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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Krone vom Haupte schlug.*) Wahrlich .hier bei Pavia schlug des Herzogs
Flucht dem eigenen Könige einen Theil seiner Krone vom Haupt. Der ganze
rechte Flügel wälzte sich in tumultuarischer Unordnung dem Ticino zu und
riß Alles mit sich fort, was ihm in den Weg zu treten versuchte.

So schlimm stand es freilich im Centrum noch nicht. Der größere
Gewalthaufe der Schweizer, welcher diesem zunächst stand, war noch geschlossen;
aber freilich nur in stumpfsinnigen Aushalten, nicht in muthvoller Festigkeit.
Die Gensdarmerie hatte sich wieder gefaßt; sie machte dem Feinde gegenüber
aufs Neue Front; aber sie war so eng und dicht mit den kaiserlichen Reisigen
vermischt, daß an ein Herausziehn derselben aus dem Gefechte nicht zu denken
war. So blieben denn zur Wiederherstellung der Schlacht dem Könige von
Frankreich nur noch die geächteten schwarzen Fahnen der deutschen Knechte
übrig, welche links der Gensdarmerie standen und, weit entfernt gleich den
Schweizern das Feld zu räumen, unerschütterlich standhielten. Zu ihrer
wirklich großen Tüchtigkeit und alten Anhänglichkeit an die französische Krone
kam noch der Umstand, daß ihnen die Acht, in der sie standen, nur die Wahl
ließ zwischen Sieg oder Tod, wenn sie nicht von vorneherein schimpflich fliehen
wollten. -- Es waren noch immer 8000 Mann lothringischer und geldernscher
Knechte, von Kopf bis Fuß schwarz geharnischt, vortrefflich bewaffnet und
in ausgezeichneter Mannszucht.

Gegen diese gefürchtete Schaaren rückte nun Pescara mit seinen Spaniern,
die ihnen von Anfang, wie wir gesehen, gegenüber gestanden, an. Der
eine Gewalthaufe der Schweizer, welcher nicht geflohen, aber doch langsam in
südwestlicher Richtung zurückgewichen war, stieß in diesem Augenblicke mit der
schwarzen Bande zusammen und vereinigte sich mit ihr zu einem furchtbaren
Haufen. Beide Theile kämpften hier, ihres wohlerworbenen Ruhmes würdig,
geraume Zeit. Doch endlich schien die überwiegende Anzahl der Streiter in
jenem Schlachthaufen den Spaniern verderblich werden zu müssen, zumal sich
an den Kern des schwarzen Haufens immer neue Theile der auseinander¬
getriebenen Fahnen der Schweizer und Franzosen anhingen. Denn schon
focht die deutsche Reiterei zum Theil im Rücken der Schwarzen und erschwerte
die Flucht auch denen, die fliehen wollten. So wuchs der widerstehende
Fußvolkshaufe nach und nach auf 13,000 Mann an, und es scheint, daß
sich diese Masse mit der linken Flanke an den Canal von Pavia stützte und
zuletzt, halbrechts angriffsweise vorgehend, die spanischen und italienischen
Truppen Pescara's, welche immer schneller wichen, vor sich hertrieb. -- Nun
aber griff auch von kaiserlicher Seite das deutsche Fußvolk Frundsberg's ein.
Lange Zeit hatte dies im furchtbarsten Artilleriefeuer gestanden, ohne etwas



-) v. Schon'heiuui,

Krone vom Haupte schlug.*) Wahrlich .hier bei Pavia schlug des Herzogs
Flucht dem eigenen Könige einen Theil seiner Krone vom Haupt. Der ganze
rechte Flügel wälzte sich in tumultuarischer Unordnung dem Ticino zu und
riß Alles mit sich fort, was ihm in den Weg zu treten versuchte.

So schlimm stand es freilich im Centrum noch nicht. Der größere
Gewalthaufe der Schweizer, welcher diesem zunächst stand, war noch geschlossen;
aber freilich nur in stumpfsinnigen Aushalten, nicht in muthvoller Festigkeit.
Die Gensdarmerie hatte sich wieder gefaßt; sie machte dem Feinde gegenüber
aufs Neue Front; aber sie war so eng und dicht mit den kaiserlichen Reisigen
vermischt, daß an ein Herausziehn derselben aus dem Gefechte nicht zu denken
war. So blieben denn zur Wiederherstellung der Schlacht dem Könige von
Frankreich nur noch die geächteten schwarzen Fahnen der deutschen Knechte
übrig, welche links der Gensdarmerie standen und, weit entfernt gleich den
Schweizern das Feld zu räumen, unerschütterlich standhielten. Zu ihrer
wirklich großen Tüchtigkeit und alten Anhänglichkeit an die französische Krone
kam noch der Umstand, daß ihnen die Acht, in der sie standen, nur die Wahl
ließ zwischen Sieg oder Tod, wenn sie nicht von vorneherein schimpflich fliehen
wollten. — Es waren noch immer 8000 Mann lothringischer und geldernscher
Knechte, von Kopf bis Fuß schwarz geharnischt, vortrefflich bewaffnet und
in ausgezeichneter Mannszucht.

Gegen diese gefürchtete Schaaren rückte nun Pescara mit seinen Spaniern,
die ihnen von Anfang, wie wir gesehen, gegenüber gestanden, an. Der
eine Gewalthaufe der Schweizer, welcher nicht geflohen, aber doch langsam in
südwestlicher Richtung zurückgewichen war, stieß in diesem Augenblicke mit der
schwarzen Bande zusammen und vereinigte sich mit ihr zu einem furchtbaren
Haufen. Beide Theile kämpften hier, ihres wohlerworbenen Ruhmes würdig,
geraume Zeit. Doch endlich schien die überwiegende Anzahl der Streiter in
jenem Schlachthaufen den Spaniern verderblich werden zu müssen, zumal sich
an den Kern des schwarzen Haufens immer neue Theile der auseinander¬
getriebenen Fahnen der Schweizer und Franzosen anhingen. Denn schon
focht die deutsche Reiterei zum Theil im Rücken der Schwarzen und erschwerte
die Flucht auch denen, die fliehen wollten. So wuchs der widerstehende
Fußvolkshaufe nach und nach auf 13,000 Mann an, und es scheint, daß
sich diese Masse mit der linken Flanke an den Canal von Pavia stützte und
zuletzt, halbrechts angriffsweise vorgehend, die spanischen und italienischen
Truppen Pescara's, welche immer schneller wichen, vor sich hertrieb. — Nun
aber griff auch von kaiserlicher Seite das deutsche Fußvolk Frundsberg's ein.
Lange Zeit hatte dies im furchtbarsten Artilleriefeuer gestanden, ohne etwas



-) v. Schon'heiuui,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/110>, abgerufen am 22.07.2024.