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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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wohl der betreffenden Ex-Regenten als auch eines jeden ihrer Agnaten, wel¬
cher beim Fortbestande der fraglichen Staaten zur Thronfolge würde berufen
gewesen sein. Zwar ist in jenen Verträgen von der Eigenschaft dieser Summe
als einer Abfindung nicht ausdrücklich die Rede, allein nach des Minister¬
präsidenten Grafen Bismarck's Andeutungen bei der Berathung im preußi¬
schen Abgeordnetenhause am 1. Februar 1868 ist von der preußischen Re¬
gierung das Eingehen der Entthronten aus diese Verträge als eine that¬
sächliche Entsagung auf die Thronansprüche betrachtet worden, wenngleich
es vom Standpunkte der preußischen Regierung, welche die neuen Lan¬
destheile durch "Eroberung" erworben haben will, einer solchen Entsagung
und Abfindung nicht bedurft hätte. Die preußische Regierung scheint eben
zur Begründung ihres Rechts auf die annectirten Länder ein Uebriges ha¬
ben thun wollen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß auch dem Vertrage mit
dem Er-Kurfürsten von der preußischen Negierung die Bedeutung einer that¬
sächlichen Thronentsagung des Letzteren beigelegt wird; dagegen ist die An¬
nahme ausgeschlossen, als ob die Thronfolgerechte der Agnaten zugleich hier¬
mit hätten als niedergelegt angesehen werden sollen; die Abmachung mit dem
Kurfürsten läßt vielmehr hinsichtlich der finanziellen Verhältnisse des fürst¬
lichen Hauses und hinsichtlich der Agnaten noch wesentliche Dinge offen.

Mit dem Kurfürsten ist zur Zeit, als er sich zu Stettin in der sog. Ge¬
fangenschaft befand, am 17. Sept. 1866, vom König von Preußen ein Ver¬
trag abgeschlossen. Durch diesen Vertrag ist dem Kurfürsten nicht etwa, wie
in obigen Fällen, eine Capitalsumme übereignet, sondern es sind ihm für
seine Lebenszeit bestimmte Nutzungen von Capitalien überwiesen. Zwar
hat auch der Welfenkönig das Capital der 16 Millionen Thaler zunächst nicht
in die Hand bekommen, sondern es ist, wie die Capitalien der Nutzungen des
Kurfürsten, im Besitze Preußens geblieben; im Stettiner Vertrage ist aber
hinsichtlich der betreffenden Hess. Capitalien gar nichts bestimmt worden und
somit die Frage, wie Preußen sich zu denselben stellen werde, von vornherein sehr
im Unklaren gelassen. Dasselbe ist dort der Fall hinsichtlich der Beziehung
der kurfürstlichen Agnaten zu diesen Capitalien. Auch in Betreff der Höhe
der dem Kurfürsten ausgesetzten Revenuen ist der Gesichtspunkt einer Ent¬
schädigung nur für seine Person festgehalten.

Einer Entschädigung der entthronten Fürsten und ihrer Familien würde
es eigentlich gar nicht bedurft haben; wie jeder Einzelne, so hatten auch sie,
und natürlich nach Verhältniß ihrer Lage, die durch die Umstände geforderten
Opfer für die Einheit des Vaterlandes zu bringen. Es sind nur Acte des
Edelmuthes und der Klugheit von Preußen, wenn es für eine Art von Ersatz
sorgte. Indem Preußen von diesem Standpunkte ausging, wird es aber, so
muß man nothwendig annehmen, in allen drei Fällen in gleicher Weise haben


wohl der betreffenden Ex-Regenten als auch eines jeden ihrer Agnaten, wel¬
cher beim Fortbestande der fraglichen Staaten zur Thronfolge würde berufen
gewesen sein. Zwar ist in jenen Verträgen von der Eigenschaft dieser Summe
als einer Abfindung nicht ausdrücklich die Rede, allein nach des Minister¬
präsidenten Grafen Bismarck's Andeutungen bei der Berathung im preußi¬
schen Abgeordnetenhause am 1. Februar 1868 ist von der preußischen Re¬
gierung das Eingehen der Entthronten aus diese Verträge als eine that¬
sächliche Entsagung auf die Thronansprüche betrachtet worden, wenngleich
es vom Standpunkte der preußischen Regierung, welche die neuen Lan¬
destheile durch „Eroberung" erworben haben will, einer solchen Entsagung
und Abfindung nicht bedurft hätte. Die preußische Regierung scheint eben
zur Begründung ihres Rechts auf die annectirten Länder ein Uebriges ha¬
ben thun wollen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß auch dem Vertrage mit
dem Er-Kurfürsten von der preußischen Negierung die Bedeutung einer that¬
sächlichen Thronentsagung des Letzteren beigelegt wird; dagegen ist die An¬
nahme ausgeschlossen, als ob die Thronfolgerechte der Agnaten zugleich hier¬
mit hätten als niedergelegt angesehen werden sollen; die Abmachung mit dem
Kurfürsten läßt vielmehr hinsichtlich der finanziellen Verhältnisse des fürst¬
lichen Hauses und hinsichtlich der Agnaten noch wesentliche Dinge offen.

Mit dem Kurfürsten ist zur Zeit, als er sich zu Stettin in der sog. Ge¬
fangenschaft befand, am 17. Sept. 1866, vom König von Preußen ein Ver¬
trag abgeschlossen. Durch diesen Vertrag ist dem Kurfürsten nicht etwa, wie
in obigen Fällen, eine Capitalsumme übereignet, sondern es sind ihm für
seine Lebenszeit bestimmte Nutzungen von Capitalien überwiesen. Zwar
hat auch der Welfenkönig das Capital der 16 Millionen Thaler zunächst nicht
in die Hand bekommen, sondern es ist, wie die Capitalien der Nutzungen des
Kurfürsten, im Besitze Preußens geblieben; im Stettiner Vertrage ist aber
hinsichtlich der betreffenden Hess. Capitalien gar nichts bestimmt worden und
somit die Frage, wie Preußen sich zu denselben stellen werde, von vornherein sehr
im Unklaren gelassen. Dasselbe ist dort der Fall hinsichtlich der Beziehung
der kurfürstlichen Agnaten zu diesen Capitalien. Auch in Betreff der Höhe
der dem Kurfürsten ausgesetzten Revenuen ist der Gesichtspunkt einer Ent¬
schädigung nur für seine Person festgehalten.

Einer Entschädigung der entthronten Fürsten und ihrer Familien würde
es eigentlich gar nicht bedurft haben; wie jeder Einzelne, so hatten auch sie,
und natürlich nach Verhältniß ihrer Lage, die durch die Umstände geforderten
Opfer für die Einheit des Vaterlandes zu bringen. Es sind nur Acte des
Edelmuthes und der Klugheit von Preußen, wenn es für eine Art von Ersatz
sorgte. Indem Preußen von diesem Standpunkte ausging, wird es aber, so
muß man nothwendig annehmen, in allen drei Fällen in gleicher Weise haben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/490>, abgerufen am 05.02.2025.