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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Hieroglyphen und den übrigen hierhergehörigen Zusammensetzungen, von
der Unterstützung der Trennungspunkte Gebrauch zu machen. Im Volks¬
munde hört man stets: Hirrog ip pH en, Hirrarchie, ein Beweis, daß
das e nicht als selbständiger Vocal erkannt wird. Als Seitenstück zum Stern¬
bilde des Bootes, den Sanders ohne Trennungspunkte schreiben will, er¬
wähnen wir noch die wäschespülende Phäakenprinzessin Nausikaa, die selbst
von den liebenswürdigsten Backfischen mit größter Beharrlichkeit auf der ersten
Silbe accentuirt und Nausikah gesprochen wird; aber mit einer Nausi'
kaä wird den jungen Damen auch nicht gedient sein.

Das dritte Capitel S. (13-- 22) bespricht diejenigen Fälle, in denen die
Anwendung des Bindestriches wünschenswert!) ist, um eine raschere Uebersicht
oder eine größere Deutlichkeit zu erreichen. Auch hier muß man im Wesent¬
lichen mit Sanders einverstanden sein. Jedermann wird natürlich schreiben:
der A-Laut, ein Dehnungs-H, beim Ein- und Aussteigen, auf der
Hin- und Rückreise. Verbindungen, wie sie Goethe in der auffälligsten
Weise liebte, wie: "in klar- und trüben Tagen", "in der klein- und
großen Welt", um die Stirn ein schwarz-und goldnes Band", müssen
schlechterdings mit dem Bindestrich und nicht, wie es so häufig in den Ausgaben
geschieht, mit Apostroph (ein schwarz' und goldnes Band) geschrieben werden.
Zu unterscheiden ist auch zwischen Alleinigkeit (Auerbach) und All-Einig¬
keit (Tchelling); auch schreibe man nicht ein zweideutiges hellerklingend,
sondern je nach dem Sinne entweder, und zwar ohne Bindestrich, hell er¬
klingend oder Heller klingend. Endlich möge man immerhin Kloaken-
Dung oder Druck-Erzeugnisse schreiben, damit das Auge auch nicht einen
Augenblick in Versuchung komme, Kloak-Endung oder Drucker-Zeug¬
nisse zu lesen. Aber gerade in diesen und ähnlichen Fällen scheint uns
Sanders mitunter etwas zu weit zu gehen. Er hat mit erstaunlichem Fleiße
und mit beneidenswerthem Spürsinn die entlegensten Beispiele zusammenge¬
sucht und schafft sich nun, wie es scheint diesen curiosen und pikanten Bei¬
spielen zu Liebe, die nicht selten im Räthselbüchlein eine viel bedeutendere
Rolle spielen würden, als in einem orthographischen Negelbuche, künstliche Un¬
deutlichsten und Schwierigkeiten, die in Wahrheit gar nicht vorhanden sind.
Wozu die Schrift und den Druck mit mechanischen Zeichen überhäufen, wenn
gar keine Möglichkeit eines Mißverständnisses vorliegt? Es ist absolut kein
Text denkbar, in welchem selbst von dem ungebildetsten Leser ein Berg kein
vom Berglein (unum caeli-rrtieum) nicht unterschieden werden könnte, ohne
daß der etztere mit Bindestrich versehen würde, oder die abgesagter stammenden
von den aus Berlin stammenden, oder in welchen der Erdrücken mit dem
erdrücken verwechselt werden könnte. Daß in einem Werke Griesinger's über
Nervenkrankheiten Neurom natürlich nicht im Gegensatze zum alten Rom


Hieroglyphen und den übrigen hierhergehörigen Zusammensetzungen, von
der Unterstützung der Trennungspunkte Gebrauch zu machen. Im Volks¬
munde hört man stets: Hirrog ip pH en, Hirrarchie, ein Beweis, daß
das e nicht als selbständiger Vocal erkannt wird. Als Seitenstück zum Stern¬
bilde des Bootes, den Sanders ohne Trennungspunkte schreiben will, er¬
wähnen wir noch die wäschespülende Phäakenprinzessin Nausikaa, die selbst
von den liebenswürdigsten Backfischen mit größter Beharrlichkeit auf der ersten
Silbe accentuirt und Nausikah gesprochen wird; aber mit einer Nausi'
kaä wird den jungen Damen auch nicht gedient sein.

Das dritte Capitel S. (13— 22) bespricht diejenigen Fälle, in denen die
Anwendung des Bindestriches wünschenswert!) ist, um eine raschere Uebersicht
oder eine größere Deutlichkeit zu erreichen. Auch hier muß man im Wesent¬
lichen mit Sanders einverstanden sein. Jedermann wird natürlich schreiben:
der A-Laut, ein Dehnungs-H, beim Ein- und Aussteigen, auf der
Hin- und Rückreise. Verbindungen, wie sie Goethe in der auffälligsten
Weise liebte, wie: „in klar- und trüben Tagen", „in der klein- und
großen Welt", um die Stirn ein schwarz-und goldnes Band", müssen
schlechterdings mit dem Bindestrich und nicht, wie es so häufig in den Ausgaben
geschieht, mit Apostroph (ein schwarz' und goldnes Band) geschrieben werden.
Zu unterscheiden ist auch zwischen Alleinigkeit (Auerbach) und All-Einig¬
keit (Tchelling); auch schreibe man nicht ein zweideutiges hellerklingend,
sondern je nach dem Sinne entweder, und zwar ohne Bindestrich, hell er¬
klingend oder Heller klingend. Endlich möge man immerhin Kloaken-
Dung oder Druck-Erzeugnisse schreiben, damit das Auge auch nicht einen
Augenblick in Versuchung komme, Kloak-Endung oder Drucker-Zeug¬
nisse zu lesen. Aber gerade in diesen und ähnlichen Fällen scheint uns
Sanders mitunter etwas zu weit zu gehen. Er hat mit erstaunlichem Fleiße
und mit beneidenswerthem Spürsinn die entlegensten Beispiele zusammenge¬
sucht und schafft sich nun, wie es scheint diesen curiosen und pikanten Bei¬
spielen zu Liebe, die nicht selten im Räthselbüchlein eine viel bedeutendere
Rolle spielen würden, als in einem orthographischen Negelbuche, künstliche Un¬
deutlichsten und Schwierigkeiten, die in Wahrheit gar nicht vorhanden sind.
Wozu die Schrift und den Druck mit mechanischen Zeichen überhäufen, wenn
gar keine Möglichkeit eines Mißverständnisses vorliegt? Es ist absolut kein
Text denkbar, in welchem selbst von dem ungebildetsten Leser ein Berg kein
vom Berglein (unum caeli-rrtieum) nicht unterschieden werden könnte, ohne
daß der etztere mit Bindestrich versehen würde, oder die abgesagter stammenden
von den aus Berlin stammenden, oder in welchen der Erdrücken mit dem
erdrücken verwechselt werden könnte. Daß in einem Werke Griesinger's über
Nervenkrankheiten Neurom natürlich nicht im Gegensatze zum alten Rom


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[0096] Hieroglyphen und den übrigen hierhergehörigen Zusammensetzungen, von der Unterstützung der Trennungspunkte Gebrauch zu machen. Im Volks¬ munde hört man stets: Hirrog ip pH en, Hirrarchie, ein Beweis, daß das e nicht als selbständiger Vocal erkannt wird. Als Seitenstück zum Stern¬ bilde des Bootes, den Sanders ohne Trennungspunkte schreiben will, er¬ wähnen wir noch die wäschespülende Phäakenprinzessin Nausikaa, die selbst von den liebenswürdigsten Backfischen mit größter Beharrlichkeit auf der ersten Silbe accentuirt und Nausikah gesprochen wird; aber mit einer Nausi' kaä wird den jungen Damen auch nicht gedient sein. Das dritte Capitel S. (13— 22) bespricht diejenigen Fälle, in denen die Anwendung des Bindestriches wünschenswert!) ist, um eine raschere Uebersicht oder eine größere Deutlichkeit zu erreichen. Auch hier muß man im Wesent¬ lichen mit Sanders einverstanden sein. Jedermann wird natürlich schreiben: der A-Laut, ein Dehnungs-H, beim Ein- und Aussteigen, auf der Hin- und Rückreise. Verbindungen, wie sie Goethe in der auffälligsten Weise liebte, wie: „in klar- und trüben Tagen", „in der klein- und großen Welt", um die Stirn ein schwarz-und goldnes Band", müssen schlechterdings mit dem Bindestrich und nicht, wie es so häufig in den Ausgaben geschieht, mit Apostroph (ein schwarz' und goldnes Band) geschrieben werden. Zu unterscheiden ist auch zwischen Alleinigkeit (Auerbach) und All-Einig¬ keit (Tchelling); auch schreibe man nicht ein zweideutiges hellerklingend, sondern je nach dem Sinne entweder, und zwar ohne Bindestrich, hell er¬ klingend oder Heller klingend. Endlich möge man immerhin Kloaken- Dung oder Druck-Erzeugnisse schreiben, damit das Auge auch nicht einen Augenblick in Versuchung komme, Kloak-Endung oder Drucker-Zeug¬ nisse zu lesen. Aber gerade in diesen und ähnlichen Fällen scheint uns Sanders mitunter etwas zu weit zu gehen. Er hat mit erstaunlichem Fleiße und mit beneidenswerthem Spürsinn die entlegensten Beispiele zusammenge¬ sucht und schafft sich nun, wie es scheint diesen curiosen und pikanten Bei¬ spielen zu Liebe, die nicht selten im Räthselbüchlein eine viel bedeutendere Rolle spielen würden, als in einem orthographischen Negelbuche, künstliche Un¬ deutlichsten und Schwierigkeiten, die in Wahrheit gar nicht vorhanden sind. Wozu die Schrift und den Druck mit mechanischen Zeichen überhäufen, wenn gar keine Möglichkeit eines Mißverständnisses vorliegt? Es ist absolut kein Text denkbar, in welchem selbst von dem ungebildetsten Leser ein Berg kein vom Berglein (unum caeli-rrtieum) nicht unterschieden werden könnte, ohne daß der etztere mit Bindestrich versehen würde, oder die abgesagter stammenden von den aus Berlin stammenden, oder in welchen der Erdrücken mit dem erdrücken verwechselt werden könnte. Daß in einem Werke Griesinger's über Nervenkrankheiten Neurom natürlich nicht im Gegensatze zum alten Rom

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/96>, abgerufen am 06.02.2025.