Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Achtung und Auszeichnung behandelt hatte, auch sehr erklärlich war, jedes
Ausdrucks der Sympathie für den Auserwählten der Rechten; aber nichts
destoweniger schnitt seine Antwort den Republikanern jede Hoffnung ab, daß
er durch seine Haltung der Wiederherstellung Heinrich's von Bourbon Schwie¬
rigkeiten werde in den Weg legen. Ja, durch die Erklärung, daß er mit der
Rechten stehen und fallen werde, daß er für den Fall einer Niederlage der¬
selben die sofortige Proclamation der Republik und die Ernennung eines
republicanischen Präsidenten als unvermeidlich bezeichnete, leistete er der Mehr¬
heit einen ganz unschätzbaren Dienst. Die Proclamation der Republik, die
Wahl eines Staatsoberhauptes aus den Reihen der Republikaner galt ja in den
Augen der bei jeder Abstimmung den Ausschlag gebenden neutralen Mitglieder
der Nationalversammlung als erster Schritt aus der Bahn, die zur Herrschaft
des Radicalismus führen mußte.

Diese den auf Wiederherstellung des Königthums gerichteten Bestrebungen
so günstige Erklärung des Marschalls war einige Tage vor der verhängniß-
vollen Sitzung des Ausschusses am 23. October abgegeben worden. Alle Mit¬
theilungen, welche die Zeitungen über jene Aeußerungen brachten, stimmten
dem Inhalte nach vollkommen überetn, wenn sie auch im Wortlaute etwas
von einander abwichen. Zwei Tage aber nach der Sitzung brachten die Zei¬
tungen die Mittheilung, Mac Mahon habe die seinen Worten gegebene Aus¬
legung einem auswärtigen Diplomaten gegenüber für unrichtig erklärt. Er
sei allerdings fest entschlossen, mit seinem Cabinet zurückzutreten, wenn die
Linke der Nationalversammlung zur Majorität werde; dagegen würde er trotz
der etwaigen Ablehnung der auf Wiederherstellung des Königthums zielenden
Anträge im Amte bleiben können, wenn die bisherige Majorität dessen unge¬
achtet sich der Linken gegenüber von Neuem zusammenschlösse.

Das war allerdings eine authentische Interpretation der Worte des
Marschalls, die den Sinn derselben so ziemlich in ihr Gegentheil umkehrte.
In seiner Erklärung hatte Mac Mahon jeden Gedanken an eine Verlängerung
seiner Vollmachten abgewiesen; in der Erläuterung bezeichnete er ganz be¬
stimmt die Bedingung, unter der er zum Verbleiben im Amte entschlossen sei,
wenn die Wiederherstellung des Königthums scheitern sollte. Diese Bedingung
war die Reconstruction der alten Majorität vom 24. Mai; an der Erfüllung
derselben ließ sich kaum zweifeln, da außer den Neutralen auch die Bonapar¬
tisten die Vollmachtenverlängerung wünschten und sich also voraussehen ließ
daß, vielleicht einige Mitglieder der äußersten Rechten ausgenommen, die Sieger
vom 24. Mai und diejenigen Mitglieder des Hauses, welche sich nach und
nach den Siegern angeschlossen hatten, sich nochmals zur Aufrechthaltung des
gegenwärtigen Zustandes die Hände reichen würden.


Achtung und Auszeichnung behandelt hatte, auch sehr erklärlich war, jedes
Ausdrucks der Sympathie für den Auserwählten der Rechten; aber nichts
destoweniger schnitt seine Antwort den Republikanern jede Hoffnung ab, daß
er durch seine Haltung der Wiederherstellung Heinrich's von Bourbon Schwie¬
rigkeiten werde in den Weg legen. Ja, durch die Erklärung, daß er mit der
Rechten stehen und fallen werde, daß er für den Fall einer Niederlage der¬
selben die sofortige Proclamation der Republik und die Ernennung eines
republicanischen Präsidenten als unvermeidlich bezeichnete, leistete er der Mehr¬
heit einen ganz unschätzbaren Dienst. Die Proclamation der Republik, die
Wahl eines Staatsoberhauptes aus den Reihen der Republikaner galt ja in den
Augen der bei jeder Abstimmung den Ausschlag gebenden neutralen Mitglieder
der Nationalversammlung als erster Schritt aus der Bahn, die zur Herrschaft
des Radicalismus führen mußte.

Diese den auf Wiederherstellung des Königthums gerichteten Bestrebungen
so günstige Erklärung des Marschalls war einige Tage vor der verhängniß-
vollen Sitzung des Ausschusses am 23. October abgegeben worden. Alle Mit¬
theilungen, welche die Zeitungen über jene Aeußerungen brachten, stimmten
dem Inhalte nach vollkommen überetn, wenn sie auch im Wortlaute etwas
von einander abwichen. Zwei Tage aber nach der Sitzung brachten die Zei¬
tungen die Mittheilung, Mac Mahon habe die seinen Worten gegebene Aus¬
legung einem auswärtigen Diplomaten gegenüber für unrichtig erklärt. Er
sei allerdings fest entschlossen, mit seinem Cabinet zurückzutreten, wenn die
Linke der Nationalversammlung zur Majorität werde; dagegen würde er trotz
der etwaigen Ablehnung der auf Wiederherstellung des Königthums zielenden
Anträge im Amte bleiben können, wenn die bisherige Majorität dessen unge¬
achtet sich der Linken gegenüber von Neuem zusammenschlösse.

Das war allerdings eine authentische Interpretation der Worte des
Marschalls, die den Sinn derselben so ziemlich in ihr Gegentheil umkehrte.
In seiner Erklärung hatte Mac Mahon jeden Gedanken an eine Verlängerung
seiner Vollmachten abgewiesen; in der Erläuterung bezeichnete er ganz be¬
stimmt die Bedingung, unter der er zum Verbleiben im Amte entschlossen sei,
wenn die Wiederherstellung des Königthums scheitern sollte. Diese Bedingung
war die Reconstruction der alten Majorität vom 24. Mai; an der Erfüllung
derselben ließ sich kaum zweifeln, da außer den Neutralen auch die Bonapar¬
tisten die Vollmachtenverlängerung wünschten und sich also voraussehen ließ
daß, vielleicht einige Mitglieder der äußersten Rechten ausgenommen, die Sieger
vom 24. Mai und diejenigen Mitglieder des Hauses, welche sich nach und
nach den Siegern angeschlossen hatten, sich nochmals zur Aufrechthaltung des
gegenwärtigen Zustandes die Hände reichen würden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0497" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131141"/>
          <p xml:id="ID_1396" prev="#ID_1395"> Achtung und Auszeichnung behandelt hatte, auch sehr erklärlich war, jedes<lb/>
Ausdrucks der Sympathie für den Auserwählten der Rechten; aber nichts<lb/>
destoweniger schnitt seine Antwort den Republikanern jede Hoffnung ab, daß<lb/>
er durch seine Haltung der Wiederherstellung Heinrich's von Bourbon Schwie¬<lb/>
rigkeiten werde in den Weg legen. Ja, durch die Erklärung, daß er mit der<lb/>
Rechten stehen und fallen werde, daß er für den Fall einer Niederlage der¬<lb/>
selben die sofortige Proclamation der Republik und die Ernennung eines<lb/>
republicanischen Präsidenten als unvermeidlich bezeichnete, leistete er der Mehr¬<lb/>
heit einen ganz unschätzbaren Dienst. Die Proclamation der Republik, die<lb/>
Wahl eines Staatsoberhauptes aus den Reihen der Republikaner galt ja in den<lb/>
Augen der bei jeder Abstimmung den Ausschlag gebenden neutralen Mitglieder<lb/>
der Nationalversammlung als erster Schritt aus der Bahn, die zur Herrschaft<lb/>
des Radicalismus führen mußte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1397"> Diese den auf Wiederherstellung des Königthums gerichteten Bestrebungen<lb/>
so günstige Erklärung des Marschalls war einige Tage vor der verhängniß-<lb/>
vollen Sitzung des Ausschusses am 23. October abgegeben worden. Alle Mit¬<lb/>
theilungen, welche die Zeitungen über jene Aeußerungen brachten, stimmten<lb/>
dem Inhalte nach vollkommen überetn, wenn sie auch im Wortlaute etwas<lb/>
von einander abwichen. Zwei Tage aber nach der Sitzung brachten die Zei¬<lb/>
tungen die Mittheilung, Mac Mahon habe die seinen Worten gegebene Aus¬<lb/>
legung einem auswärtigen Diplomaten gegenüber für unrichtig erklärt. Er<lb/>
sei allerdings fest entschlossen, mit seinem Cabinet zurückzutreten, wenn die<lb/>
Linke der Nationalversammlung zur Majorität werde; dagegen würde er trotz<lb/>
der etwaigen Ablehnung der auf Wiederherstellung des Königthums zielenden<lb/>
Anträge im Amte bleiben können, wenn die bisherige Majorität dessen unge¬<lb/>
achtet sich der Linken gegenüber von Neuem zusammenschlösse.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1398"> Das war allerdings eine authentische Interpretation der Worte des<lb/>
Marschalls, die den Sinn derselben so ziemlich in ihr Gegentheil umkehrte.<lb/>
In seiner Erklärung hatte Mac Mahon jeden Gedanken an eine Verlängerung<lb/>
seiner Vollmachten abgewiesen; in der Erläuterung bezeichnete er ganz be¬<lb/>
stimmt die Bedingung, unter der er zum Verbleiben im Amte entschlossen sei,<lb/>
wenn die Wiederherstellung des Königthums scheitern sollte. Diese Bedingung<lb/>
war die Reconstruction der alten Majorität vom 24. Mai; an der Erfüllung<lb/>
derselben ließ sich kaum zweifeln, da außer den Neutralen auch die Bonapar¬<lb/>
tisten die Vollmachtenverlängerung wünschten und sich also voraussehen ließ<lb/>
daß, vielleicht einige Mitglieder der äußersten Rechten ausgenommen, die Sieger<lb/>
vom 24. Mai und diejenigen Mitglieder des Hauses, welche sich nach und<lb/>
nach den Siegern angeschlossen hatten, sich nochmals zur Aufrechthaltung des<lb/>
gegenwärtigen Zustandes die Hände reichen würden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0497] Achtung und Auszeichnung behandelt hatte, auch sehr erklärlich war, jedes Ausdrucks der Sympathie für den Auserwählten der Rechten; aber nichts destoweniger schnitt seine Antwort den Republikanern jede Hoffnung ab, daß er durch seine Haltung der Wiederherstellung Heinrich's von Bourbon Schwie¬ rigkeiten werde in den Weg legen. Ja, durch die Erklärung, daß er mit der Rechten stehen und fallen werde, daß er für den Fall einer Niederlage der¬ selben die sofortige Proclamation der Republik und die Ernennung eines republicanischen Präsidenten als unvermeidlich bezeichnete, leistete er der Mehr¬ heit einen ganz unschätzbaren Dienst. Die Proclamation der Republik, die Wahl eines Staatsoberhauptes aus den Reihen der Republikaner galt ja in den Augen der bei jeder Abstimmung den Ausschlag gebenden neutralen Mitglieder der Nationalversammlung als erster Schritt aus der Bahn, die zur Herrschaft des Radicalismus führen mußte. Diese den auf Wiederherstellung des Königthums gerichteten Bestrebungen so günstige Erklärung des Marschalls war einige Tage vor der verhängniß- vollen Sitzung des Ausschusses am 23. October abgegeben worden. Alle Mit¬ theilungen, welche die Zeitungen über jene Aeußerungen brachten, stimmten dem Inhalte nach vollkommen überetn, wenn sie auch im Wortlaute etwas von einander abwichen. Zwei Tage aber nach der Sitzung brachten die Zei¬ tungen die Mittheilung, Mac Mahon habe die seinen Worten gegebene Aus¬ legung einem auswärtigen Diplomaten gegenüber für unrichtig erklärt. Er sei allerdings fest entschlossen, mit seinem Cabinet zurückzutreten, wenn die Linke der Nationalversammlung zur Majorität werde; dagegen würde er trotz der etwaigen Ablehnung der auf Wiederherstellung des Königthums zielenden Anträge im Amte bleiben können, wenn die bisherige Majorität dessen unge¬ achtet sich der Linken gegenüber von Neuem zusammenschlösse. Das war allerdings eine authentische Interpretation der Worte des Marschalls, die den Sinn derselben so ziemlich in ihr Gegentheil umkehrte. In seiner Erklärung hatte Mac Mahon jeden Gedanken an eine Verlängerung seiner Vollmachten abgewiesen; in der Erläuterung bezeichnete er ganz be¬ stimmt die Bedingung, unter der er zum Verbleiben im Amte entschlossen sei, wenn die Wiederherstellung des Königthums scheitern sollte. Diese Bedingung war die Reconstruction der alten Majorität vom 24. Mai; an der Erfüllung derselben ließ sich kaum zweifeln, da außer den Neutralen auch die Bonapar¬ tisten die Vollmachtenverlängerung wünschten und sich also voraussehen ließ daß, vielleicht einige Mitglieder der äußersten Rechten ausgenommen, die Sieger vom 24. Mai und diejenigen Mitglieder des Hauses, welche sich nach und nach den Siegern angeschlossen hatten, sich nochmals zur Aufrechthaltung des gegenwärtigen Zustandes die Hände reichen würden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/497
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/497>, abgerufen am 26.12.2024.