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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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lären gegenüber nicht das geringste Bedürfniß noch weniger eine rechtliche
Verpflichtung vorlag, gleichsam als gelte es, den Clerus aus Staatsmitteln
zum Kampfe gegen das Reich auszustatten. Das Reichsgesetz gegen die Je¬
suiten wurde in Württemberg gar nicht, (oder wie neulich das klerikale
deutsche Volksblatt sich ausdrückte "mit Liebe"!) zur Anwendung gebracht.
Nicht nur in Wolfegg am Hofe des Fürsten Waldenburg, sondern selbst in
einer der Kreishauptstädte des Landes wird den Jesuiten der Aufenthalt ge¬
stattet, als wollte man die Nichtachtung der Reichsgesetze recht offen an den
Tag legen. Noch immer besetzt man Professuren an paritätischen Staats¬
gymnasien mit Klerikern der extremsten Richtung und giebt die Erziehung
der protestantischen Jugend offenen Anhängern des Jesuitenordens in die
Hände. Geflissentlich vermehrt man die Zahl der katholischen Beamten im
Lande dadurch, daß die auf Staatskosten zur Erziehung von Klerikern
unterhaltenen Complete als Pflanzschulen für die kostenfreie Heranbildung
von Beamten katholischer Confession behandelt werden, so daß, wie sich
statistisch nachweisen läßt, in dem protestantischen Württemberg die große
Mehrzahl aller katholischen Bediensteten für ihren Beruf auf Staatskosten er¬
zogen wird, während die Protestanten auf ihre Kosten sich für den Staats¬
dienst auszubilden haben. Man hat serner die Volksschule gänzlich in die
Hände der katholischen Geistlichkeit gegeben: andererseits die Wahrung der
wesentlichen Staatshoheitsrechte gegenüber der katholischen Kirche ausschlie߬
lich an Katholiken übertragen, welche den Geboten Gottes, d. h. den Befehlen
des Vatikans mehr gehorchen als den menschlichen Erlassen der Staatsgewalt!
Gewiß man hat alles gethan, um die Klerisei zu gewinnen, man hat sich
derselben geradezu unter die Füße gelegt. Sie aber hat geantwortet mit der
offenen Parteinahme für die Socialdemokraten und die Anhänger der Com¬
mune. schreckten doch selbst an der Tübinger Hochschule katholische Professo¬
ren, welche eben erst besondere Zeichen der Gunst von Seiten der Regierung
erhalten hatten, nicht zurück, mit dem niedersten Pöbel gemeinsame Sache zu
machen, indessen Zöglinge des katholischen Staatsconvicts geradezu die herum¬
reisende Claque des Demagogenthums im VI. Wahlkreise bildeten! Während
nun aber so die ganze ultramontane Partei, wenn auch nicht auf Befehl, so
doch mit Duldung des gänzlich einflußloser Bischofs v. Hefele in Rottenburg
mit den schlimmsten Elementen der Bevölkerung gemeinsame Sache nicht nur
gegen das Reich sondern gegen die Fundamente der bestehenden socialen Ord¬
nung machten, mußte um so mehr die Passivität der großen protestantischen
Mehrheit, namentlich die Zurückhaltung der zahlreichen protestantischen Be¬
amten gegenüber diesem Kampfe in die Augen fallen. Obgleich überall die
katholischen Justiz - und Verwaltungsbeamten, unter letzteren namentlich die
zahlreichen aus der k. Forstdirection direct influenzirten Forstbediensteten den


Greiijbowi I. I^l.

lären gegenüber nicht das geringste Bedürfniß noch weniger eine rechtliche
Verpflichtung vorlag, gleichsam als gelte es, den Clerus aus Staatsmitteln
zum Kampfe gegen das Reich auszustatten. Das Reichsgesetz gegen die Je¬
suiten wurde in Württemberg gar nicht, (oder wie neulich das klerikale
deutsche Volksblatt sich ausdrückte „mit Liebe"!) zur Anwendung gebracht.
Nicht nur in Wolfegg am Hofe des Fürsten Waldenburg, sondern selbst in
einer der Kreishauptstädte des Landes wird den Jesuiten der Aufenthalt ge¬
stattet, als wollte man die Nichtachtung der Reichsgesetze recht offen an den
Tag legen. Noch immer besetzt man Professuren an paritätischen Staats¬
gymnasien mit Klerikern der extremsten Richtung und giebt die Erziehung
der protestantischen Jugend offenen Anhängern des Jesuitenordens in die
Hände. Geflissentlich vermehrt man die Zahl der katholischen Beamten im
Lande dadurch, daß die auf Staatskosten zur Erziehung von Klerikern
unterhaltenen Complete als Pflanzschulen für die kostenfreie Heranbildung
von Beamten katholischer Confession behandelt werden, so daß, wie sich
statistisch nachweisen läßt, in dem protestantischen Württemberg die große
Mehrzahl aller katholischen Bediensteten für ihren Beruf auf Staatskosten er¬
zogen wird, während die Protestanten auf ihre Kosten sich für den Staats¬
dienst auszubilden haben. Man hat serner die Volksschule gänzlich in die
Hände der katholischen Geistlichkeit gegeben: andererseits die Wahrung der
wesentlichen Staatshoheitsrechte gegenüber der katholischen Kirche ausschlie߬
lich an Katholiken übertragen, welche den Geboten Gottes, d. h. den Befehlen
des Vatikans mehr gehorchen als den menschlichen Erlassen der Staatsgewalt!
Gewiß man hat alles gethan, um die Klerisei zu gewinnen, man hat sich
derselben geradezu unter die Füße gelegt. Sie aber hat geantwortet mit der
offenen Parteinahme für die Socialdemokraten und die Anhänger der Com¬
mune. schreckten doch selbst an der Tübinger Hochschule katholische Professo¬
ren, welche eben erst besondere Zeichen der Gunst von Seiten der Regierung
erhalten hatten, nicht zurück, mit dem niedersten Pöbel gemeinsame Sache zu
machen, indessen Zöglinge des katholischen Staatsconvicts geradezu die herum¬
reisende Claque des Demagogenthums im VI. Wahlkreise bildeten! Während
nun aber so die ganze ultramontane Partei, wenn auch nicht auf Befehl, so
doch mit Duldung des gänzlich einflußloser Bischofs v. Hefele in Rottenburg
mit den schlimmsten Elementen der Bevölkerung gemeinsame Sache nicht nur
gegen das Reich sondern gegen die Fundamente der bestehenden socialen Ord¬
nung machten, mußte um so mehr die Passivität der großen protestantischen
Mehrheit, namentlich die Zurückhaltung der zahlreichen protestantischen Be¬
amten gegenüber diesem Kampfe in die Augen fallen. Obgleich überall die
katholischen Justiz - und Verwaltungsbeamten, unter letzteren namentlich die
zahlreichen aus der k. Forstdirection direct influenzirten Forstbediensteten den


Greiijbowi I. I^l.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/271>, abgerufen am 04.11.2024.