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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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floß, und lud später meinem Oahu die besten auf, indem ich ihn zum Gehen
antrieb. Man sunt alle Arten Knochen, nur keine Schädel; aber ein Bürger
sagte unehrerbietig, es wären neuerdings eine ungewöhnliche Menge von "Schä¬
deljägern" hier gewesen -- eine Species von Sportsmen, von der ich vorher
nie gehört hatte.

Man weiß von dieser Stelle durchaus nichts. Ihre Geschichte wird nie
enthüllt werden. Die ältesten Eingeborenen machen keinen Anspruch darauf, sie zu
kennen. Sie sagen, diese Knochen wären schon hier gewesen, als sie noch Kinder ge¬
wesen seien, ja als ihre Großväter noch Kinder gewesen seien. Aber wie sie
hierhergekommen, könnten sie blos vermuthen. Viele Leute halten den Ort
für ein uraltes Schlachtfeld, und es ist Mich, ihn so zu bezeichnen. Man
glaubt, daß diese Gerippe seit vielen Menschenaltern hier gelegen haben, wo
ihre Besitzer in der großen Schlacht gefallen seien. Andere glauben, daß
Kamehameha der Erste seine erste Schlacht hier lieferte. In Betreff dieses
Punktes habe ich eine Erzählung gehört, die aus einem der zahlreichen Bücher
entlehnt sein mag, die über diese Inseln geschrieben worden sind -- ich weiß
nicht, wo der Erzähler sie her hat. Es heißt da, als Kamehahema, der zuerst
nur ein untergeordneter Häuptling auf der Insel Hawai gewesen, hier gelandet
sei, habe er ein großes Heer mitgebracht und zu Waikiki sein Lager aufgeschlagen.
Die Oahuaner marschirten ihm entgegen, und sie vertrauten so fest auf
ihren Sieg, daß sie bereitwillig auf das Verlangen ihrer Priester eingingen,
da, wo jetzt diese Gebeine liegen, eine Linie zu ziehen und einen Eid zu leisten,
wenn sie überhaupt zurückmüßten, so wollten sie nicht über diese Linie hinaus
zurück gehen. Die Priester sagten ihnen, daß Tod und ewige Strafe jeden
treffen würde, der diesen Eid verletze, und der Marsch wurde fortgesetzt. Ka¬
mehameha trieb sie Schritt für Schritt zurück. Die Priester fochten in der
ersten Reihe und ernährten sie durch Zuruf und anfeuerndes Beispiel, ihres
Eides eingedenk zu sein und wo nöthig, zu sterben, aber nie die verhängniß-
volle Linie zu überschreiten. Der Kampf wurde mannhaft fortgesetzt, aber
zuletzt fiel der Oberpriester, von einem Speere ins Herz getroffen, und jetzt
fiel das unselige Omen wie ein Zauber aaf die tapfern Seelen hinter ihm.
Mit Triumphgeschrei drangen die Eindringliche vorwärts -- die Linie wurde
überschritten, die erzürnten Götter verließen das verzweifelnde Heer, und das¬
selbe zerstäubte indem es sich dem Verhängniß unterwarf, welches ihr Eidbruch
über sie gebracht, und stolz über die Ebne, auf der jetzt Honolulu steht --
das schöne Nucmu-Thal hinauf -- hielt einen Augenblick inne, da schroffe
Bergwände zu beiden Seiten es einhemmten und vor ihm der schreckliche Ab¬
grund von Pari gähnte, und wurde dann in denselben hinabgetrieben --- ein
Sturz von sechshundert Fuß.

Die Geschichte ist recht hübsch. Aber Jarves' vortreffliches Werk sagt,


floß, und lud später meinem Oahu die besten auf, indem ich ihn zum Gehen
antrieb. Man sunt alle Arten Knochen, nur keine Schädel; aber ein Bürger
sagte unehrerbietig, es wären neuerdings eine ungewöhnliche Menge von „Schä¬
deljägern" hier gewesen — eine Species von Sportsmen, von der ich vorher
nie gehört hatte.

Man weiß von dieser Stelle durchaus nichts. Ihre Geschichte wird nie
enthüllt werden. Die ältesten Eingeborenen machen keinen Anspruch darauf, sie zu
kennen. Sie sagen, diese Knochen wären schon hier gewesen, als sie noch Kinder ge¬
wesen seien, ja als ihre Großväter noch Kinder gewesen seien. Aber wie sie
hierhergekommen, könnten sie blos vermuthen. Viele Leute halten den Ort
für ein uraltes Schlachtfeld, und es ist Mich, ihn so zu bezeichnen. Man
glaubt, daß diese Gerippe seit vielen Menschenaltern hier gelegen haben, wo
ihre Besitzer in der großen Schlacht gefallen seien. Andere glauben, daß
Kamehameha der Erste seine erste Schlacht hier lieferte. In Betreff dieses
Punktes habe ich eine Erzählung gehört, die aus einem der zahlreichen Bücher
entlehnt sein mag, die über diese Inseln geschrieben worden sind — ich weiß
nicht, wo der Erzähler sie her hat. Es heißt da, als Kamehahema, der zuerst
nur ein untergeordneter Häuptling auf der Insel Hawai gewesen, hier gelandet
sei, habe er ein großes Heer mitgebracht und zu Waikiki sein Lager aufgeschlagen.
Die Oahuaner marschirten ihm entgegen, und sie vertrauten so fest auf
ihren Sieg, daß sie bereitwillig auf das Verlangen ihrer Priester eingingen,
da, wo jetzt diese Gebeine liegen, eine Linie zu ziehen und einen Eid zu leisten,
wenn sie überhaupt zurückmüßten, so wollten sie nicht über diese Linie hinaus
zurück gehen. Die Priester sagten ihnen, daß Tod und ewige Strafe jeden
treffen würde, der diesen Eid verletze, und der Marsch wurde fortgesetzt. Ka¬
mehameha trieb sie Schritt für Schritt zurück. Die Priester fochten in der
ersten Reihe und ernährten sie durch Zuruf und anfeuerndes Beispiel, ihres
Eides eingedenk zu sein und wo nöthig, zu sterben, aber nie die verhängniß-
volle Linie zu überschreiten. Der Kampf wurde mannhaft fortgesetzt, aber
zuletzt fiel der Oberpriester, von einem Speere ins Herz getroffen, und jetzt
fiel das unselige Omen wie ein Zauber aaf die tapfern Seelen hinter ihm.
Mit Triumphgeschrei drangen die Eindringliche vorwärts — die Linie wurde
überschritten, die erzürnten Götter verließen das verzweifelnde Heer, und das¬
selbe zerstäubte indem es sich dem Verhängniß unterwarf, welches ihr Eidbruch
über sie gebracht, und stolz über die Ebne, auf der jetzt Honolulu steht —
das schöne Nucmu-Thal hinauf — hielt einen Augenblick inne, da schroffe
Bergwände zu beiden Seiten es einhemmten und vor ihm der schreckliche Ab¬
grund von Pari gähnte, und wurde dann in denselben hinabgetrieben —- ein
Sturz von sechshundert Fuß.

Die Geschichte ist recht hübsch. Aber Jarves' vortreffliches Werk sagt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/72>, abgerufen am 06.02.2025.