Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.Aichard Wagner's "King des Mbelungen" 4- Die Möglichkeit der scenischen Gestaltung. Bei der Nacherzählung von Wagner's Tetralogie waren wir vornehmlich Bei einem Bühnenwerk ist die Frage von entscheidender Bedeutung, ob Die Handlung in allen vier Dramen der Wagner'schen Tetralogie ist Dem allen ungeachtet muß die Bühnengemäßheit der Wagner'schen Dra¬ Aichard Wagner's „King des Mbelungen" 4- Die Möglichkeit der scenischen Gestaltung. Bei der Nacherzählung von Wagner's Tetralogie waren wir vornehmlich Bei einem Bühnenwerk ist die Frage von entscheidender Bedeutung, ob Die Handlung in allen vier Dramen der Wagner'schen Tetralogie ist Dem allen ungeachtet muß die Bühnengemäßheit der Wagner'schen Dra¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193306"/> </div> <div n="1"> <head> Aichard Wagner's „King des Mbelungen"</head><lb/> <div n="2"> <head> 4-<lb/> Die Möglichkeit der scenischen Gestaltung.</head><lb/> <p xml:id="ID_1654"> Bei der Nacherzählung von Wagner's Tetralogie waren wir vornehmlich<lb/> bemüht, das dramatische Nervengesiecht der Handlung sichtbar zu machen.<lb/> Alle Züge, die nur der charakterisirenden Ausführung angehören, wurden<lb/> übergangen, darunter auch ganze Scenen, wie im „Siegfried" die Scene zwi¬<lb/> schen Alberich und Mime, in der „Götterdämmerung" zwischen Alberich und<lb/> Hagen. Auf manche Schönheiten der poetischen Farbe aufmerksam zu machen,<lb/> gestattete der Zweck nicht, den wir uns vorgesetzt. Die lebendige Erscheinung<lb/> der dramatischen Gestalten und ihrer Thaten gehört aber zur vollständigen<lb/> Dichtung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1655"> Bei einem Bühnenwerk ist die Frage von entscheidender Bedeutung, ob<lb/> die Vorgänge bühnengemäß und bühnenfähig sind. Nichts wäre oberfläch¬<lb/> licher, als die Bühnenfähigkeit dramatischer Dichtwerke für eine untergeordnete<lb/> zufällige Eigenschaft zu halten. Unrichtig ist es aber, die dramatische Wir¬<lb/> kungsfähigkeit und die Bühnenfähigkeit für identisch zu halten. Es giebt<lb/> allerdings Dramen, die in nichts weiter dramatisch sind, als in der dialogi¬<lb/> schen Form. Macht man aber von diesen Dramen, die gar keine Dramen<lb/> sind, den Sprung zu den wirklichen Dramen und langt sogleich bei den büh¬<lb/> nengemäßen Dramen an, so überspringt man eine Art dramatischer Dichtungen,<lb/> die alle Eigenschaften eines wirklichen Drama haben und doch der Bühne<lb/> widerstreben, lediglich durch die Voraussetzungen ihrer sinnlichen Erscheinung,<lb/> nicht aber, wie die unechten Dramen, durch den Mangel an wahrer Hand¬<lb/> lung oder durch die undramatische Beschaffenheit der von ihnen dargestellten<lb/> Handlung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1656"> Die Handlung in allen vier Dramen der Wagner'schen Tetralogie ist<lb/> echt dramatisch und nicht selten hochdramatisch. Der erste Akt der Walküre<lb/> reiht sich den höchsten Mustern an, auf die Zusammenknüpfung der großge¬<lb/> gliederten Handlung durch vier Dramen hindurch, deren jedes doch für sich<lb/> ein wahres abgeschlossenes Drama ist, sowie auf den Parallelismus in der<lb/> Haupthandlung, die sich dennoch als eine Doppelhandlung darstellt, wovon<lb/> die eine mehrgliedriger ist als die andere, haben wir schon aufmerksam ge¬<lb/> macht. Auch haben wir die Einfachheit der Entwicklung hervorgehoben, welche<lb/> ein Zeichen der wahren Kunst ist, wenn aus einfachen Motiven große Vor¬<lb/> gänge sich entwickeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_1657" next="#ID_1658"> Dem allen ungeachtet muß die Bühnengemäßheit der Wagner'schen Dra¬<lb/> men ernstliche Zweifel hervorrufen und zwar nur wegen ihrer scenischen Dar-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0503]
Aichard Wagner's „King des Mbelungen"
4-
Die Möglichkeit der scenischen Gestaltung.
Bei der Nacherzählung von Wagner's Tetralogie waren wir vornehmlich
bemüht, das dramatische Nervengesiecht der Handlung sichtbar zu machen.
Alle Züge, die nur der charakterisirenden Ausführung angehören, wurden
übergangen, darunter auch ganze Scenen, wie im „Siegfried" die Scene zwi¬
schen Alberich und Mime, in der „Götterdämmerung" zwischen Alberich und
Hagen. Auf manche Schönheiten der poetischen Farbe aufmerksam zu machen,
gestattete der Zweck nicht, den wir uns vorgesetzt. Die lebendige Erscheinung
der dramatischen Gestalten und ihrer Thaten gehört aber zur vollständigen
Dichtung.
Bei einem Bühnenwerk ist die Frage von entscheidender Bedeutung, ob
die Vorgänge bühnengemäß und bühnenfähig sind. Nichts wäre oberfläch¬
licher, als die Bühnenfähigkeit dramatischer Dichtwerke für eine untergeordnete
zufällige Eigenschaft zu halten. Unrichtig ist es aber, die dramatische Wir¬
kungsfähigkeit und die Bühnenfähigkeit für identisch zu halten. Es giebt
allerdings Dramen, die in nichts weiter dramatisch sind, als in der dialogi¬
schen Form. Macht man aber von diesen Dramen, die gar keine Dramen
sind, den Sprung zu den wirklichen Dramen und langt sogleich bei den büh¬
nengemäßen Dramen an, so überspringt man eine Art dramatischer Dichtungen,
die alle Eigenschaften eines wirklichen Drama haben und doch der Bühne
widerstreben, lediglich durch die Voraussetzungen ihrer sinnlichen Erscheinung,
nicht aber, wie die unechten Dramen, durch den Mangel an wahrer Hand¬
lung oder durch die undramatische Beschaffenheit der von ihnen dargestellten
Handlung.
Die Handlung in allen vier Dramen der Wagner'schen Tetralogie ist
echt dramatisch und nicht selten hochdramatisch. Der erste Akt der Walküre
reiht sich den höchsten Mustern an, auf die Zusammenknüpfung der großge¬
gliederten Handlung durch vier Dramen hindurch, deren jedes doch für sich
ein wahres abgeschlossenes Drama ist, sowie auf den Parallelismus in der
Haupthandlung, die sich dennoch als eine Doppelhandlung darstellt, wovon
die eine mehrgliedriger ist als die andere, haben wir schon aufmerksam ge¬
macht. Auch haben wir die Einfachheit der Entwicklung hervorgehoben, welche
ein Zeichen der wahren Kunst ist, wenn aus einfachen Motiven große Vor¬
gänge sich entwickeln.
Dem allen ungeachtet muß die Bühnengemäßheit der Wagner'schen Dra¬
men ernstliche Zweifel hervorrufen und zwar nur wegen ihrer scenischen Dar-
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