kirchenstaates zu
Machen (er sollte sein Vasall bleiben), geschweige ihn als Oberhaupt der
ganzen Kirche anzuerkennen (er stellte ihn als den Apostolieus nur als den
ersten Metropoliten des Reichs hin. alle mit ihm auf gleicher Linie, ließ aus
der Sammlung der Kirchengesetze für die fränkische Kirche die canoriLs von
Sardica weg, nach denen jeder an den Bischof von Rom appelliren konnte,
und nahm dagegen die cariones der Concilien von 416 und 418, Verbot der
Appellation nach Rom, auf>. zwar protestirten noch 833 und 844 die fränkischen
Bischöfe gegen jede jurisliietio von Rom, mit der Drohung, den römischen
Bischof zu excommuniciren. zwar protestirten noch ganz besonders 864 die
Erzbischöfe von Cöln und Trier gegen jede Jurisdiction von Rom (Streit
Lothar's mit Nicolaus I.). aber Karl der Große hatte dadurch, daß er die
abendländische Kaiserkrone von Leo II. annahm, das abendländische Kaiser¬
tum in eine solche Verbindung mit dem römischen Bischöfe gebracht, daß
der Wahn sich festsetzte, daß das abendländische Kaiserthum von der Krönung
vom römischen Bischof abhänge, und nun das abendländische Kaiserthum und
das Papstthum als die beiden feindlichen Brüder nicht ohne einander und
nicht mit einander leben können, bis das Papstthum durch die Fehler der
weltlichen Macht unter der Gunst der Verhältnisse das Kaiserthum in den
Staub tritt (zu Canossa 1077).

Diese Erhebung und Ueberhebung des Papstthums vollzog sich aber nach
ihren für die Entwicklung wichtigsten Faktoren und Momenten in folgender
Weise.

Der Druck der Arianer hatte schon früher (490--326) die abendländischen
Bischöfe dazu gedrängt, sich an den römischen Bischof zu wenden, um durch
seine Fürsprache Schutz und Hülfe bei dem ebenfalls arianischen mächtigsten
bürsten der Zeit Theodorich dem Großen (488--526) zu finden, Dionysius


Eine neue Entwickelung trat aber durch Bonifacius und die politische
Veränderung im fränkischen Reiche ein. Bonifacius bekehrte nach seiner
angelsächsischen Anschauung Deutschland gleich für Rom. und er wies Pipin
für die kirchliche Sanction seines Treubruchs an Rom, und so erkaufte sich
der römische Bischof wiederum durch Sanction eines Treubruchs und der
Revolution den Schutz der fränkischen Könige. Zwar sträubten sich die
fränkischen Bischöfe lange, sich Rom zu unterwerfen (Bonifacius meldet nach
Rom: xromisso non stetörunt), zwar wollte Bonifacius selbst dem
römischen Bischof nur die Patriarchenrechte, Entscheidung seeurnium ca>none>s,
gewähren, und sagt ausdrücklich, es sei dem römischen Bischöfe nur so lange
zu gehorchen, als er selbst nicht vom Glauben abfalle (a, llsminv juäioauÄus,
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Unfehlbarkeit verworfen, zwar hat Karl der Große nicht daran ge¬
dacht, den römischen Bischof zum souveränen Herrn des Kirchenstaates zu
Machen (er sollte sein Vasall bleiben), geschweige ihn als Oberhaupt der
ganzen Kirche anzuerkennen (er stellte ihn als den Apostolieus nur als den
ersten Metropoliten des Reichs hin. alle mit ihm auf gleicher Linie, ließ aus
der Sammlung der Kirchengesetze für die fränkische Kirche die canoriLs von
Sardica weg, nach denen jeder an den Bischof von Rom appelliren konnte,
und nahm dagegen die cariones der Concilien von 416 und 418, Verbot der
Appellation nach Rom, auf>. zwar protestirten noch 833 und 844 die fränkischen
Bischöfe gegen jede jurisliietio von Rom, mit der Drohung, den römischen
Bischof zu excommuniciren. zwar protestirten noch ganz besonders 864 die
Erzbischöfe von Cöln und Trier gegen jede Jurisdiction von Rom (Streit
Lothar's mit Nicolaus I.). aber Karl der Große hatte dadurch, daß er die
abendländische Kaiserkrone von Leo II. annahm, das abendländische Kaiser¬
tum in eine solche Verbindung mit dem römischen Bischöfe gebracht, daß
der Wahn sich festsetzte, daß das abendländische Kaiserthum von der Krönung
vom römischen Bischof abhänge, und nun das abendländische Kaiserthum und
das Papstthum als die beiden feindlichen Brüder nicht ohne einander und
nicht mit einander leben können, bis das Papstthum durch die Fehler der
weltlichen Macht unter der Gunst der Verhältnisse das Kaiserthum in den
Staub tritt (zu Canossa 1077).

Diese Erhebung und Ueberhebung des Papstthums vollzog sich aber nach
ihren für die Entwicklung wichtigsten Faktoren und Momenten in folgender
Weise.

Der Druck der Arianer hatte schon früher (490—326) die abendländischen
Bischöfe dazu gedrängt, sich an den römischen Bischof zu wenden, um durch
seine Fürsprache Schutz und Hülfe bei dem ebenfalls arianischen mächtigsten
bürsten der Zeit Theodorich dem Großen (488—526) zu finden, Dionysius


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[0133] Eine neue Entwickelung trat aber durch Bonifacius und die politische Veränderung im fränkischen Reiche ein. Bonifacius bekehrte nach seiner angelsächsischen Anschauung Deutschland gleich für Rom. und er wies Pipin für die kirchliche Sanction seines Treubruchs an Rom, und so erkaufte sich der römische Bischof wiederum durch Sanction eines Treubruchs und der Revolution den Schutz der fränkischen Könige. Zwar sträubten sich die fränkischen Bischöfe lange, sich Rom zu unterwerfen (Bonifacius meldet nach Rom: xromisso non stetörunt), zwar wollte Bonifacius selbst dem römischen Bischof nur die Patriarchenrechte, Entscheidung seeurnium ca>none>s, gewähren, und sagt ausdrücklich, es sei dem römischen Bischöfe nur so lange zu gehorchen, als er selbst nicht vom Glauben abfalle (a, llsminv juäioauÄus, nisi korts at>xrödc!mal>.tur s, nah clsvius), hat also ganz entschieden die Unfehlbarkeit verworfen, zwar hat Karl der Große nicht daran ge¬ dacht, den römischen Bischof zum souveränen Herrn des Kirchenstaates zu Machen (er sollte sein Vasall bleiben), geschweige ihn als Oberhaupt der ganzen Kirche anzuerkennen (er stellte ihn als den Apostolieus nur als den ersten Metropoliten des Reichs hin. alle mit ihm auf gleicher Linie, ließ aus der Sammlung der Kirchengesetze für die fränkische Kirche die canoriLs von Sardica weg, nach denen jeder an den Bischof von Rom appelliren konnte, und nahm dagegen die cariones der Concilien von 416 und 418, Verbot der Appellation nach Rom, auf>. zwar protestirten noch 833 und 844 die fränkischen Bischöfe gegen jede jurisliietio von Rom, mit der Drohung, den römischen Bischof zu excommuniciren. zwar protestirten noch ganz besonders 864 die Erzbischöfe von Cöln und Trier gegen jede Jurisdiction von Rom (Streit Lothar's mit Nicolaus I.). aber Karl der Große hatte dadurch, daß er die abendländische Kaiserkrone von Leo II. annahm, das abendländische Kaiser¬ tum in eine solche Verbindung mit dem römischen Bischöfe gebracht, daß der Wahn sich festsetzte, daß das abendländische Kaiserthum von der Krönung vom römischen Bischof abhänge, und nun das abendländische Kaiserthum und das Papstthum als die beiden feindlichen Brüder nicht ohne einander und nicht mit einander leben können, bis das Papstthum durch die Fehler der weltlichen Macht unter der Gunst der Verhältnisse das Kaiserthum in den Staub tritt (zu Canossa 1077). Diese Erhebung und Ueberhebung des Papstthums vollzog sich aber nach ihren für die Entwicklung wichtigsten Faktoren und Momenten in folgender Weise. Der Druck der Arianer hatte schon früher (490—326) die abendländischen Bischöfe dazu gedrängt, sich an den römischen Bischof zu wenden, um durch seine Fürsprache Schutz und Hülfe bei dem ebenfalls arianischen mächtigsten bürsten der Zeit Theodorich dem Großen (488—526) zu finden, Dionysius

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/133>, abgerufen am 22.07.2024.