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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Hand legen und das in geschichtlicher Entwicklung Gewordene nach irgend
einem "System" anders machen zu wollen. Nirgends soll es sich um Neu¬
erungen handeln, sondern überall nur um end giltige Feststellung
des zur Zeit noch Schwankenden, und zwar im engsten Anschluß an
das bereits Feststehende.

Es ist klar, daß an der Hand dieses Grundsatzes Sanders fast aus¬
nahmslos zu Resultaten gelangen muß, mit denen man sich einverstanden
erklären kann. Im ersten Capitel (S. 1--11.) beantragt Sanders unter an¬
derem eine consequentere Scheidung von I und Jod, i und j in Schrift und
Druck. Wie oft muß man in geschichtlichen Werken vom jonischen Volks¬
stamme, in kunstgeschichtlichen Schriften vom jonisch en Baustil lesen anstatt
vom ionischen. Der Fehler hätte sich gar nicht einnisten können, wenn jede"
zeit zwischen dem Vocal i und dem Consonanten j streng geschieden worden
wäre; so aber entstand der Fehler zunächst in der Schrift, und später steckte
er auch die Aussprache mit an. Daß man den Amiant durchweg durch zwei
übergesetzte Punkte bezeichnete, anstatt durch ein danebengestelltes e, wäre eben¬
falls wünschenswert!); so unterschiede sich ganz von selbst die Aussprache in
Ära und Aeronaut. Pön und Poet. Ferner hat bekanntlich der Druck
eine große Anzahl Ligaturen, wie ff, si. si, et, it, se, ez, die in einem
Typ vereinigt sind; nachlässiger Weise werden nun diese Ligaturen von den
Correetoren sehr oft auch dann durchgelassen, wenn der Doppelconsonant
erst durch Zusammensetzung zweier Worte entstanden ist. Man darf also
wohl drucken Puffer, aber nicht Lauffeuer, sondern Lauffeuer;
Messer, aber nicht dasselbe sondern dasselbe; man unterscheide, um
den Verbalstamm deutlich hervortreten zu lassen: "schläfst, Liebchen, oder
wachst du?" und "wachst und gedeihet"; "während der Wind draußen
braust, braust du uns einen Punsch; ihr kostet lang genug, nun kostet
auch den Wein." Auch beim et kann, was Sanders übersehen hat, diese Un¬
terscheidung von Wichtigkeit werden. Der berühmte Kupferstecher Chodo-
wiecki und der große böhmische Geschichtsschreiber Palacky würden nicht
so oft von gebildeten Leuten fälschlich ChodowieM und Palakky ausge¬
sprochen werden, wenn ihre Namen richtig gedruckt würden. Radeckt sing
es klug an; er ließ sich Radetzki schreiben, um nicht Radekki ausgesprochen
zu werden.

Im zweiten Capitel (S. 12--13.) beantragt Sanders, die Trennungs¬
punkte zur Verdeutlichung der Aussprache allgemeiner anzuwenden als bisher
und beispielsweise immer zu schreiben: Danaiden, Kai'n, Sinai. Deis¬
mus, Hämo rrhoiiden und ähnliches mehr; dagen. wie bisher, ohne
Trennungspunkte: Museum, Tedeum, Zoologie, Hierarchie. Was
das letzte Wort betrifft, so wären wir entschieden dafür, hier, wie auch bei


Hand legen und das in geschichtlicher Entwicklung Gewordene nach irgend
einem „System" anders machen zu wollen. Nirgends soll es sich um Neu¬
erungen handeln, sondern überall nur um end giltige Feststellung
des zur Zeit noch Schwankenden, und zwar im engsten Anschluß an
das bereits Feststehende.

Es ist klar, daß an der Hand dieses Grundsatzes Sanders fast aus¬
nahmslos zu Resultaten gelangen muß, mit denen man sich einverstanden
erklären kann. Im ersten Capitel (S. 1—11.) beantragt Sanders unter an¬
derem eine consequentere Scheidung von I und Jod, i und j in Schrift und
Druck. Wie oft muß man in geschichtlichen Werken vom jonischen Volks¬
stamme, in kunstgeschichtlichen Schriften vom jonisch en Baustil lesen anstatt
vom ionischen. Der Fehler hätte sich gar nicht einnisten können, wenn jede»
zeit zwischen dem Vocal i und dem Consonanten j streng geschieden worden
wäre; so aber entstand der Fehler zunächst in der Schrift, und später steckte
er auch die Aussprache mit an. Daß man den Amiant durchweg durch zwei
übergesetzte Punkte bezeichnete, anstatt durch ein danebengestelltes e, wäre eben¬
falls wünschenswert!); so unterschiede sich ganz von selbst die Aussprache in
Ära und Aeronaut. Pön und Poet. Ferner hat bekanntlich der Druck
eine große Anzahl Ligaturen, wie ff, si. si, et, it, se, ez, die in einem
Typ vereinigt sind; nachlässiger Weise werden nun diese Ligaturen von den
Correetoren sehr oft auch dann durchgelassen, wenn der Doppelconsonant
erst durch Zusammensetzung zweier Worte entstanden ist. Man darf also
wohl drucken Puffer, aber nicht Lauffeuer, sondern Lauffeuer;
Messer, aber nicht dasselbe sondern dasselbe; man unterscheide, um
den Verbalstamm deutlich hervortreten zu lassen: „schläfst, Liebchen, oder
wachst du?" und „wachst und gedeihet"; „während der Wind draußen
braust, braust du uns einen Punsch; ihr kostet lang genug, nun kostet
auch den Wein." Auch beim et kann, was Sanders übersehen hat, diese Un¬
terscheidung von Wichtigkeit werden. Der berühmte Kupferstecher Chodo-
wiecki und der große böhmische Geschichtsschreiber Palacky würden nicht
so oft von gebildeten Leuten fälschlich ChodowieM und Palakky ausge¬
sprochen werden, wenn ihre Namen richtig gedruckt würden. Radeckt sing
es klug an; er ließ sich Radetzki schreiben, um nicht Radekki ausgesprochen
zu werden.

Im zweiten Capitel (S. 12—13.) beantragt Sanders, die Trennungs¬
punkte zur Verdeutlichung der Aussprache allgemeiner anzuwenden als bisher
und beispielsweise immer zu schreiben: Danaiden, Kai'n, Sinai. Deis¬
mus, Hämo rrhoiiden und ähnliches mehr; dagen. wie bisher, ohne
Trennungspunkte: Museum, Tedeum, Zoologie, Hierarchie. Was
das letzte Wort betrifft, so wären wir entschieden dafür, hier, wie auch bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/95>, abgerufen am 06.02.2025.