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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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oder F,eibriefe, die politische Körperschaften vor dem 14. Oktober 1776 vom
König oder seinen Borfahren erhalten hätten, annullirte." "Dies deckte eben¬
sowohl kirchliches Eigenthum als Stiftungen zu Erziehungs- und Mildthätig-
keitffzwecken und Privatbesitz."

So waren die früher schon bestehenden Kirchengemeinschaften in der
Lage, dotirt, zum Theil reich dotirt, in den neuen Staat einzutreten.

' Wir haben bis jetzt die Beziehung des Staates zur Kirche ins Auge ge¬
faßt, in welcher sich der besondereZusammenhang zwischen ihnen darstellt, in welcher
wir Spuren oder doch Analogien der privilegirenden Kirchengewalt des Staates
erkennen dürfen. Wir werden nun uns der Aufgabe zuwenden müssen, die Beziehung
des Staats zur Kirche uns zu vergegenwärtigen, durch welche er seine Selbständig¬
keit gegenüber der Kirche, seine Unterschiedenheit von ihr zur Geltung bringt,
in welcher wir die Bezeugung der Kirchenhoheit des Staates wahrnehmen.

Die erste Bedingung, an welche der Staat seine Anerkennung knüpft, ist
die Konstituirung der religiösen Gemeinschaft als Corporation. Als Glieder
derselben werden die Mitglieder der Congregation betrachtet, d. h. die Per¬
sonen, welche gewöhnlich eine Kirche besuchen und zu deren Unterhalt bei¬
steuern. Diese Congregation nun, in welcher der Staat die Kirche erkennt,
ist durch Vertrauensmänner vertreten. Nach welchen Grundsätzen diese gewählt
werden, darüber bestimmt der Staat nichts, sondern beschränkt sich nur auf die
Forderung, daß sich Laien unter ihnen befinden. Eine so organisirte Con¬
gregation hat die formellen Bedingungen erfüllt, an welche die Anerkennung
des Staates geknüpft ist. Die einzige materielle Bedingung, welche dieser
stellt, liegt in der Uebereinstimmung mit den Gesetzen des Staates. Und da
diese die Jmmoralität ausschließen, so kann eine Religionsgemeinschaft, welche
unmoralischen Grundsätzen folgt, keine Anerkennung finden. Einen scheinbaren
Widerspruch hierzu bilvet die Existenz der polygamistischen Mormonen, allein
er schwindet bei der Erwägung, daß die Mormonen keine Staatsbürger sind.
Denn Alces ist ein Territorium, aber noch nicht ein Staat. Um ein
solcher zu werden, müßte es vorher die Polygamie aufgehoben haben.

Ist nun so die Congregation als religiöse Körperschaft konstituirt, so
ist sie ein vermögensfähigcs Subjekt geworden. In welcher Weise, durch welche
Mittel sie das Vermögen erwirbt, darüber sind keine allgemein gültigen
Grundsätze aufgestellt.

Der Reichthum der Mitglieder, das Interesse an Religion und Kirche
befähigt zu den größten Opfern, und wir begreifen es, daß der Verfasser auf
ein System stolz ist, welches so glänzende Resultate aufweisen kann. Wir
lassen ihn selbst reden: "In einigen Kirchen, speciell bei den Methodisten,
sind alle Kirchensitze frei, und jedes Mitglied verpflichtet sich durch Sub-


oder F,eibriefe, die politische Körperschaften vor dem 14. Oktober 1776 vom
König oder seinen Borfahren erhalten hätten, annullirte." „Dies deckte eben¬
sowohl kirchliches Eigenthum als Stiftungen zu Erziehungs- und Mildthätig-
keitffzwecken und Privatbesitz."

So waren die früher schon bestehenden Kirchengemeinschaften in der
Lage, dotirt, zum Theil reich dotirt, in den neuen Staat einzutreten.

' Wir haben bis jetzt die Beziehung des Staates zur Kirche ins Auge ge¬
faßt, in welcher sich der besondereZusammenhang zwischen ihnen darstellt, in welcher
wir Spuren oder doch Analogien der privilegirenden Kirchengewalt des Staates
erkennen dürfen. Wir werden nun uns der Aufgabe zuwenden müssen, die Beziehung
des Staats zur Kirche uns zu vergegenwärtigen, durch welche er seine Selbständig¬
keit gegenüber der Kirche, seine Unterschiedenheit von ihr zur Geltung bringt,
in welcher wir die Bezeugung der Kirchenhoheit des Staates wahrnehmen.

Die erste Bedingung, an welche der Staat seine Anerkennung knüpft, ist
die Konstituirung der religiösen Gemeinschaft als Corporation. Als Glieder
derselben werden die Mitglieder der Congregation betrachtet, d. h. die Per¬
sonen, welche gewöhnlich eine Kirche besuchen und zu deren Unterhalt bei¬
steuern. Diese Congregation nun, in welcher der Staat die Kirche erkennt,
ist durch Vertrauensmänner vertreten. Nach welchen Grundsätzen diese gewählt
werden, darüber bestimmt der Staat nichts, sondern beschränkt sich nur auf die
Forderung, daß sich Laien unter ihnen befinden. Eine so organisirte Con¬
gregation hat die formellen Bedingungen erfüllt, an welche die Anerkennung
des Staates geknüpft ist. Die einzige materielle Bedingung, welche dieser
stellt, liegt in der Uebereinstimmung mit den Gesetzen des Staates. Und da
diese die Jmmoralität ausschließen, so kann eine Religionsgemeinschaft, welche
unmoralischen Grundsätzen folgt, keine Anerkennung finden. Einen scheinbaren
Widerspruch hierzu bilvet die Existenz der polygamistischen Mormonen, allein
er schwindet bei der Erwägung, daß die Mormonen keine Staatsbürger sind.
Denn Alces ist ein Territorium, aber noch nicht ein Staat. Um ein
solcher zu werden, müßte es vorher die Polygamie aufgehoben haben.

Ist nun so die Congregation als religiöse Körperschaft konstituirt, so
ist sie ein vermögensfähigcs Subjekt geworden. In welcher Weise, durch welche
Mittel sie das Vermögen erwirbt, darüber sind keine allgemein gültigen
Grundsätze aufgestellt.

Der Reichthum der Mitglieder, das Interesse an Religion und Kirche
befähigt zu den größten Opfern, und wir begreifen es, daß der Verfasser auf
ein System stolz ist, welches so glänzende Resultate aufweisen kann. Wir
lassen ihn selbst reden: „In einigen Kirchen, speciell bei den Methodisten,
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[0453] oder F,eibriefe, die politische Körperschaften vor dem 14. Oktober 1776 vom König oder seinen Borfahren erhalten hätten, annullirte." „Dies deckte eben¬ sowohl kirchliches Eigenthum als Stiftungen zu Erziehungs- und Mildthätig- keitffzwecken und Privatbesitz." So waren die früher schon bestehenden Kirchengemeinschaften in der Lage, dotirt, zum Theil reich dotirt, in den neuen Staat einzutreten. ' Wir haben bis jetzt die Beziehung des Staates zur Kirche ins Auge ge¬ faßt, in welcher sich der besondereZusammenhang zwischen ihnen darstellt, in welcher wir Spuren oder doch Analogien der privilegirenden Kirchengewalt des Staates erkennen dürfen. Wir werden nun uns der Aufgabe zuwenden müssen, die Beziehung des Staats zur Kirche uns zu vergegenwärtigen, durch welche er seine Selbständig¬ keit gegenüber der Kirche, seine Unterschiedenheit von ihr zur Geltung bringt, in welcher wir die Bezeugung der Kirchenhoheit des Staates wahrnehmen. Die erste Bedingung, an welche der Staat seine Anerkennung knüpft, ist die Konstituirung der religiösen Gemeinschaft als Corporation. Als Glieder derselben werden die Mitglieder der Congregation betrachtet, d. h. die Per¬ sonen, welche gewöhnlich eine Kirche besuchen und zu deren Unterhalt bei¬ steuern. Diese Congregation nun, in welcher der Staat die Kirche erkennt, ist durch Vertrauensmänner vertreten. Nach welchen Grundsätzen diese gewählt werden, darüber bestimmt der Staat nichts, sondern beschränkt sich nur auf die Forderung, daß sich Laien unter ihnen befinden. Eine so organisirte Con¬ gregation hat die formellen Bedingungen erfüllt, an welche die Anerkennung des Staates geknüpft ist. Die einzige materielle Bedingung, welche dieser stellt, liegt in der Uebereinstimmung mit den Gesetzen des Staates. Und da diese die Jmmoralität ausschließen, so kann eine Religionsgemeinschaft, welche unmoralischen Grundsätzen folgt, keine Anerkennung finden. Einen scheinbaren Widerspruch hierzu bilvet die Existenz der polygamistischen Mormonen, allein er schwindet bei der Erwägung, daß die Mormonen keine Staatsbürger sind. Denn Alces ist ein Territorium, aber noch nicht ein Staat. Um ein solcher zu werden, müßte es vorher die Polygamie aufgehoben haben. Ist nun so die Congregation als religiöse Körperschaft konstituirt, so ist sie ein vermögensfähigcs Subjekt geworden. In welcher Weise, durch welche Mittel sie das Vermögen erwirbt, darüber sind keine allgemein gültigen Grundsätze aufgestellt. Der Reichthum der Mitglieder, das Interesse an Religion und Kirche befähigt zu den größten Opfern, und wir begreifen es, daß der Verfasser auf ein System stolz ist, welches so glänzende Resultate aufweisen kann. Wir lassen ihn selbst reden: „In einigen Kirchen, speciell bei den Methodisten, sind alle Kirchensitze frei, und jedes Mitglied verpflichtet sich durch Sub-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/453>, abgerufen am 06.02.2025.