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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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daß die Oahuaner im Nuänu - Thale verschanzt waren, daß Komehameha sie
angriff, zersprengte, sie das Thal hinaustrieb und sie zuletzt in den Abgrund
jagte. Er gedenkt unsres Knochenfeldes in seinem Buche durchaus nicht.

Ergriffen von der tiefen Stille und Ruhe, die über die schöne Land¬
schaft ausgegossen waren, und wie gewöhnlich zurückgeblieben, lieh ich meinen
Gedanken Stimme. Ich sagte:

"Was für ein Bild schlummert hier in dem feierlichen Glänze des Mon¬
des! Wie mächtig sich die zerklüfteten Umrisse des erstorbnen Vulkans von
dem klaren Himmel abheben! Was für ein schneeweißer Saum von Fran¬
sen das Zerspritzen der Brandung an dem langen gekrümmten Riff bezeich¬
net! Wie ruhig schläft die matt erkennbare Stadt da drüben auf der Ebne!
Wie sanft liegen die Schatten auf den stattlichen Bergen, die das träumende
Manoa-Thal begrenzen! Was für eine große Pyramide flockiger Wolken¬
massen ragt über dem etagenförmig aufgeschichteten Perl! Wie die grimmen
Krieger sich in gespenstigen Geschwadern wieder über ihrer alten Wahlstatt
zu sammeln scheinen - wie das Gewimmer der Sterbenden aufsteigt von
dem --"

In diesem Augenblicke setzte sich mein Roß Oahu in den Sand hin.
Setzte sich hin, vermuthlich, um zuzuhören. Aber einerlei, was es hörte, ich
hielt inne mit meiner Rede und überzeugte es, daß ich nicht der Mann war,
der eine Mißachtung des Gerichts durch ungehöriges Thun erlaubt. Ich zer¬
schlug das Rückgrat eines Häuptlings an seiner Hinterpartie und jagte fort,
um die Cavalcade einzuholen.

Sehr erheblich ermüdet kamen wir um neun Uhr Abends in der Stadt
an, ich vorauf; denn als mein Gaul endlich begriff, daß es nach Hause ging
und er nicht mehr weit zu gehen hatte, ließ er die dummen Streiche und
wendete seine Aufmerksamkeit einzig dem Geschäfte zu.

Dieß ist eine gute Gelegenheit, einen belehrende" Paragraph einfließen
zu lassen. Es gibt keine eigentlichen Pferdeverleiher in Honolulu oder über¬
haupt im Königreich Hawai. Deshalb muß man. wofern man nicht mit
reichen hier wohnenden Ausländern bekannt ist. die alle gute Pferde haben,
sich von den Kanakas, d. h. den Eingebornen Thiere leihen, die stets von
der elendesten Art sind. Jedes Roß. das man miethet, auch wenn es ein
Weißer stellt, taugt wenig, weil es für uns von irgend einem Gehöft drau¬
ßen geholt wird, wo es nothwendig angestrengt gearbeitet hat. Wenn es
die mit seiner Pflege betrauten Kanakas als eingefleischte Reiter nicht selber
jeden Tag halb todt geritten haben, so kann man sich drauf verlassen, daß
sie dasselbe durch Stellvertretung, d. h. durch heimliche Vermiethung des
Pferdes, gethan haben. So hat man mir wenigstens berichtet. Die Folge


Grenzboten 1873. lit.

daß die Oahuaner im Nuänu - Thale verschanzt waren, daß Komehameha sie
angriff, zersprengte, sie das Thal hinaustrieb und sie zuletzt in den Abgrund
jagte. Er gedenkt unsres Knochenfeldes in seinem Buche durchaus nicht.

Ergriffen von der tiefen Stille und Ruhe, die über die schöne Land¬
schaft ausgegossen waren, und wie gewöhnlich zurückgeblieben, lieh ich meinen
Gedanken Stimme. Ich sagte:

„Was für ein Bild schlummert hier in dem feierlichen Glänze des Mon¬
des! Wie mächtig sich die zerklüfteten Umrisse des erstorbnen Vulkans von
dem klaren Himmel abheben! Was für ein schneeweißer Saum von Fran¬
sen das Zerspritzen der Brandung an dem langen gekrümmten Riff bezeich¬
net! Wie ruhig schläft die matt erkennbare Stadt da drüben auf der Ebne!
Wie sanft liegen die Schatten auf den stattlichen Bergen, die das träumende
Manoa-Thal begrenzen! Was für eine große Pyramide flockiger Wolken¬
massen ragt über dem etagenförmig aufgeschichteten Perl! Wie die grimmen
Krieger sich in gespenstigen Geschwadern wieder über ihrer alten Wahlstatt
zu sammeln scheinen - wie das Gewimmer der Sterbenden aufsteigt von
dem —"

In diesem Augenblicke setzte sich mein Roß Oahu in den Sand hin.
Setzte sich hin, vermuthlich, um zuzuhören. Aber einerlei, was es hörte, ich
hielt inne mit meiner Rede und überzeugte es, daß ich nicht der Mann war,
der eine Mißachtung des Gerichts durch ungehöriges Thun erlaubt. Ich zer¬
schlug das Rückgrat eines Häuptlings an seiner Hinterpartie und jagte fort,
um die Cavalcade einzuholen.

Sehr erheblich ermüdet kamen wir um neun Uhr Abends in der Stadt
an, ich vorauf; denn als mein Gaul endlich begriff, daß es nach Hause ging
und er nicht mehr weit zu gehen hatte, ließ er die dummen Streiche und
wendete seine Aufmerksamkeit einzig dem Geschäfte zu.

Dieß ist eine gute Gelegenheit, einen belehrende» Paragraph einfließen
zu lassen. Es gibt keine eigentlichen Pferdeverleiher in Honolulu oder über¬
haupt im Königreich Hawai. Deshalb muß man. wofern man nicht mit
reichen hier wohnenden Ausländern bekannt ist. die alle gute Pferde haben,
sich von den Kanakas, d. h. den Eingebornen Thiere leihen, die stets von
der elendesten Art sind. Jedes Roß. das man miethet, auch wenn es ein
Weißer stellt, taugt wenig, weil es für uns von irgend einem Gehöft drau¬
ßen geholt wird, wo es nothwendig angestrengt gearbeitet hat. Wenn es
die mit seiner Pflege betrauten Kanakas als eingefleischte Reiter nicht selber
jeden Tag halb todt geritten haben, so kann man sich drauf verlassen, daß
sie dasselbe durch Stellvertretung, d. h. durch heimliche Vermiethung des
Pferdes, gethan haben. So hat man mir wenigstens berichtet. Die Folge


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/73>, abgerufen am 06.02.2025.