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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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schiedenen wegen, viel daran gelegen sein, sich auf eine ausdrückliche Erklärung
Mac Mahon's zu stützen, aus der hervorging, daß er sich unter keinen Um¬
ständen von der conservativen Partei trennen werde. Der Ausfall der ent¬
scheidenden Abstimmung war ja hauptsächlich von der Haltung derjenigen
Mitglieder der Versammlung bedingt, die weder für die Wiederherstellung des
Königthums, noch für die Republik begeistert waren, denen daher die Auf¬
rechterhaltung und Befestigung der Regierung Mac Mahon's schon deshalb
die vollkommenste Lösung der gegenwärtigen Krisis gewesen wäre, weil dieselbe
sie der Nothwendigkeit enthoben haben würde, eine unumwundene Entscheidung
für oder gegen die Monarchie zu treffen. In diesen Kreisen hatte daher der
Gedanke an eine Vertagung der Entscheidung vermittelst der Verlängerung
der Vollmachten Mac Mahon's besonders lebhaften Beifall gefunden. Für
die Royalisten war es also von großer Wichtigkeit', daß diesen Schwankenden
die Hoffnung auf Verschleppung der Krisis ein für allemal abgeschnitten
würde, daß sie sich in die Nothwendigkeit versetzt sähen, die Wahl zwischen
Königthum und Republik zu treffen; denn in diesem Falle, hoffte man, werde
die Furcht vor den Radicalen ihr conservatives Gewissen schärfen und sie in
das Lager der Königsmänner treiben. Die Gelegenheit, über Mac Mahon's
Gesinnung das Land aufzuklären, fand sich bald und wurde sofort benutzt.
Ein Blatt hatte die Mittheilung gebracht, Mac Mahon sei gegenwärtig
durchaus nicht abgeneigt, sich eine Verlängerung seiner Vollmachten gefallen
zu lassen. Durch diese Mittheilung veranlaßt, begaben sich einige Abgeordnete
zu dem Marschall, um sich von ihm eine Erklärung über die in Betreff seiner
Ansichten in Umlauf gesetzten Gerüchte zu erbitten. Mac Mahon gab darauf
die Erklärung ab, er sei von der Nothwendigkeit überzeugt, daß das Provi¬
sorium aufhören müsse. "Als ich", fuhr er fort, "die Präsidentschaft annahm,
that ich es unter der Voraussetzung, daß ich nur die Schildwache zum Schutz
der Nationalversammlung sein sollte, während diese über die Staatsform be¬
schlösse. Allein wenn die Partei, welche mich an die Spitze der Gewalt
brachte, in ihrem Bemühen für die Restauration Heinrich's V. geschlagen
wird, so kann ich nicht als Auskunftsmittel dienen, noch kann ich als Er¬
wählter der Republicaner, deren Ansichten ich nicht theile, die Regierung
führen." Er schloß mit der Erklärung, >daß, wenn die Republicaner siegten,
ein für allemal die Republik proclamirt werden müsse und daß ihm dann
Nichts übrig bliebe, als die Regierung an einen aus den Reihen der Republi¬
kaner gewählten Präsidenten abzugeben.

Man kann nicht behaupten, daß diese Erklärung von einer besonderen
Begeisterung für die Pläne der Versailler Mehrheit Zeugniß abgelegt hätte;
Mac Mahon enthielt sich, was bei dem Marschall, der unter Napoleon seine
Laufbahn gemacht und den dieser zwar nicht mit Herzlichkeit, aber stets mit


schiedenen wegen, viel daran gelegen sein, sich auf eine ausdrückliche Erklärung
Mac Mahon's zu stützen, aus der hervorging, daß er sich unter keinen Um¬
ständen von der conservativen Partei trennen werde. Der Ausfall der ent¬
scheidenden Abstimmung war ja hauptsächlich von der Haltung derjenigen
Mitglieder der Versammlung bedingt, die weder für die Wiederherstellung des
Königthums, noch für die Republik begeistert waren, denen daher die Auf¬
rechterhaltung und Befestigung der Regierung Mac Mahon's schon deshalb
die vollkommenste Lösung der gegenwärtigen Krisis gewesen wäre, weil dieselbe
sie der Nothwendigkeit enthoben haben würde, eine unumwundene Entscheidung
für oder gegen die Monarchie zu treffen. In diesen Kreisen hatte daher der
Gedanke an eine Vertagung der Entscheidung vermittelst der Verlängerung
der Vollmachten Mac Mahon's besonders lebhaften Beifall gefunden. Für
die Royalisten war es also von großer Wichtigkeit', daß diesen Schwankenden
die Hoffnung auf Verschleppung der Krisis ein für allemal abgeschnitten
würde, daß sie sich in die Nothwendigkeit versetzt sähen, die Wahl zwischen
Königthum und Republik zu treffen; denn in diesem Falle, hoffte man, werde
die Furcht vor den Radicalen ihr conservatives Gewissen schärfen und sie in
das Lager der Königsmänner treiben. Die Gelegenheit, über Mac Mahon's
Gesinnung das Land aufzuklären, fand sich bald und wurde sofort benutzt.
Ein Blatt hatte die Mittheilung gebracht, Mac Mahon sei gegenwärtig
durchaus nicht abgeneigt, sich eine Verlängerung seiner Vollmachten gefallen
zu lassen. Durch diese Mittheilung veranlaßt, begaben sich einige Abgeordnete
zu dem Marschall, um sich von ihm eine Erklärung über die in Betreff seiner
Ansichten in Umlauf gesetzten Gerüchte zu erbitten. Mac Mahon gab darauf
die Erklärung ab, er sei von der Nothwendigkeit überzeugt, daß das Provi¬
sorium aufhören müsse. „Als ich", fuhr er fort, „die Präsidentschaft annahm,
that ich es unter der Voraussetzung, daß ich nur die Schildwache zum Schutz
der Nationalversammlung sein sollte, während diese über die Staatsform be¬
schlösse. Allein wenn die Partei, welche mich an die Spitze der Gewalt
brachte, in ihrem Bemühen für die Restauration Heinrich's V. geschlagen
wird, so kann ich nicht als Auskunftsmittel dienen, noch kann ich als Er¬
wählter der Republicaner, deren Ansichten ich nicht theile, die Regierung
führen." Er schloß mit der Erklärung, >daß, wenn die Republicaner siegten,
ein für allemal die Republik proclamirt werden müsse und daß ihm dann
Nichts übrig bliebe, als die Regierung an einen aus den Reihen der Republi¬
kaner gewählten Präsidenten abzugeben.

Man kann nicht behaupten, daß diese Erklärung von einer besonderen
Begeisterung für die Pläne der Versailler Mehrheit Zeugniß abgelegt hätte;
Mac Mahon enthielt sich, was bei dem Marschall, der unter Napoleon seine
Laufbahn gemacht und den dieser zwar nicht mit Herzlichkeit, aber stets mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/496>, abgerufen am 25.08.2024.