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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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jedoch nicht verhinderten, selbst eine Fabrik chemischen Düngers anzulegen.
Auch für andere gewerbliche Anstalten erübrigte er Zeit und Kraft. Eine
Dampfmühle, ein Kanalbau. eine Dampfschifffahrtsgesellschaft für den Langen-
see. eine Eisenbahn, die Turiner Bank, und andere umfangreiche Unterneh¬
mungen verdankten ihm ausschließlich oder vorzugsweise ihre Entstehung, ihre
Leitung und ihren Erfolg. -- Die von Cavour betriebene Gründung einer
landwirthschaftlichen Gesellschaft erlangte erst nach langem Zögern die Ge¬
nehmigung der Turiner Regierung, die in jeder Vereinigung, und nicht ganz
mit Unrecht, eine Verschwörung fürchtete; und von der Verwaltung eines
Rettungshauses für Kinder mußte Cavour zurücktreten, um den Bestand der
Anstalt nicht zu gefährden. Selbst einen "Whistklubb" unter dem hohen
Adel von Turin konnte Cavour nur mit Ueberwindung unendlicher Schwierig¬
keiten, die ihm die Regierung entgegenstellte, stiften.

Das große geschäftliche Anliegen Cavour's blieb indessen immer der
Ackerbau, dessen Bedürfnisse er über den Anforderungen seiner anderweitigen
gewerblichen Zwecke niemals vernachlässigte. Leri war ihm die selbstgeschaffene
Heimat, nach welcher ihn der Zug des Herzens immer so bald wie möglich
wieder zurückführte, und wo sein einfaches fast bäuerliches Haus die Turiner
und Genfer Freunde oft in zwangloser ländlicher Gastlichkeit um ihn ver¬
sammelte, welcher der Wirth selbst durch unverwüstlich gute Laune und
durch jene harmlose Art des Witzes und des Scherzes, in welcher sich die
liebenswürdige kindliche Seite der italienischen Natur so gern und so anmuthig
spiegelt, ihre beste Würze zu geben verstand.

Denn Cavour war und blieb auch inmitten seiner eifrigen wirthschaft¬
lichen wie später seiner politischen Arbeiten ein Lebemann, heiterer Geselligkeit
bedürftig, und mit der glücklichen Fähigkeit ausgestattet, deren Freuden mit
vollen Zügen zu genießen. Verstand er im gewöhnlichen Laufe der Tage, sich
mit seiner ländlichen Umgebung zwanglos, und ohne einen Schein der Her¬
ablassung anzunehmen, noch seiner Stellung etwas zu vergeben, auf den Fuß
des Umgangs mit Berufsgenossen zu setzen, so wollte doch auch der gebildete
Geist im Verkehr mit Ebenbürtigen zu seinem Rechte gelangen, der Patriot
seine Wünsche und Hoffungen mit Gleichgesinnten austauschen und der Ar¬
beiter nach sauren Wochen gelegentlich ein frohes Fest feiern, das Cavour
gern auch durch hohes Spiel belebt sah.

In der Mitte der dreißiger Jahre machte Cavour eine erste Reise nach
Frankreich und England, um die gesellschaftlichen und politischen Zustände
dieser beiden Länder an Ort und Stelle kennen zu lernen. Ein ehrlicher
Mann "der rechten Mitte" wie er sich selber nannte, wendete er sich in Paris
vorzugsweise der sogenannten Partei der Doetrinärs zu, mit denen er von
Turin aus durch Broglie und Barente bereits befreundet war, bei deren eigene-


jedoch nicht verhinderten, selbst eine Fabrik chemischen Düngers anzulegen.
Auch für andere gewerbliche Anstalten erübrigte er Zeit und Kraft. Eine
Dampfmühle, ein Kanalbau. eine Dampfschifffahrtsgesellschaft für den Langen-
see. eine Eisenbahn, die Turiner Bank, und andere umfangreiche Unterneh¬
mungen verdankten ihm ausschließlich oder vorzugsweise ihre Entstehung, ihre
Leitung und ihren Erfolg. — Die von Cavour betriebene Gründung einer
landwirthschaftlichen Gesellschaft erlangte erst nach langem Zögern die Ge¬
nehmigung der Turiner Regierung, die in jeder Vereinigung, und nicht ganz
mit Unrecht, eine Verschwörung fürchtete; und von der Verwaltung eines
Rettungshauses für Kinder mußte Cavour zurücktreten, um den Bestand der
Anstalt nicht zu gefährden. Selbst einen „Whistklubb" unter dem hohen
Adel von Turin konnte Cavour nur mit Ueberwindung unendlicher Schwierig¬
keiten, die ihm die Regierung entgegenstellte, stiften.

Das große geschäftliche Anliegen Cavour's blieb indessen immer der
Ackerbau, dessen Bedürfnisse er über den Anforderungen seiner anderweitigen
gewerblichen Zwecke niemals vernachlässigte. Leri war ihm die selbstgeschaffene
Heimat, nach welcher ihn der Zug des Herzens immer so bald wie möglich
wieder zurückführte, und wo sein einfaches fast bäuerliches Haus die Turiner
und Genfer Freunde oft in zwangloser ländlicher Gastlichkeit um ihn ver¬
sammelte, welcher der Wirth selbst durch unverwüstlich gute Laune und
durch jene harmlose Art des Witzes und des Scherzes, in welcher sich die
liebenswürdige kindliche Seite der italienischen Natur so gern und so anmuthig
spiegelt, ihre beste Würze zu geben verstand.

Denn Cavour war und blieb auch inmitten seiner eifrigen wirthschaft¬
lichen wie später seiner politischen Arbeiten ein Lebemann, heiterer Geselligkeit
bedürftig, und mit der glücklichen Fähigkeit ausgestattet, deren Freuden mit
vollen Zügen zu genießen. Verstand er im gewöhnlichen Laufe der Tage, sich
mit seiner ländlichen Umgebung zwanglos, und ohne einen Schein der Her¬
ablassung anzunehmen, noch seiner Stellung etwas zu vergeben, auf den Fuß
des Umgangs mit Berufsgenossen zu setzen, so wollte doch auch der gebildete
Geist im Verkehr mit Ebenbürtigen zu seinem Rechte gelangen, der Patriot
seine Wünsche und Hoffungen mit Gleichgesinnten austauschen und der Ar¬
beiter nach sauren Wochen gelegentlich ein frohes Fest feiern, das Cavour
gern auch durch hohes Spiel belebt sah.

In der Mitte der dreißiger Jahre machte Cavour eine erste Reise nach
Frankreich und England, um die gesellschaftlichen und politischen Zustände
dieser beiden Länder an Ort und Stelle kennen zu lernen. Ein ehrlicher
Mann „der rechten Mitte" wie er sich selber nannte, wendete er sich in Paris
vorzugsweise der sogenannten Partei der Doetrinärs zu, mit denen er von
Turin aus durch Broglie und Barente bereits befreundet war, bei deren eigene-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/131>, abgerufen am 25.12.2024.