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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Inzwischen hat auch die Bildung einer macmahonistischen Partei, welche
ich noch in meinem letzten Briefe anzweifeln zu müssen glaubte, ihren Anfang
genommen. Wenigstens ist in Provinzialblättern ein ausführliches Programm
zu diesem Zwecke veröffentlicht worden, und im Departement Häute-Vienne
tritt für die dort bevorstehende Nachwahl zur Nationalversammlung zum
ersten Male ein Candidat auf, der sich "rösolument maeing.Jon<in" nennt.
Merkwürdigerweise steht aber dieser Mann im Geruch des Bonapartismus,
wie auch Herr Raoul Duval, der bekanntlich zuerst die Fahne der Septennats-
Partei entfaltete, noch von Vielen für einen verkappten Bonapartisten gehalten
wird. Noch merkwürdiger aber: auch Herr Rouher offenbart sich plötzlich als
Stütze des Mac Mahon'schen Regimes. Allerdings aber hält er auch mit
seinen Gründen nicht hinter dem Berge. "Diese Regierung," sagt er in einem
Schreiben an ein bonapartistes Provinzialblatt, "ist eine zeitlich beschränkte,
mancherlei unvorhergesehene Ereignisse können sie noch kürzer machen, ihre
Kraft ist eine bedingte, fast eine ephemere; aber die Partei des Kaiserreichs
hat ein Interesse daran, sie zu unterstützen, nicht aber, sie zu bekämpfen, denn
sie hält die Zukunft und den endgültigen Ausspruch des Volkswillens offen."
In der That eine Liebeserklärung von bewundernswerther Aufrichtigkeit: nur
weil, und deshalb jedenfalls auch nur solange die Mac Mahon'sche Re¬
gierung den egoistischen Plänen der Bonapartisten entspricht, ist sie zu unter¬
stützen. Und das sagt Herr Rouher, während er einige Zeilen später aus¬
drücklich betont, daß das Septennat nicht als Deckmantel für die ehrgeizigen
Pläne und sträflichen Verräthereien der Parteien mißbraucht werden dürfe.
Wenn so die Gesinnung derjenigen ist, die sich als die Vertheidiger des Sept-
enniums aufspielen, wie müssen sich dann jene Anderen stellen, welche auf
diesen Titel gar keinen Anspruch erheben! Immer wieder gelangt man zu
der Einsicht, daß Mac Mahon, wenn er sicher gehen will, seine Stütze über¬
haupt nicht in einer parlamentarischen Partei, sondern lediglich in der Kraft
der Bajonette suchen muß. Er selbst hat denn auch in der erwähnten An¬
sprache auf dies sein Fundament deutlich genug hingewiesen, und wenn oben¬
drein noch Herr v. Broglie ihn gradezu einen "Imperator" genannt hat, so
haben wir zur Charakteristik der dermaligen französischen Republik nichts
weiter hinzuzufügen.

Uebrigens gehen im Schooße der bonapartistischen Partei zur Zeit merk-
würdige Dinge vor. Bekanntlich hat sich Prinz Napoleon (Jerome), angeb¬
lich wegen seiner prinzipiellen Abneigung gegen das Bündniß mit dem Legi¬
timismus und Klerikalismus, von dem Gros der Anhänger seines Hauses
getrennt und das Banner der Demokratie, natürlich der cäsaristischen, aufge-
Pflanzt. Nunmehr erklärte aber Rouher in dem obenerwähnten Schreiben:
"Es werden seinerzeit (nach Ablauf des Septennats) nur zwei Regierung?-


Gmizbote" I. 1874. 'l()

Inzwischen hat auch die Bildung einer macmahonistischen Partei, welche
ich noch in meinem letzten Briefe anzweifeln zu müssen glaubte, ihren Anfang
genommen. Wenigstens ist in Provinzialblättern ein ausführliches Programm
zu diesem Zwecke veröffentlicht worden, und im Departement Häute-Vienne
tritt für die dort bevorstehende Nachwahl zur Nationalversammlung zum
ersten Male ein Candidat auf, der sich „rösolument maeing.Jon<in" nennt.
Merkwürdigerweise steht aber dieser Mann im Geruch des Bonapartismus,
wie auch Herr Raoul Duval, der bekanntlich zuerst die Fahne der Septennats-
Partei entfaltete, noch von Vielen für einen verkappten Bonapartisten gehalten
wird. Noch merkwürdiger aber: auch Herr Rouher offenbart sich plötzlich als
Stütze des Mac Mahon'schen Regimes. Allerdings aber hält er auch mit
seinen Gründen nicht hinter dem Berge. „Diese Regierung," sagt er in einem
Schreiben an ein bonapartistes Provinzialblatt, „ist eine zeitlich beschränkte,
mancherlei unvorhergesehene Ereignisse können sie noch kürzer machen, ihre
Kraft ist eine bedingte, fast eine ephemere; aber die Partei des Kaiserreichs
hat ein Interesse daran, sie zu unterstützen, nicht aber, sie zu bekämpfen, denn
sie hält die Zukunft und den endgültigen Ausspruch des Volkswillens offen."
In der That eine Liebeserklärung von bewundernswerther Aufrichtigkeit: nur
weil, und deshalb jedenfalls auch nur solange die Mac Mahon'sche Re¬
gierung den egoistischen Plänen der Bonapartisten entspricht, ist sie zu unter¬
stützen. Und das sagt Herr Rouher, während er einige Zeilen später aus¬
drücklich betont, daß das Septennat nicht als Deckmantel für die ehrgeizigen
Pläne und sträflichen Verräthereien der Parteien mißbraucht werden dürfe.
Wenn so die Gesinnung derjenigen ist, die sich als die Vertheidiger des Sept-
enniums aufspielen, wie müssen sich dann jene Anderen stellen, welche auf
diesen Titel gar keinen Anspruch erheben! Immer wieder gelangt man zu
der Einsicht, daß Mac Mahon, wenn er sicher gehen will, seine Stütze über¬
haupt nicht in einer parlamentarischen Partei, sondern lediglich in der Kraft
der Bajonette suchen muß. Er selbst hat denn auch in der erwähnten An¬
sprache auf dies sein Fundament deutlich genug hingewiesen, und wenn oben¬
drein noch Herr v. Broglie ihn gradezu einen „Imperator" genannt hat, so
haben wir zur Charakteristik der dermaligen französischen Republik nichts
weiter hinzuzufügen.

Uebrigens gehen im Schooße der bonapartistischen Partei zur Zeit merk-
würdige Dinge vor. Bekanntlich hat sich Prinz Napoleon (Jerome), angeb¬
lich wegen seiner prinzipiellen Abneigung gegen das Bündniß mit dem Legi¬
timismus und Klerikalismus, von dem Gros der Anhänger seines Hauses
getrennt und das Banner der Demokratie, natürlich der cäsaristischen, aufge-
Pflanzt. Nunmehr erklärte aber Rouher in dem obenerwähnten Schreiben:
„Es werden seinerzeit (nach Ablauf des Septennats) nur zwei Regierung?-


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[0319] Inzwischen hat auch die Bildung einer macmahonistischen Partei, welche ich noch in meinem letzten Briefe anzweifeln zu müssen glaubte, ihren Anfang genommen. Wenigstens ist in Provinzialblättern ein ausführliches Programm zu diesem Zwecke veröffentlicht worden, und im Departement Häute-Vienne tritt für die dort bevorstehende Nachwahl zur Nationalversammlung zum ersten Male ein Candidat auf, der sich „rösolument maeing.Jon<in" nennt. Merkwürdigerweise steht aber dieser Mann im Geruch des Bonapartismus, wie auch Herr Raoul Duval, der bekanntlich zuerst die Fahne der Septennats- Partei entfaltete, noch von Vielen für einen verkappten Bonapartisten gehalten wird. Noch merkwürdiger aber: auch Herr Rouher offenbart sich plötzlich als Stütze des Mac Mahon'schen Regimes. Allerdings aber hält er auch mit seinen Gründen nicht hinter dem Berge. „Diese Regierung," sagt er in einem Schreiben an ein bonapartistes Provinzialblatt, „ist eine zeitlich beschränkte, mancherlei unvorhergesehene Ereignisse können sie noch kürzer machen, ihre Kraft ist eine bedingte, fast eine ephemere; aber die Partei des Kaiserreichs hat ein Interesse daran, sie zu unterstützen, nicht aber, sie zu bekämpfen, denn sie hält die Zukunft und den endgültigen Ausspruch des Volkswillens offen." In der That eine Liebeserklärung von bewundernswerther Aufrichtigkeit: nur weil, und deshalb jedenfalls auch nur solange die Mac Mahon'sche Re¬ gierung den egoistischen Plänen der Bonapartisten entspricht, ist sie zu unter¬ stützen. Und das sagt Herr Rouher, während er einige Zeilen später aus¬ drücklich betont, daß das Septennat nicht als Deckmantel für die ehrgeizigen Pläne und sträflichen Verräthereien der Parteien mißbraucht werden dürfe. Wenn so die Gesinnung derjenigen ist, die sich als die Vertheidiger des Sept- enniums aufspielen, wie müssen sich dann jene Anderen stellen, welche auf diesen Titel gar keinen Anspruch erheben! Immer wieder gelangt man zu der Einsicht, daß Mac Mahon, wenn er sicher gehen will, seine Stütze über¬ haupt nicht in einer parlamentarischen Partei, sondern lediglich in der Kraft der Bajonette suchen muß. Er selbst hat denn auch in der erwähnten An¬ sprache auf dies sein Fundament deutlich genug hingewiesen, und wenn oben¬ drein noch Herr v. Broglie ihn gradezu einen „Imperator" genannt hat, so haben wir zur Charakteristik der dermaligen französischen Republik nichts weiter hinzuzufügen. Uebrigens gehen im Schooße der bonapartistischen Partei zur Zeit merk- würdige Dinge vor. Bekanntlich hat sich Prinz Napoleon (Jerome), angeb¬ lich wegen seiner prinzipiellen Abneigung gegen das Bündniß mit dem Legi¬ timismus und Klerikalismus, von dem Gros der Anhänger seines Hauses getrennt und das Banner der Demokratie, natürlich der cäsaristischen, aufge- Pflanzt. Nunmehr erklärte aber Rouher in dem obenerwähnten Schreiben: „Es werden seinerzeit (nach Ablauf des Septennats) nur zwei Regierung?- Gmizbote» I. 1874. 'l()

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/319>, abgerufen am 26.12.2024.