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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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leisten zu können; aber unter Führern wie die Grafen von Ortenburg, Hag
und Virneburg, wie die Herren von Losenstein, Fleckenstein und Marx Sittich
von Embs war es trotz seiner großen Verluste nicht auseinandergekommen.
Sandoval, der gern der Deutschen Verdienst übersieht und das der Spanier
überschätzt, erzählt, wie der Miner Jorge, das ist Georg von Frundsberg.
noch ehe er mit seinen wackeren Knechten selbst zum Angriff gekommen, die
Lücken geschlossen, welche die Kanonenkugeln gerissen, und die Versprengten,
gleichgiltig ob es Deutsche oder Spanier, mit dem Ausruf: I^rmi, dei-mi! --
beim Aermel in seinen Haufen gezogen.*) So hatte der biedere Landsknechts¬
vater die Seinen zusammengehalten; aber er vergaß über solchen Einzel¬
eingriffen keinesweges das große Ganze. Sobald der Reiterkampf, der längere
Zeit im Centrum getobt und die jähe tumultuarische Flucht der ihm gegen¬
überstehenden Schweizer den Blick nach dem rechten Flügel der Kaiserlichen
nicht mehr verhinderten, erkannte Frundsberg, daß dort die Entscheidung läge
und setzte sich sofort schräg über das Schlachtfeld in Bewegung. Er kam
grade zu rechter Zeit. Sobald die schwarzen Knechte des Heranzuges der
Deutschen ansichtig wurden, ließen sie vom ferneren Nachsetzen der Spanier
ab, lösten sich von den Schweizern und ordneten sich aufs Neue, um den
Kampf mit ihren gefurchtsten Gegnern anzunehmen. Diese, ihrer Gewohnheit
gemäß, ließen sich zuvor aufs Knie nieder, beteten zu Gott um Sieg, und
schritten dann zum Angriff vor.**) Ihnen war der tapfere Peseara entgegen¬
geeilt, sie mit kräftigen Worten zu Ausdauer und zum Muth anfeuernd.***)
Er mahnte sie, jetzt nicht abzulassen und nur immer nachzudrücken; er
rühmte, wie Frundsberg seither in allen Kriegen große Ehre eingelegt und
wie er jetzt die allergrößte Victoria erlangen und ein glücklich Ende machen
könne. -- Auch Bourbon schloß sich dem deutschen Haufen an. -- Es war
eine unheimliche Stille; kein Schlachtruf erscholl, kein lautes "Her! Her!",
womit die Landsknechte sonst stets den Angriff begleiteten; stumm und ge¬
schlossen gingen sich die beiden von gefällten Speeren starrenden Massen ent¬
gegen. Als man einander auf Büchsenschuß-Weite genaht, trat Georg Langen-
mantel hervor und forderte Herrn Georg von Frundsberg oder Herrn Marx
von Embs zum Zweikampf heraus. Doch noch ehe er Antwort erhalten,
streckten ihn als einen Landverräther schon die Kugeln der Hakenschützen
nieder; die Knechte hieben ihm den Arm mit der Schiene und den goldenen
Fingerreifen ab und führten ihn als Siegeszeichen mit. Nun ging es gegen
den hellen Haufen der Schwarzen an. Deutsche standen hier gegen Deutsche,





*) Sandoval,
") Sandoval und Sepnlveda: Historia no Lello in Italie per "nnos XV. se vonksow
L.egit1lo ^IdorllÄtio. üonori 1559,
P. Jovius.

leisten zu können; aber unter Führern wie die Grafen von Ortenburg, Hag
und Virneburg, wie die Herren von Losenstein, Fleckenstein und Marx Sittich
von Embs war es trotz seiner großen Verluste nicht auseinandergekommen.
Sandoval, der gern der Deutschen Verdienst übersieht und das der Spanier
überschätzt, erzählt, wie der Miner Jorge, das ist Georg von Frundsberg.
noch ehe er mit seinen wackeren Knechten selbst zum Angriff gekommen, die
Lücken geschlossen, welche die Kanonenkugeln gerissen, und die Versprengten,
gleichgiltig ob es Deutsche oder Spanier, mit dem Ausruf: I^rmi, dei-mi! —
beim Aermel in seinen Haufen gezogen.*) So hatte der biedere Landsknechts¬
vater die Seinen zusammengehalten; aber er vergaß über solchen Einzel¬
eingriffen keinesweges das große Ganze. Sobald der Reiterkampf, der längere
Zeit im Centrum getobt und die jähe tumultuarische Flucht der ihm gegen¬
überstehenden Schweizer den Blick nach dem rechten Flügel der Kaiserlichen
nicht mehr verhinderten, erkannte Frundsberg, daß dort die Entscheidung läge
und setzte sich sofort schräg über das Schlachtfeld in Bewegung. Er kam
grade zu rechter Zeit. Sobald die schwarzen Knechte des Heranzuges der
Deutschen ansichtig wurden, ließen sie vom ferneren Nachsetzen der Spanier
ab, lösten sich von den Schweizern und ordneten sich aufs Neue, um den
Kampf mit ihren gefurchtsten Gegnern anzunehmen. Diese, ihrer Gewohnheit
gemäß, ließen sich zuvor aufs Knie nieder, beteten zu Gott um Sieg, und
schritten dann zum Angriff vor.**) Ihnen war der tapfere Peseara entgegen¬
geeilt, sie mit kräftigen Worten zu Ausdauer und zum Muth anfeuernd.***)
Er mahnte sie, jetzt nicht abzulassen und nur immer nachzudrücken; er
rühmte, wie Frundsberg seither in allen Kriegen große Ehre eingelegt und
wie er jetzt die allergrößte Victoria erlangen und ein glücklich Ende machen
könne. — Auch Bourbon schloß sich dem deutschen Haufen an. — Es war
eine unheimliche Stille; kein Schlachtruf erscholl, kein lautes „Her! Her!",
womit die Landsknechte sonst stets den Angriff begleiteten; stumm und ge¬
schlossen gingen sich die beiden von gefällten Speeren starrenden Massen ent¬
gegen. Als man einander auf Büchsenschuß-Weite genaht, trat Georg Langen-
mantel hervor und forderte Herrn Georg von Frundsberg oder Herrn Marx
von Embs zum Zweikampf heraus. Doch noch ehe er Antwort erhalten,
streckten ihn als einen Landverräther schon die Kugeln der Hakenschützen
nieder; die Knechte hieben ihm den Arm mit der Schiene und den goldenen
Fingerreifen ab und führten ihn als Siegeszeichen mit. Nun ging es gegen
den hellen Haufen der Schwarzen an. Deutsche standen hier gegen Deutsche,





*) Sandoval,
") Sandoval und Sepnlveda: Historia no Lello in Italie per »nnos XV. se vonksow
L.egit1lo ^IdorllÄtio. üonori 1559,
P. Jovius.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/111>, abgerufen am 22.07.2024.