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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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für ganz specielle historische Verhältnisse und jedem Bischof darum nur per¬
sönlich zugesprochnen Rechte werden dann zu Constantinopel von dem 2, öku¬
menischen Concil wieder förmlich cassirt; weil aber dort dem Bischof von
Constantinopel als dem der neuen Hauptstadt (Neu-Rom) die gleichen Rechte
mit den drei anderen großen Bischöfen gegeben werden, wird dem Bischof von
Rom als Bischof der (alten und eigentlichen) Hauptstadt (wohlzumerken als
Bischof der Hauptstadt, nicht als Nachfolger Petri) ein Ehrenvorrang zu¬
gestanden, aber auch dieser, als das ostiömische Reich durch die Theilung 395
selbständig geworden war, dem römischen Bischof von dem 4. öcumenischen
Concil zu Chalcedon 461, wieder abgesprochen, und mit Hinzunahme des Bi¬
schofs von Jerusalem werden die 5 großen Bischöfe von Antiochien, Aleran-
drien, Rom, Constantinopel und Jerusalem mit dem neuen Namen "Patriarchen"
sich in Ehre und Rechten ganz gleichgestellt. Freilich suchen nun die römischen
Bischöfe ihre Rechte zu erweitern zur Jurisdiction, aber die Concilien von
Carthago 416 und 418 verbieten die axxsUlltiones trausmaiiuas, und das
von Leo dem Großen erschlichene veoretum Valontiniimi III. 445 wird so wenig
im Abendlande, als im Morgenlande anerkannt (erst als das Argument der
Hauptstadt durch den gleichen Charakter Constantinopels seine Kraft verloren
hatte, stellen die römischen Bischöfe die eatdeclrg, ?etri in den Vordergrund),
und als der Patriarch von Constantinopel Johannes Jejunator sich auf einem
Concil 587 den Titel "Allgemeiner Bischof" beilegte, da protestirten noch die
römischen Bischöfe Pelagius II. und Gregor der Große; dieser nannte sich
LLi-vus Lvi-vornen und erklärte jeden Bischof für den Antichrist, der sich über
die anderen Bischöfe erheben wolle (erklärte also damit den infallibeln Papst
für den Teufel selbst). Dagegen verschaffte sich sein Nachfolger Bonifacius III.
durch Anerkennung des Mörders und Thronräubers Phocas in Constantinopel
606 den Titel "Pabst". Das ist der Ursprung dieses Namens.

Aber obgleich Gregor der Große (590--604) die Unterwerfung von Eng¬
land eingeleitet hatte (nur nicht der altbrittischen Kirche), so ging doch durch
die politischen Verhältnisse (germanische Völker, Islam) Ansehen und Macht
der römischen Bischöfe so zurück, daß ihre Macht 714 beschränkt war auf
den Stadtsprengel von Rom, Unteritalien, Sicilien, Corsica und die angel¬
sächsische Kirche, und 730 wurde ihnen auch noch Unteritalien durch den
griechischen Kaiser Leo Jsaurus entrissen.

War danach der römische Bischof bis 730 nicht der Einheitspunkt der
Christenheit, so war er noch weniger das infallibele Oberhaupt. Denn 680
wurde von dem 6. öcumenischen Concil zu Constantinopel der römische Bischof
Honorius ausdrücklich als Ketzer, 692 aber ebendaselbst (quinisextum)
die ganze römische Kirche für ketzerisch erklärt und ausdrücklich wieder der
Bischof von Constantinopel dem römischen gleichgestellt.


für ganz specielle historische Verhältnisse und jedem Bischof darum nur per¬
sönlich zugesprochnen Rechte werden dann zu Constantinopel von dem 2, öku¬
menischen Concil wieder förmlich cassirt; weil aber dort dem Bischof von
Constantinopel als dem der neuen Hauptstadt (Neu-Rom) die gleichen Rechte
mit den drei anderen großen Bischöfen gegeben werden, wird dem Bischof von
Rom als Bischof der (alten und eigentlichen) Hauptstadt (wohlzumerken als
Bischof der Hauptstadt, nicht als Nachfolger Petri) ein Ehrenvorrang zu¬
gestanden, aber auch dieser, als das ostiömische Reich durch die Theilung 395
selbständig geworden war, dem römischen Bischof von dem 4. öcumenischen
Concil zu Chalcedon 461, wieder abgesprochen, und mit Hinzunahme des Bi¬
schofs von Jerusalem werden die 5 großen Bischöfe von Antiochien, Aleran-
drien, Rom, Constantinopel und Jerusalem mit dem neuen Namen „Patriarchen"
sich in Ehre und Rechten ganz gleichgestellt. Freilich suchen nun die römischen
Bischöfe ihre Rechte zu erweitern zur Jurisdiction, aber die Concilien von
Carthago 416 und 418 verbieten die axxsUlltiones trausmaiiuas, und das
von Leo dem Großen erschlichene veoretum Valontiniimi III. 445 wird so wenig
im Abendlande, als im Morgenlande anerkannt (erst als das Argument der
Hauptstadt durch den gleichen Charakter Constantinopels seine Kraft verloren
hatte, stellen die römischen Bischöfe die eatdeclrg, ?etri in den Vordergrund),
und als der Patriarch von Constantinopel Johannes Jejunator sich auf einem
Concil 587 den Titel „Allgemeiner Bischof" beilegte, da protestirten noch die
römischen Bischöfe Pelagius II. und Gregor der Große; dieser nannte sich
LLi-vus Lvi-vornen und erklärte jeden Bischof für den Antichrist, der sich über
die anderen Bischöfe erheben wolle (erklärte also damit den infallibeln Papst
für den Teufel selbst). Dagegen verschaffte sich sein Nachfolger Bonifacius III.
durch Anerkennung des Mörders und Thronräubers Phocas in Constantinopel
606 den Titel „Pabst". Das ist der Ursprung dieses Namens.

Aber obgleich Gregor der Große (590—604) die Unterwerfung von Eng¬
land eingeleitet hatte (nur nicht der altbrittischen Kirche), so ging doch durch
die politischen Verhältnisse (germanische Völker, Islam) Ansehen und Macht
der römischen Bischöfe so zurück, daß ihre Macht 714 beschränkt war auf
den Stadtsprengel von Rom, Unteritalien, Sicilien, Corsica und die angel¬
sächsische Kirche, und 730 wurde ihnen auch noch Unteritalien durch den
griechischen Kaiser Leo Jsaurus entrissen.

War danach der römische Bischof bis 730 nicht der Einheitspunkt der
Christenheit, so war er noch weniger das infallibele Oberhaupt. Denn 680
wurde von dem 6. öcumenischen Concil zu Constantinopel der römische Bischof
Honorius ausdrücklich als Ketzer, 692 aber ebendaselbst (quinisextum)
die ganze römische Kirche für ketzerisch erklärt und ausdrücklich wieder der
Bischof von Constantinopel dem römischen gleichgestellt.


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[0132] für ganz specielle historische Verhältnisse und jedem Bischof darum nur per¬ sönlich zugesprochnen Rechte werden dann zu Constantinopel von dem 2, öku¬ menischen Concil wieder förmlich cassirt; weil aber dort dem Bischof von Constantinopel als dem der neuen Hauptstadt (Neu-Rom) die gleichen Rechte mit den drei anderen großen Bischöfen gegeben werden, wird dem Bischof von Rom als Bischof der (alten und eigentlichen) Hauptstadt (wohlzumerken als Bischof der Hauptstadt, nicht als Nachfolger Petri) ein Ehrenvorrang zu¬ gestanden, aber auch dieser, als das ostiömische Reich durch die Theilung 395 selbständig geworden war, dem römischen Bischof von dem 4. öcumenischen Concil zu Chalcedon 461, wieder abgesprochen, und mit Hinzunahme des Bi¬ schofs von Jerusalem werden die 5 großen Bischöfe von Antiochien, Aleran- drien, Rom, Constantinopel und Jerusalem mit dem neuen Namen „Patriarchen" sich in Ehre und Rechten ganz gleichgestellt. Freilich suchen nun die römischen Bischöfe ihre Rechte zu erweitern zur Jurisdiction, aber die Concilien von Carthago 416 und 418 verbieten die axxsUlltiones trausmaiiuas, und das von Leo dem Großen erschlichene veoretum Valontiniimi III. 445 wird so wenig im Abendlande, als im Morgenlande anerkannt (erst als das Argument der Hauptstadt durch den gleichen Charakter Constantinopels seine Kraft verloren hatte, stellen die römischen Bischöfe die eatdeclrg, ?etri in den Vordergrund), und als der Patriarch von Constantinopel Johannes Jejunator sich auf einem Concil 587 den Titel „Allgemeiner Bischof" beilegte, da protestirten noch die römischen Bischöfe Pelagius II. und Gregor der Große; dieser nannte sich LLi-vus Lvi-vornen und erklärte jeden Bischof für den Antichrist, der sich über die anderen Bischöfe erheben wolle (erklärte also damit den infallibeln Papst für den Teufel selbst). Dagegen verschaffte sich sein Nachfolger Bonifacius III. durch Anerkennung des Mörders und Thronräubers Phocas in Constantinopel 606 den Titel „Pabst". Das ist der Ursprung dieses Namens. Aber obgleich Gregor der Große (590—604) die Unterwerfung von Eng¬ land eingeleitet hatte (nur nicht der altbrittischen Kirche), so ging doch durch die politischen Verhältnisse (germanische Völker, Islam) Ansehen und Macht der römischen Bischöfe so zurück, daß ihre Macht 714 beschränkt war auf den Stadtsprengel von Rom, Unteritalien, Sicilien, Corsica und die angel¬ sächsische Kirche, und 730 wurde ihnen auch noch Unteritalien durch den griechischen Kaiser Leo Jsaurus entrissen. War danach der römische Bischof bis 730 nicht der Einheitspunkt der Christenheit, so war er noch weniger das infallibele Oberhaupt. Denn 680 wurde von dem 6. öcumenischen Concil zu Constantinopel der römische Bischof Honorius ausdrücklich als Ketzer, 692 aber ebendaselbst (quinisextum) die ganze römische Kirche für ketzerisch erklärt und ausdrücklich wieder der Bischof von Constantinopel dem römischen gleichgestellt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/132>, abgerufen am 22.07.2024.