Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.belungenring. Er ist schon dabei, aus großmüthigem Uebermuth den Ring da¬ Die Schlußworte, in welche Brünnhilde den Sinn der ganzen Dichtung belungenring. Er ist schon dabei, aus großmüthigem Uebermuth den Ring da¬ Die Schlußworte, in welche Brünnhilde den Sinn der ganzen Dichtung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193279"/> <p xml:id="ID_1581" prev="#ID_1580"> belungenring. Er ist schon dabei, aus großmüthigem Uebermuth den Ring da¬<lb/> hin zu geben, als ihm die Rheintöchter von dem Ring Verderben weissagen.<lb/> Nun behält er ihn. Es kommt wie im deutschen Nibelungenlied die Scene<lb/> auf der Jagd, wo Siegfried ermordet wird. Gelagert erzählt er den Jagdge¬<lb/> nossen, die ihn fragen, sein Leben. Die Erinnerung an das Verständniß des<lb/> Vogelsanges taucht in ihm auf. Er kommt wieder zur Erinnerung seines gan¬<lb/> zen Lebens. Dies Wiedererwachen des vollen Bewußtseins in dem durch<lb/> Zauber in einen einzelnen Lebensmoment bis dahin Gebannten ist von sel¬<lb/> tener Poesie. Siegfried gelangt in seinerErzählung bis zur Vermählung mit<lb/> Brünnhilde. Dies ist für die Giebichungen das Geständniß seiner Schuld.<lb/> Wotans Naben fliegen neben ihm auf und Hagen durchstößt ihn. Sterbend<lb/> besinnt er sich nur auf Brünnhilden, er, jetzt der Geweckte, glaubt sie wieder<lb/> in Schlaf verschlossen, weil er eine Zeitlang sie verloren, und kommt sich<lb/> wieder als Wecker vor. So stirbt er. Die Giebichungen ziehen mit der<lb/> Leiche zu Gutrune. In ihrem Schmerz klagt diese Brünnhilden als Stifterin<lb/> des Mordes an. Brünnhilde erklärt sich als Siegfrieds wahres Weib. Da<lb/> erkennt Gutrune, daß sie nur durch den Trank Siegfried besessen. Hagen<lb/> wollte sich des Ringes an Siegfrieds Hand bemächtigen. Da Günther es<lb/> wehrt, erschlägt ihn Hagen. Der will nun selbst den Ring vom Finger<lb/> ziehen, aber die Hand des Todten hebt sich zum allgemeinen Entsetzen drohend<lb/> empor. Brünnhilde nimmt den Ring, der ihr gehört, und läßt den Scheiter¬<lb/> haufen schichten, um sich in. dessen Flammen' mitzubegraben. Den in den<lb/> Flammen des Scheiterhaufens vom Fluche geläuterten Ring weiht sie den<lb/> Töchtern des Rheines, dessen Fluthen bald heranbrausen, den Ring aufzu¬<lb/> nehmen und aufzulösen. Sie schleudert die Flamme in den Holzstoß, Wotans<lb/> Raben fliegen auf als Boten für Wotan, daß der Augenblick der Götter¬<lb/> dämmerung gekommen, der Augenblick, Walhall mit seinen Bewohnern durch<lb/> die Flammen des Welteschenholzes der Zerstörung zu übergeben. Bald röther<lb/> die ferne Gluth des Götterbrandes den Himmel. Wenn der Dichter Brünn¬<lb/> hilden sagen läßt, daß sie den Brand in Walhalls Burg wirft, so ist dies<lb/> nur bildlich zu verstehen, weil ihr und Siegfrieds Untergang das Letzte ist,<lb/> was Wotan erwartet. Unmittelbar vorher sagt Brünnhilde, die Naben sollen<lb/> Loge nach Walhall weisen, der noch um Brünnhildes Felsen lodert. Das<lb/> heißt, Brünnhilde weiß, daß nach ihrem und Siegfrieds Untergang Wotan<lb/> Loge rufen wird. Von Siegfried verrathen, dem Tode sich weihend, ist sie<lb/> wieder Wotans wissende Tochter geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1582" next="#ID_1583"> Die Schlußworte, in welche Brünnhilde den Sinn der ganzen Dichtung<lb/> zusammenfaßt, hat der Dichter zweimal gebildet, beidemal verschiedene Ge¬<lb/> danken in verschiedener Fassung niederlegend, und endlich beide verwerfend.<lb/> Dem Sinn nach will er bei der zweiten Fassung stehen bleiben. Aber dieser</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0476]
belungenring. Er ist schon dabei, aus großmüthigem Uebermuth den Ring da¬
hin zu geben, als ihm die Rheintöchter von dem Ring Verderben weissagen.
Nun behält er ihn. Es kommt wie im deutschen Nibelungenlied die Scene
auf der Jagd, wo Siegfried ermordet wird. Gelagert erzählt er den Jagdge¬
nossen, die ihn fragen, sein Leben. Die Erinnerung an das Verständniß des
Vogelsanges taucht in ihm auf. Er kommt wieder zur Erinnerung seines gan¬
zen Lebens. Dies Wiedererwachen des vollen Bewußtseins in dem durch
Zauber in einen einzelnen Lebensmoment bis dahin Gebannten ist von sel¬
tener Poesie. Siegfried gelangt in seinerErzählung bis zur Vermählung mit
Brünnhilde. Dies ist für die Giebichungen das Geständniß seiner Schuld.
Wotans Naben fliegen neben ihm auf und Hagen durchstößt ihn. Sterbend
besinnt er sich nur auf Brünnhilden, er, jetzt der Geweckte, glaubt sie wieder
in Schlaf verschlossen, weil er eine Zeitlang sie verloren, und kommt sich
wieder als Wecker vor. So stirbt er. Die Giebichungen ziehen mit der
Leiche zu Gutrune. In ihrem Schmerz klagt diese Brünnhilden als Stifterin
des Mordes an. Brünnhilde erklärt sich als Siegfrieds wahres Weib. Da
erkennt Gutrune, daß sie nur durch den Trank Siegfried besessen. Hagen
wollte sich des Ringes an Siegfrieds Hand bemächtigen. Da Günther es
wehrt, erschlägt ihn Hagen. Der will nun selbst den Ring vom Finger
ziehen, aber die Hand des Todten hebt sich zum allgemeinen Entsetzen drohend
empor. Brünnhilde nimmt den Ring, der ihr gehört, und läßt den Scheiter¬
haufen schichten, um sich in. dessen Flammen' mitzubegraben. Den in den
Flammen des Scheiterhaufens vom Fluche geläuterten Ring weiht sie den
Töchtern des Rheines, dessen Fluthen bald heranbrausen, den Ring aufzu¬
nehmen und aufzulösen. Sie schleudert die Flamme in den Holzstoß, Wotans
Raben fliegen auf als Boten für Wotan, daß der Augenblick der Götter¬
dämmerung gekommen, der Augenblick, Walhall mit seinen Bewohnern durch
die Flammen des Welteschenholzes der Zerstörung zu übergeben. Bald röther
die ferne Gluth des Götterbrandes den Himmel. Wenn der Dichter Brünn¬
hilden sagen läßt, daß sie den Brand in Walhalls Burg wirft, so ist dies
nur bildlich zu verstehen, weil ihr und Siegfrieds Untergang das Letzte ist,
was Wotan erwartet. Unmittelbar vorher sagt Brünnhilde, die Naben sollen
Loge nach Walhall weisen, der noch um Brünnhildes Felsen lodert. Das
heißt, Brünnhilde weiß, daß nach ihrem und Siegfrieds Untergang Wotan
Loge rufen wird. Von Siegfried verrathen, dem Tode sich weihend, ist sie
wieder Wotans wissende Tochter geworden.
Die Schlußworte, in welche Brünnhilde den Sinn der ganzen Dichtung
zusammenfaßt, hat der Dichter zweimal gebildet, beidemal verschiedene Ge¬
danken in verschiedener Fassung niederlegend, und endlich beide verwerfend.
Dem Sinn nach will er bei der zweiten Fassung stehen bleiben. Aber dieser
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