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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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ist, daß kein Pferd Aussicht hat, zu fressen, zu sausen, zu ruhen, sich zu er¬
holen, wohl auszusehen und sich wohl zu fühlen, und so ziehen Fremde auf
den Inseln herum, beritten wie ich heute war.

Miethet man ein Pferd von einem Kanaka, so muß man seine Augen
hübsch offen haben, weil man sicher sein kann, daß man mit einem geriebe¬
nen, gewissenlosen Halunken zu thun hat. Man kann seine Thür offen und
seinen Koffer unverschlossen lassen, so lange man Lust hat, und er wird seine
Finger nicht in unser Eigenthum stecken. Er hat keine bedeutenden Laster
und keine Neigung zu Räubereien im großen Maßstabe, aber wenn er uns
im Pferdegeschäft über den Löffel barbieren kann, so wird er es mit aller
Freudigkeit thun. Dieser Zug gehört zum Charakter der Pferdehändler in
der ganzen Welt, nicht wahr? Er wird uns zu viel abnehmen, wenn er
kann -- er wird uns des Nachts ein gut aussehendes Pferdchen irgend je¬
mandes, vielleicht des Königs, wenn es gerade zur Hand ist, vermiethen und
uns am Morgen eins bringen, das meinem Oahu aufs Haar gleicht, und
behaupten, daß es dasselbe Pferd ist. Sperren wir uns dagegen, machen
wir Lärm, so geht er hinaus und sagt, nicht er hätte den Handel mit uns
abgeschlossen, sondern sein Bruder, "der diesen Morgen aufs Land hinaus
gegangen ist." Sie haben stets einen "Bruder", dem sie die Verantwortlich¬
keit zuschieben. Ein Opfer sagte eines Tages zu einem dieser Kerle:

"Aber ich weiß, daß ich das Pferd von Dir miethete, weil ich mir die
Schmarre auf Deinem Backen merkte." Die Antwort war nicht schlecht: "O
ja -- ja, mein Bruder ebenso -- wir Zwillinge."

Ein Freund von mir I. Smith, miethete gestern ein Pferd, von dem
ihm der Kanaka verbürgte, daß es vortrefflich sei. Smith hatte selbst einen
Sattel und eine Decke und befahl dem Kanaka, diese dem Pferde aufzulegen.
Der Kanaka wendete ein, daß er sehr gern bereit sei, dem Herrn den Sattel
anzuvertrauen, der sich schon auf dem Pferde befand, aber Smith weigerte sich
denselben zu gebrauchen. Der Wechsel wurde bewerkstelligt, dann bemerkte
Smith, daß der Kanaka nur die Sättel umgetauscht und die alte Decke auf
dem Pferde gelassen hatte. Er sagte, er habe vergessen auch die Decken zu
wechseln, und so stieg Smith, um dem langweiligen Handel ein Ende zu
machen, auf und ritt fort. Eine Meile von der Stadt lähmte das Pferd und
später machte es allerhand ungewöhnliche Bockssprünge. Smith stieg ab, und
nahm den Sattel ab, aber die Decke klebte fest auf dem Pferde -- sie war
ihm über eine Reihenfolge aufgeschundener Stellen geleimt. Das geheimni߬
volle Benehmen des Kanakas war erklärt.

Ein andrer Freund von mir kaufte vor ein paar Tagen ein ziemlich
gutes Pferd von einem Eingeborenen, nachdem er das Thier einer leidlich ge¬
nauen Prüfung unterzogen. Heute entdeckte er, daß der Gaul auf dem einen


ist, daß kein Pferd Aussicht hat, zu fressen, zu sausen, zu ruhen, sich zu er¬
holen, wohl auszusehen und sich wohl zu fühlen, und so ziehen Fremde auf
den Inseln herum, beritten wie ich heute war.

Miethet man ein Pferd von einem Kanaka, so muß man seine Augen
hübsch offen haben, weil man sicher sein kann, daß man mit einem geriebe¬
nen, gewissenlosen Halunken zu thun hat. Man kann seine Thür offen und
seinen Koffer unverschlossen lassen, so lange man Lust hat, und er wird seine
Finger nicht in unser Eigenthum stecken. Er hat keine bedeutenden Laster
und keine Neigung zu Räubereien im großen Maßstabe, aber wenn er uns
im Pferdegeschäft über den Löffel barbieren kann, so wird er es mit aller
Freudigkeit thun. Dieser Zug gehört zum Charakter der Pferdehändler in
der ganzen Welt, nicht wahr? Er wird uns zu viel abnehmen, wenn er
kann — er wird uns des Nachts ein gut aussehendes Pferdchen irgend je¬
mandes, vielleicht des Königs, wenn es gerade zur Hand ist, vermiethen und
uns am Morgen eins bringen, das meinem Oahu aufs Haar gleicht, und
behaupten, daß es dasselbe Pferd ist. Sperren wir uns dagegen, machen
wir Lärm, so geht er hinaus und sagt, nicht er hätte den Handel mit uns
abgeschlossen, sondern sein Bruder, „der diesen Morgen aufs Land hinaus
gegangen ist." Sie haben stets einen „Bruder", dem sie die Verantwortlich¬
keit zuschieben. Ein Opfer sagte eines Tages zu einem dieser Kerle:

„Aber ich weiß, daß ich das Pferd von Dir miethete, weil ich mir die
Schmarre auf Deinem Backen merkte." Die Antwort war nicht schlecht: „O
ja — ja, mein Bruder ebenso — wir Zwillinge."

Ein Freund von mir I. Smith, miethete gestern ein Pferd, von dem
ihm der Kanaka verbürgte, daß es vortrefflich sei. Smith hatte selbst einen
Sattel und eine Decke und befahl dem Kanaka, diese dem Pferde aufzulegen.
Der Kanaka wendete ein, daß er sehr gern bereit sei, dem Herrn den Sattel
anzuvertrauen, der sich schon auf dem Pferde befand, aber Smith weigerte sich
denselben zu gebrauchen. Der Wechsel wurde bewerkstelligt, dann bemerkte
Smith, daß der Kanaka nur die Sättel umgetauscht und die alte Decke auf
dem Pferde gelassen hatte. Er sagte, er habe vergessen auch die Decken zu
wechseln, und so stieg Smith, um dem langweiligen Handel ein Ende zu
machen, auf und ritt fort. Eine Meile von der Stadt lähmte das Pferd und
später machte es allerhand ungewöhnliche Bockssprünge. Smith stieg ab, und
nahm den Sattel ab, aber die Decke klebte fest auf dem Pferde — sie war
ihm über eine Reihenfolge aufgeschundener Stellen geleimt. Das geheimni߬
volle Benehmen des Kanakas war erklärt.

Ein andrer Freund von mir kaufte vor ein paar Tagen ein ziemlich
gutes Pferd von einem Eingeborenen, nachdem er das Thier einer leidlich ge¬
nauen Prüfung unterzogen. Heute entdeckte er, daß der Gaul auf dem einen


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[0074] ist, daß kein Pferd Aussicht hat, zu fressen, zu sausen, zu ruhen, sich zu er¬ holen, wohl auszusehen und sich wohl zu fühlen, und so ziehen Fremde auf den Inseln herum, beritten wie ich heute war. Miethet man ein Pferd von einem Kanaka, so muß man seine Augen hübsch offen haben, weil man sicher sein kann, daß man mit einem geriebe¬ nen, gewissenlosen Halunken zu thun hat. Man kann seine Thür offen und seinen Koffer unverschlossen lassen, so lange man Lust hat, und er wird seine Finger nicht in unser Eigenthum stecken. Er hat keine bedeutenden Laster und keine Neigung zu Räubereien im großen Maßstabe, aber wenn er uns im Pferdegeschäft über den Löffel barbieren kann, so wird er es mit aller Freudigkeit thun. Dieser Zug gehört zum Charakter der Pferdehändler in der ganzen Welt, nicht wahr? Er wird uns zu viel abnehmen, wenn er kann — er wird uns des Nachts ein gut aussehendes Pferdchen irgend je¬ mandes, vielleicht des Königs, wenn es gerade zur Hand ist, vermiethen und uns am Morgen eins bringen, das meinem Oahu aufs Haar gleicht, und behaupten, daß es dasselbe Pferd ist. Sperren wir uns dagegen, machen wir Lärm, so geht er hinaus und sagt, nicht er hätte den Handel mit uns abgeschlossen, sondern sein Bruder, „der diesen Morgen aufs Land hinaus gegangen ist." Sie haben stets einen „Bruder", dem sie die Verantwortlich¬ keit zuschieben. Ein Opfer sagte eines Tages zu einem dieser Kerle: „Aber ich weiß, daß ich das Pferd von Dir miethete, weil ich mir die Schmarre auf Deinem Backen merkte." Die Antwort war nicht schlecht: „O ja — ja, mein Bruder ebenso — wir Zwillinge." Ein Freund von mir I. Smith, miethete gestern ein Pferd, von dem ihm der Kanaka verbürgte, daß es vortrefflich sei. Smith hatte selbst einen Sattel und eine Decke und befahl dem Kanaka, diese dem Pferde aufzulegen. Der Kanaka wendete ein, daß er sehr gern bereit sei, dem Herrn den Sattel anzuvertrauen, der sich schon auf dem Pferde befand, aber Smith weigerte sich denselben zu gebrauchen. Der Wechsel wurde bewerkstelligt, dann bemerkte Smith, daß der Kanaka nur die Sättel umgetauscht und die alte Decke auf dem Pferde gelassen hatte. Er sagte, er habe vergessen auch die Decken zu wechseln, und so stieg Smith, um dem langweiligen Handel ein Ende zu machen, auf und ritt fort. Eine Meile von der Stadt lähmte das Pferd und später machte es allerhand ungewöhnliche Bockssprünge. Smith stieg ab, und nahm den Sattel ab, aber die Decke klebte fest auf dem Pferde — sie war ihm über eine Reihenfolge aufgeschundener Stellen geleimt. Das geheimni߬ volle Benehmen des Kanakas war erklärt. Ein andrer Freund von mir kaufte vor ein paar Tagen ein ziemlich gutes Pferd von einem Eingeborenen, nachdem er das Thier einer leidlich ge¬ nauen Prüfung unterzogen. Heute entdeckte er, daß der Gaul auf dem einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/74>, abgerufen am 06.02.2025.