Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

handeln, die Entscheidung in dem einen wie in dem anderen Falle haben
eintreten lassen wollen. In den Verträgen mit den Fürsten von Hannover
und Nassau ist die Entschädigung zugleich für die Dynastien gemeint; in
dem Stettiner Vertrage aber ist die Beziehung der Entschädigung auf die Ag-
naten auf verschiedene Weise direct ausgeschlossen. Die Entscheidung über
eine Entschädigung für die eventuellen Thronrechte der hessischen Agnaten ist von
der preußischen Regierung, so muß man nach ihrem Verhalten schließen,
offenbar aufgeschoben bis zur Lösung der Frage nach der Berechti¬
gung an den im Stettiner Vertrage erwähnten Capitalien d. h. bis zum
Tode des Kurfürsten.

Zur Lösung dieser Frage ist aber seit 1866 kein officieller Schritt unter¬
nommen. Dieser Umstand, in Verbindung mit einigen widerspruchsvollen
Handlungen und Erklärungen der preußischen Negierung, hat sowohl im hes¬
sischen Lande als auch namentlich bei den hessischen Agnaten nicht uner¬
hebliche Besorgnisse über die geheimen Absichten, welche man in Berlin etwa
hege, hervorgerufen.

Der Kurfürst soll nach den Bestimmungen des Stettiner Vertrages
lebenslänglich erhalten: 1) nach §. 4 seine bisherige Civilliste von jähr¬
lich 300,000 Thaler. Indem dabei zugleich bestimmt ist, daß er sich von dieser
Summe einen Abzug der infolge des Uebereinkommens von 1831 über die
Hofdotation auf dieselbe gelegten Lasten gefallen lassen müsse, so steht er in
Folge dessen grundsätzlich nicht schlechter als zur Zeit seiner Herrschaft,
wenngleich er allerdings damals thatsächlich manche jener Verpflichtungen
dauernd in großartiger Weise außer Acht gelassen hatte. Diese Abzüge für
Besoldungen, Pensionen, das Landesgestüt, Bauten, Gärten, Hoftheater, Jagd¬
verwaltung u. f. w. betragen nach einem von Preußen ermittelten lOjähri-
gen Durchschnitte 278,000 Thlr. jährlich, so daß dem Fürsten von der Summe
der früheren Civilliste blos 22,000 Thlr. jährlich übrig bleiben. Von dem
im § 6 des Vertrags enthaltenen Angebote des Königs von Preußen,
anstatt des jährlichen Ueberschusses ein für allemal 600,000 Thlr. zu zahlen,
hat der Kurfürst keinen Gebrauch gemacht. 2) Nach §. 2 die Nutzungen des
"Kurfürstlich Hessischen Familien - Fidcieommisses". Dieses besteht, wie im
ez, 2 des Stettiner Vertrages hervorgehoben ist, aus g.) dem sog. Hausschatze,
d) bestimmten Immobilien, Mobilien und Berechtigungen, e) sonstigem fidei-
commissarischem Vermögen aller Art. Die Revenuen des Hausschatzes be¬
tragen jährlich etwa 290,000 Thlr., doch muß sich der Kurfürst auch hiervon
den Abzug der darauf lastenden Schuldigkeiten gefallen lassen. Das Einkom¬
men aus den unter b und e erwähnten Gegenständen wird auf jährlich etwa
38,000 Thlr. veranschlagt. Die Gesammtheit der dem Kurfürsten vertrags¬
mäßig zukommenden Nutzungen beträgt also etwa 22,000-j-290,000--I-38,000^


handeln, die Entscheidung in dem einen wie in dem anderen Falle haben
eintreten lassen wollen. In den Verträgen mit den Fürsten von Hannover
und Nassau ist die Entschädigung zugleich für die Dynastien gemeint; in
dem Stettiner Vertrage aber ist die Beziehung der Entschädigung auf die Ag-
naten auf verschiedene Weise direct ausgeschlossen. Die Entscheidung über
eine Entschädigung für die eventuellen Thronrechte der hessischen Agnaten ist von
der preußischen Regierung, so muß man nach ihrem Verhalten schließen,
offenbar aufgeschoben bis zur Lösung der Frage nach der Berechti¬
gung an den im Stettiner Vertrage erwähnten Capitalien d. h. bis zum
Tode des Kurfürsten.

Zur Lösung dieser Frage ist aber seit 1866 kein officieller Schritt unter¬
nommen. Dieser Umstand, in Verbindung mit einigen widerspruchsvollen
Handlungen und Erklärungen der preußischen Negierung, hat sowohl im hes¬
sischen Lande als auch namentlich bei den hessischen Agnaten nicht uner¬
hebliche Besorgnisse über die geheimen Absichten, welche man in Berlin etwa
hege, hervorgerufen.

Der Kurfürst soll nach den Bestimmungen des Stettiner Vertrages
lebenslänglich erhalten: 1) nach §. 4 seine bisherige Civilliste von jähr¬
lich 300,000 Thaler. Indem dabei zugleich bestimmt ist, daß er sich von dieser
Summe einen Abzug der infolge des Uebereinkommens von 1831 über die
Hofdotation auf dieselbe gelegten Lasten gefallen lassen müsse, so steht er in
Folge dessen grundsätzlich nicht schlechter als zur Zeit seiner Herrschaft,
wenngleich er allerdings damals thatsächlich manche jener Verpflichtungen
dauernd in großartiger Weise außer Acht gelassen hatte. Diese Abzüge für
Besoldungen, Pensionen, das Landesgestüt, Bauten, Gärten, Hoftheater, Jagd¬
verwaltung u. f. w. betragen nach einem von Preußen ermittelten lOjähri-
gen Durchschnitte 278,000 Thlr. jährlich, so daß dem Fürsten von der Summe
der früheren Civilliste blos 22,000 Thlr. jährlich übrig bleiben. Von dem
im § 6 des Vertrags enthaltenen Angebote des Königs von Preußen,
anstatt des jährlichen Ueberschusses ein für allemal 600,000 Thlr. zu zahlen,
hat der Kurfürst keinen Gebrauch gemacht. 2) Nach §. 2 die Nutzungen des
„Kurfürstlich Hessischen Familien - Fidcieommisses". Dieses besteht, wie im
ez, 2 des Stettiner Vertrages hervorgehoben ist, aus g.) dem sog. Hausschatze,
d) bestimmten Immobilien, Mobilien und Berechtigungen, e) sonstigem fidei-
commissarischem Vermögen aller Art. Die Revenuen des Hausschatzes be¬
tragen jährlich etwa 290,000 Thlr., doch muß sich der Kurfürst auch hiervon
den Abzug der darauf lastenden Schuldigkeiten gefallen lassen. Das Einkom¬
men aus den unter b und e erwähnten Gegenständen wird auf jährlich etwa
38,000 Thlr. veranschlagt. Die Gesammtheit der dem Kurfürsten vertrags¬
mäßig zukommenden Nutzungen beträgt also etwa 22,000-j-290,000--I-38,000^


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0491" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193294"/>
          <p xml:id="ID_1623" prev="#ID_1622"> handeln, die Entscheidung in dem einen wie in dem anderen Falle haben<lb/>
eintreten lassen wollen. In den Verträgen mit den Fürsten von Hannover<lb/>
und Nassau ist die Entschädigung zugleich für die Dynastien gemeint; in<lb/>
dem Stettiner Vertrage aber ist die Beziehung der Entschädigung auf die Ag-<lb/>
naten auf verschiedene Weise direct ausgeschlossen. Die Entscheidung über<lb/>
eine Entschädigung für die eventuellen Thronrechte der hessischen Agnaten ist von<lb/>
der preußischen Regierung, so muß man nach ihrem Verhalten schließen,<lb/>
offenbar aufgeschoben bis zur Lösung der Frage nach der Berechti¬<lb/>
gung an den im Stettiner Vertrage erwähnten Capitalien d. h. bis zum<lb/>
Tode des Kurfürsten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1624"> Zur Lösung dieser Frage ist aber seit 1866 kein officieller Schritt unter¬<lb/>
nommen. Dieser Umstand, in Verbindung mit einigen widerspruchsvollen<lb/>
Handlungen und Erklärungen der preußischen Negierung, hat sowohl im hes¬<lb/>
sischen Lande als auch namentlich bei den hessischen Agnaten nicht uner¬<lb/>
hebliche Besorgnisse über die geheimen Absichten, welche man in Berlin etwa<lb/>
hege, hervorgerufen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1625" next="#ID_1626"> Der Kurfürst soll nach den Bestimmungen des Stettiner Vertrages<lb/>
lebenslänglich erhalten: 1) nach §. 4 seine bisherige Civilliste von jähr¬<lb/>
lich 300,000 Thaler. Indem dabei zugleich bestimmt ist, daß er sich von dieser<lb/>
Summe einen Abzug der infolge des Uebereinkommens von 1831 über die<lb/>
Hofdotation auf dieselbe gelegten Lasten gefallen lassen müsse, so steht er in<lb/>
Folge dessen grundsätzlich nicht schlechter als zur Zeit seiner Herrschaft,<lb/>
wenngleich er allerdings damals thatsächlich manche jener Verpflichtungen<lb/>
dauernd in großartiger Weise außer Acht gelassen hatte.  Diese Abzüge für<lb/>
Besoldungen, Pensionen, das Landesgestüt, Bauten, Gärten, Hoftheater, Jagd¬<lb/>
verwaltung u. f. w. betragen nach einem von Preußen ermittelten lOjähri-<lb/>
gen Durchschnitte 278,000 Thlr. jährlich, so daß dem Fürsten von der Summe<lb/>
der früheren Civilliste blos 22,000 Thlr. jährlich übrig bleiben.  Von dem<lb/>
im § 6 des Vertrags enthaltenen Angebote des Königs von Preußen,<lb/>
anstatt des jährlichen Ueberschusses ein für allemal 600,000 Thlr. zu zahlen,<lb/>
hat der Kurfürst keinen Gebrauch gemacht. 2) Nach §. 2 die Nutzungen des<lb/>
&#x201E;Kurfürstlich Hessischen Familien - Fidcieommisses".  Dieses besteht, wie im<lb/>
ez, 2 des Stettiner Vertrages hervorgehoben ist, aus g.) dem sog. Hausschatze,<lb/>
d) bestimmten Immobilien, Mobilien und Berechtigungen, e) sonstigem fidei-<lb/>
commissarischem Vermögen aller Art. Die Revenuen des Hausschatzes be¬<lb/>
tragen jährlich etwa 290,000 Thlr., doch muß sich der Kurfürst auch hiervon<lb/>
den Abzug der darauf lastenden Schuldigkeiten gefallen lassen. Das Einkom¬<lb/>
men aus den unter b und e erwähnten Gegenständen wird auf jährlich etwa<lb/>
38,000 Thlr. veranschlagt. Die Gesammtheit der dem Kurfürsten vertrags¬<lb/>
mäßig zukommenden Nutzungen beträgt also etwa 22,000-j-290,000--I-38,000^</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0491] handeln, die Entscheidung in dem einen wie in dem anderen Falle haben eintreten lassen wollen. In den Verträgen mit den Fürsten von Hannover und Nassau ist die Entschädigung zugleich für die Dynastien gemeint; in dem Stettiner Vertrage aber ist die Beziehung der Entschädigung auf die Ag- naten auf verschiedene Weise direct ausgeschlossen. Die Entscheidung über eine Entschädigung für die eventuellen Thronrechte der hessischen Agnaten ist von der preußischen Regierung, so muß man nach ihrem Verhalten schließen, offenbar aufgeschoben bis zur Lösung der Frage nach der Berechti¬ gung an den im Stettiner Vertrage erwähnten Capitalien d. h. bis zum Tode des Kurfürsten. Zur Lösung dieser Frage ist aber seit 1866 kein officieller Schritt unter¬ nommen. Dieser Umstand, in Verbindung mit einigen widerspruchsvollen Handlungen und Erklärungen der preußischen Negierung, hat sowohl im hes¬ sischen Lande als auch namentlich bei den hessischen Agnaten nicht uner¬ hebliche Besorgnisse über die geheimen Absichten, welche man in Berlin etwa hege, hervorgerufen. Der Kurfürst soll nach den Bestimmungen des Stettiner Vertrages lebenslänglich erhalten: 1) nach §. 4 seine bisherige Civilliste von jähr¬ lich 300,000 Thaler. Indem dabei zugleich bestimmt ist, daß er sich von dieser Summe einen Abzug der infolge des Uebereinkommens von 1831 über die Hofdotation auf dieselbe gelegten Lasten gefallen lassen müsse, so steht er in Folge dessen grundsätzlich nicht schlechter als zur Zeit seiner Herrschaft, wenngleich er allerdings damals thatsächlich manche jener Verpflichtungen dauernd in großartiger Weise außer Acht gelassen hatte. Diese Abzüge für Besoldungen, Pensionen, das Landesgestüt, Bauten, Gärten, Hoftheater, Jagd¬ verwaltung u. f. w. betragen nach einem von Preußen ermittelten lOjähri- gen Durchschnitte 278,000 Thlr. jährlich, so daß dem Fürsten von der Summe der früheren Civilliste blos 22,000 Thlr. jährlich übrig bleiben. Von dem im § 6 des Vertrags enthaltenen Angebote des Königs von Preußen, anstatt des jährlichen Ueberschusses ein für allemal 600,000 Thlr. zu zahlen, hat der Kurfürst keinen Gebrauch gemacht. 2) Nach §. 2 die Nutzungen des „Kurfürstlich Hessischen Familien - Fidcieommisses". Dieses besteht, wie im ez, 2 des Stettiner Vertrages hervorgehoben ist, aus g.) dem sog. Hausschatze, d) bestimmten Immobilien, Mobilien und Berechtigungen, e) sonstigem fidei- commissarischem Vermögen aller Art. Die Revenuen des Hausschatzes be¬ tragen jährlich etwa 290,000 Thlr., doch muß sich der Kurfürst auch hiervon den Abzug der darauf lastenden Schuldigkeiten gefallen lassen. Das Einkom¬ men aus den unter b und e erwähnten Gegenständen wird auf jährlich etwa 38,000 Thlr. veranschlagt. Die Gesammtheit der dem Kurfürsten vertrags¬ mäßig zukommenden Nutzungen beträgt also etwa 22,000-j-290,000--I-38,000^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/491
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/491>, abgerufen am 06.02.2025.